BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8077 21. Wahlperiode 28.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 21.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Fahrradstaffel der Polizei in Hamburg: Mehr Schutz oder mehr Strafe für Rad Fahrende? In Hamburg gibt es seit 1996 die Fahrradstaffel der Polizei. „Aktuell sind zehn Polizeibeamte von April bis Oktober im Hamburger Stadtgebiet auf ihren Fahrrädern im Einsatz. Im Winter – von November bis März – reduziert sich das Team auf fünf Mitarbeiter und sorgt auch in der kalten Jahreszeit für Sicherheit im Hamburger Radverkehr. ... Ziel und primäre Aufgabe der Fahrradstaffel ist die Verringerung von Unfällen mit Radfahrern. Durch zielgerichtete Maßnahmen, wie Rotlichtkontrollen, gegen das Befahren der falschen Radwegseite, gegen das Fehlverhalten beim Abbiegen von Kraftfahrzeugen gegenüber Radfahrern, das Freihalten von Radwegen und die Ahndung von Seitenabstandsverstößen gehören unter anderem zum Aufgabengebiet der Fahrradstaffel.“ (zitiert nach http://akademie-der-polizei.hamburg.de/ fahrradstaffel/). Die Berliner Fahrradstaffel der Polizei wird von der Unfallforschung gelobt. Zwei Drittel der Strafmandate dort gehen zulasten des Kfz-Verkehrs (vergleiche https://udv.de/de/medien/mitteilungen/zwei-jahre-fahrradstaffel-derpolizei -berlin). In Hamburg hingegen ergeben Anfragen interessierter Fahrradaktivisten /-innen, dass die Quote eher zu 9/10 zulasten des Radverkehrs ginge. Die Fahrradstaffel habe 2011 bis 2013 686 repressive und 390 präventive Einsätze durchgeführt, davon 36 Schwerpunkteinsätze „Fehlverhalten Kfz“. 92,5 Prozent der Verwarngelder für Kfz wurden für Falschparken ausgestellt. 95 Prozent der Bußgelder für Fahrräder wurden fürs Missachten des Rotlichts ausgestellt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Radfahrer werden durch andere Verkehrsteilnehmer oder auch durch eigenes Verhalten gefährdet beziehungsweise gefährden andere Verkehrsteilnehmer – Maßnahmen der Polizei beziehen sich daher auf alle Verkehrsunfallursachen und Gefahrensituationen . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. An wie vielen der in Hamburg registrierten Unfälle waren in den Jahren 2014, 2015 und 2016 Radfahrer/-innen beteiligt (bitte für jedes Jahr jeweils absolut und prozentual einzeln angeben)? Die nachfolgenden Angaben zu den Verkehrsunfällen sind durch eine Abfrage in der Datenbank Elektronische Unfalltypensteckkarte (EUSka) am 9. Februar 2017 ermittelt worden; die Zahlen für das Jahr 2016 sind vorläufig. Drucksache 21/8077 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Anzahl Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung Anteil an allen registrierten Verkehrsunfällen 2014 3.274 5,0 % 2015 3.242 4,8 % 2016 3.230 4,7 % 2. Wie viele Einsätze der Polizei waren in den Jahren 2011 bis 2016: - Repressive/Präventive Einsätze Radverkehr? - Repressive/Präventive Einsätze Kfz-Verkehr? - Repressive/Präventive Einsätze Sonstige? Bitte jährlich nach den jeweiligen Kategorien und in Summe aufführen. Anzahl Einsätze Radverkehr Anzahl Einsätze Kraftfahrzeugverkehr Anzahl Sonstige Einsätze repressiv präventiv repressiv präventiv repressiv präventiv 2011 n.e. 765 10.856 n.e. 1.200 644 