BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8047 21. Wahlperiode 28.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 20.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Gelingende Resozialisierung ist der beste Opferschutz – Therapieweisungen im Rahmen der Führungsaufsicht Die Führungsaufsicht hat Straftätern mit ungünstiger Sozialprognose nach Verbüßung der Strafhaft oder dem Ende einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie einer Entziehungsanstalt eine Lebenshilfe für den Übergang in die Freiheit zu geben und zu überwachen. Die gesetzlichen Grundlagen der Führungsaufsicht ergeben sich aus dem Strafgesetzbuch , dem Jugendgerichtsgesetz, dem Betäubungsmittelgesetz und der Strafprozessordnung. Für die Führungsaufsicht werden dem Verurteilten durch die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Führungsaufsichtsweisungen erteilt. Während der Dauer der Führungsaufsicht wird die Einhaltung von Weisungen durch die Führungsaufsichtsstelle überwacht und der Verurteilte durch die Bewährungshilfe betreut. Nach § 68b Absatz 2 Strafgesetzbuch kann das Gericht dem Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht oder eine kürzere Zeit unter anderem auch Therapieweisungen erteilen. Entsprechende psycho- und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen werden auch durch gemeinnützige Vereine angeboten. Um das qualitativ hochwertige Behandlungsangebot, das diese Vereine anbieten , verlässlich abzusichern, benötigen sie neben der engagierten ehrenamtlichen Tätigkeit der Mitarbeitenden eine ausreichende finanzielle Basis, um beispielweise geeignete Räume anmieten und notwendige Bürotätigkeiten durchführen zu können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie hat sich die Anzahl der unter Führungsaufsicht stehenden Personen seit dem Jahr 2012 jährlich entwickelt? Bitte jeweils zum Stichtag 1. Januar angeben. Jahr Personenanzahl 2012 815 (168 Neuzugänge) 2013 829 (164 Neuzugänge) 2014 737 (171 Neuzugänge) 2015 693 (162 Neuzugänge) 2016 674 (144 Neuzugänge) 2017 642 Drucksache 21/8047 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie hat sich die Anzahl der erteilten Therapieweisungen seit dem Jahr 2012 jährlich entwickelt? Die statistische Erfassung der erteilten Therapieweisungen erfolgt erst seit dem 1. April 2015. Für den Zeitraum vor dem 1. April 2015 müsste eine händische Auswertung der Akten erfolgen. Dies kann aufgrund der Kürze der Zeit und bei etwa 150 bereits archivierten Akten pro Jahr nicht erfolgen. Bei etwa einem Drittel dieser Akten wurde die Führungsaufsicht in Hamburg im Übrigen durch Abgabe an andere Führungsaufsichtsstellen im Bundesgebiet (beispielsweise durch Wegzug des Verurteilten in ein anderes Bundesland) erledigt. Erteilte Therapieweisungen (auch mehrere Weisungen für eine Person): Zeitraum Anzahl der Therapieanweisungen 01.04.2015 bis 31.12. 2015 69 01.01.2016 bis 31.12. 2016 59 01.01.2017 bis 22.02. 2017 15 3. Welche Stellen und Vereine bieten in Hamburg entsprechende psychound sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen für jeweils welche Tätergruppe an? Das Universitätsklinikum Eppendorf unterhält am Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie eine Forensische Ambulanz für Personen, die wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches (StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, deshalb unter Führungsaufsicht stehen und denen das Gericht die Weisung erteilt hat, sich nach der Entlassung aus dem Strafvollzug oder der Sicherungsverwahrung in die Nachsorge der Ambulanz zu begeben. Die Asklepios Klinik Nord unterhält eine Forensische Ambulanz, die Personen aufnimmt , die aus dem Strafvollzug oder der Sicherungsverwahrung entlassen wurden, eine psychiatrische Erkrankung aufweisen, unter Führungsaufsicht stehen und denen das Gericht die Weisung erteilt hat, sich nach der Entlassung aus dem Strafvollzug oder