2012 1.145 760 10.253 n.e. 1.080 556 2013 493 716 10.853 n.e. 901 422 2014 304 762 9.413 n.e. 813 487 2015 938 1.003 9.907 27 693 475 2016 1.023 1.104 9.237 25 639 399 n.e. = nicht erfasst Repressive Einsätze Radverkehr werden erst seit 2012, präventive Einsätze Kraftfahrzeugverkehr erst seit 2015 statistisch erfasst. Für die Jahre 2011 bis 2014 erfolgte zu Geschwindigkeitsmessungen nur eine Zählung der Messeinheiten, nicht aber der Kontrollmaßnahmen (Einsätze), ab 2015 kann eine Kontrollmaßnahme eine Vielzahl von Messeinheiten beinhalten (zum Beispiel beim Blitzmarathon). Maßnahmen mit der Zielgruppe Schulkinder, die auch Maßnahmen gegen Kraftfahrzeugführer und Radfahrer enthalten, werden unter „Sonstige Einsätze“ gezählt. Im Übrigen wird Verkehrsüberwachung , die sich auf alle Verkehrsteilnehmer beziehen kann, auch im Rahmen des Streifendienstes durchgeführt. 3. Wer entscheidet bei der Einsatzplanung nach welchen Kriterien über die Art von Einsätzen gemäß Frage 2.? Die Polizei setzt die vorhandenen personellen Ressourcen im Rahmen aktueller Lageerkenntnisse und unter Berücksichtigung der erforderlichen Prioritätensetzungen ein. 4. Wie viele Verwarn- und Bußgelder wurden im Kfz-Verkehr von 2014 bis 2016 verhängt aufgrund folgender Tatbestände: - Überholen. Hier, falls die Kategorie vorhanden ist: kein ausreichender Seitenabstand beim Überholen von Rad Fahrenden? - Missachtung der Vorfahrt (Zeichen 205/206)? - Abbiegen mit Gefährdung eines/einer Rad Fahrenden? - Unerlaubtes Befahren eines Radwegs oder einer Fahrradstraße? - Parken und Halten auf Radwegen/Radstreifen? - Sonstige? Bitte jeweils die jährlichen Zahlen und die Summe angeben. Die zuständige Behörde erfasst allein statistisch die Anzahl der eingeleiteten Verfahren für Verstöße im ruhenden und fließenden Verkehr. Diese sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt. Bei der Auswertung sind mit Ausnahme der Radfahrer und Fußgänger alle Verkehrsbeteiligungsarten einbezogen worden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8077 3 Jahr Tatbestand 2014 2015 2016 Summe Überholen 1.040 1.111 1.089 3.240 Kein ausreichender Seitenabstand* 293 397 345 1.035 Missachtung der Vorfahrt (Zeichen 205/206) 1.506 1.354 1.459 4.319 Abbiegen mit Gefährdung Anderer* 93 93 125 311 Unerlaubtes Befahren eines Radwegs oder einer Fahrradstraße 0 1 0 1 Parken und Halten auf Radwegen/ Radstreifen/Fahrradstraßen 7.068 7.201 8.550 22.819 Sonstige 1.369.153 1.451.084 1.715.957 3.240 Summe 1.379.153 1.461.241 1.727.525 * Ein Tatbestand „kein ausreichender Seitenabstand beim Überholen von Radfahrenden“ sowie „Abbiegen mit Gefährdung eines/einer Radfahrenden“ finden sich nicht im Bußgeldkatalog . Die Tatbestände beziehen sich immer auf die Gefährdung anderer, dies können Radfahrer , aber auch andere Verkehrsteilnehmer sein. 5. Hamburgs Unfallstatistik zeigt: Crashs mit Fahrradbeteiligung werden überwiegend von Pkws und Lkws beim Abbiegen verursacht, an zweiter und dritter Stelle folgen Missachtung der Vorfahrt/Vorrang und Fehler beim Einfahren. Falsche Straßenbenutzung, insbesondere das Fahren auf den Gehweg und auf dem Radweg in falscher Richtung, bildet die Hauptursache für Crashs mit Rad Fahrenden als Hauptunfallverursacher (vergleiche Drs. 21/4315). Welche Maßnahmen führt die Fahrradstaffel zur Reduzierung dieser Hauptunfallursachen durch und welche Schwerpunkte setzt sie? Die Fahrradstaffel der Polizei führt ihre Maßnahmen basierend auf Bürgerhinweisen, eigenen Feststellungen und Auswertungen von Unfalldaten durch. Darüber hinaus führt sie monatlich zielgerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung von Fehlverhalten durch Radfahrer als auch Kraftfahrzeugführer durch. Besondere Beachtung findet dabei die Bekämpfung der Hauptunfallursachen mit Radfahrerbeteiligung wie: Abbiegeverstöße , Seitenabstandsverstöße, Rotlichtverstöße und das Benutzen der falschen Radwegseite. 6. Wie viele Fahrräder stehen der Polizei insgesamt zur Verfügung? Befinden sich darunter auch Pedelecs oder S-Pedelecs? Wenn nein, warum nicht? Mit Stichtag 10. Februar 2017: 348 Fahrräder; darunter befinden sich auch Pedelecs. Die Polizei verfügt nicht über S-Pedelecs. Diese Fahrzeuge sind gemäß EG-Richtlinie 2002/24 als Kleinkraftrad eingestuft und unterliegen der Straßenbenutzungspflicht. Die Polizei sieht unter taktischen Gesichtspunkten keinen Bedarf für ihren Einsatz. 7. Gibt es ein geografisch abgegrenztes Einsatzgebiet der Fahrradstaffel in der Freien und Hansestadt Hamburg? Falls ja, welches und weshalb? Nein. 8. Welche Planungen gibt es bei der Polizei, um den Radverkehr stärker zu schützen und zu unterstützen? Die Erhöhung der Verkehrssicherheit ist ein Prioritätsbereich der Polizei. Ziel ist es, durch Verkehrserziehung über Polizeiverkehrslehrer, gezielte Überwachung von Radfahrern im Rahmen von Verkehrskontrollen, gezielte Kontrollen im Rahmen der Schulwegsicherung sowie konzertierte und öffentlichkeitswirksame Aktionen unter Beteiligung anderer Träger der Verkehrssicherheitsarbeit die Sicherheit unter anderem für Radfahrer zu erhöhen. Präventive Maßnahmen sind zum Beispiel: Drucksache 21/8077 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 - Aktion „richtiges Einstellen der Spiegel bei Lkw“ zur Verhinderung von Abbiegeunfällen . - Radfahrausbildung durch 55 Polizeiverkehrslehrer zusammen mit fünf Jugendverkehrsschulen in der 3. und 4. Klasse mit dem Ablegen des „Fahrradführerscheins“ in der vierten Klasse sowie weiteren Fahrradprojekten in den Klassen 5 und 6. - Aktion „toter Winkel“ zur Sensibilisierung für Gefahren beim Abbiegen. - Aktion „Fahrradfuchs“, die ab 2017 fester Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit der Hamburger Polizei wird. Analog zur Aktion Verkehrsfuchs bieten Polizeiverkehrslehrer kostenlose Wochenkurse in den Schulferien an. Sie führen Kinder der Altersstufen 6 bis 11 schrittweise an Verkehrssituationen heran und üben täglich richtige Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Darüber hinaus steigert die Fahrradstaffel durch ihren Einsatz die gegenseitige Akzeptanz von Verkehrsteilnehmern – insbesondere in Verbindung mit Radfahrenden – durch Präventionsveranstaltungen, im Rahmen von Verkehrskontrollen und beim repressiven Einschreiten durch entsprechende Gesprächsführung. Weiterhin wirkt die Polizei als Straßenverkehrsbehörde an der sicheren Gestaltung des Verkehrsraumes auch für Radfahrende mit. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.