der Sicherungsverwahrung in die Nachsorge beziehungsweise Betreuung der Ambulanz zu begeben. Darüber hinaus gibt es Vereine und niedergelassene Therapeuten, die Behandlungsmaßnahmen für entlassene Strafgefangene anbieten, allerdings nicht speziell für Personen , die unter Führungsaufsicht stehen. Im Einzelfall wurden hier auch Personen, die unter Führungsaufsicht standen, betreut. Die Angebote richten sich an junge Sexualstraftäter und kognitiv beeinträchtigte Sexualstraftäter (Wendepunkt e.V.), an gewalttätige Männer und Sexualstraftäter (Pro Familie/Packhaus, Kiel), an Patienten mit einer Suchtproblematik (bis 2014 Brücke e.V., Verein existiert in dieser Form nicht mehr) und an entlassene Strafgefangene, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind (Aktiv gegen Gewalt e.V.). Niedergelassene Therapeuten entscheiden im Einzelfall über die Aufnahme eines Probanden. 4. Wie beurteilen die zuständigen Behörden das Behandlungsangebot der Stellen und Vereine für zu entlassende beziehungsweise gerade entlassene Straftäter? Die Behandlungsangebote der Stellen und Vereine haben sich seit Jahren bewährt. Die zuständigen Behörden beurteilen das Behandlungsangebot positiv. 5. Welche Zuwendungen und sonstigen finanziellen oder sachlichen Mittel haben die Vereine/Stellen seit dem Jahr 2012 jeweils jährlich erhalten? Bitte pro Verein und Jahr darstellen. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Mittel, die den Stellen und Vereinen von den Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg zugekommen sind. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8047 3 2012 2013 2014 2015 2016 UKE – Präventionsam - bulanz 209.705 € 184.942 € 179.534 € 209.145 € bislang nur 1. Hj.: 107.150 € Asklepios Nord- Ochsenzoll 65.605 € 55.724 € 59.016 € 68.237 € 86.679 € Wendepunkt e.V. 21.387 € 18.945 € 16.855 € 14.734 € bislang nur 1.- 3. Quartal 2016: 33.316 € Pro familia / Packhaus - 1.040 € 640 € 1.178 € 2.730 € Brücke e.V. 80 € 560 € - - - Aktiv gegen Gewalt 3.555 € 5.500 €* 8.500 € 6.000 € 6.000 € Niedergelassener Therapeut I - 820 € - - - Niedergelassener Therapeut II - - 345 € 1.093 € 3.910 € * Es erfolgte eine Rückzahlung von 500 Euro, da dafür keine Verwendungsnachweis vorgelegt werden konnte. 6. Werden seitens der zuständigen Behörden Räume für Behandlungsangebote zur Verfügung gestellt beziehungsweise kostenlos vermittelt? Falls ja, welche und unter welchen Voraussetzungen können die Vereine sie zu welchen Zeiten nutzen? Falls nein, inwiefern gäbe es Möglichkeiten, den Vereinen für die sinnvolle Tätigkeit Räume kostenneutral zur Verfügung zu stellen? Der Senat sieht keine Möglichkeit, Vereinen Räume kostenneutral zur Verfügung zu stellen. Vereine können jedoch Räumlichkeiten im Bestand der zuständigen Behörden nutzen. Eine Anmietung von Räumlichkeiten für diese Zwecke erfolgt nicht. 7. Wie soll nach Ansicht der zuständigen Behörden eine verlässliche und qualitativ hochwertige Arbeit der Vereine, die oftmals auch für Therapieweisungen der Strafvollstreckungskammern herangezogen werden, gewährleistet werden? Der Senat hat Leistungsvereinbarungen mit dem Universitätsklinikum Eppendorf, der Asklepios Klinik Nord und dem Verein Wendepunkt e.V. abgeschlossen, die regelmäßig entsprechend den Bedarfen und Kosten angepasst werden. Den Leistungsvereinbarungen liegt ein Ambulanzkonzept zugrunde, das fachliche Standards und Dokumentationspflichten vorschreibt. Die beiden Kliniken und der Verein nehmen die Probanden auf, für die die Strafvollstreckungskammern entsprechende Therapieweisungen aussprechen. Erfüllen Probanden die Aufnahmekriterien ausnahmsweise nicht, wird eine andere (externe) Lösung gefunden. Der Senat ist im Übrigen aus Gründen der Verpflichtung des wirtschaftlichen Umgangs mit Haushaltsmitteln gehalten, Probanden vorrangig den Einrichtungen zuzuweisen, mit denen entsprechende Leistungsvereinbarungen geschlossen wurden.