BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8085 21. Wahlperiode 28.02.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 21.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Stresstest OSZE-Außenministerkonferenz und G20: Ist das lebende IT- Museum der Hamburger Polizei fit für die Welt des 21. Jahrhunderts? Die Polizei in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) ist 17 Jahre nach Anbruch des 21. Jahrhunderts bekanntlich gezwungen, sich bei ihrer Arbeit überwiegend auf IT-Systeme zu verlassen, deren Plattformen noch aus dem späten 20. Jahrhundert stammen. Dort, wo neue IT-Systeme eingeführt werden, setzt die FHH zudem auf Insellösungen , die nicht nur Zweifel am dauerhaften Support und der Versorgung mit Ersatzgeräten und -teilen aufwerfen, sondern auch zum Großteil mit sonstigen auf dem Markt befindlichen, erprobten und oft bewährten Systemen inkompatibel sind. Dies beeinträchtigt auch die Fähigkeit der Hamburger Sicherheitsbehörden, mit denen anderer Bundesländer, des Bundes oder anderer Staaten zusammenzuarbeiten, die auf Systeme außerhalb des IT- Archipels FHH setzen. Außergewöhnliche Großlagen wie die OSZE-Außenministerkonferenz oder die bevorstehende G20-Gipfelkonferenz stellen somit einen unfreiwilligen Stresstest dar für die Leistungsfähigkeit und die Fähigkeitslücken dieser Systeme und deren Kompatibilität mit denen externer Kräfte, auf deren Hilfe die FHH bei solchen Anlässen in besonderer Weise angewiesen ist, dar. Handlungsbedarfen, die aus dem OSZE-Stresstest heraus bereits aufgezeigt wurden und sich im Kontext mit G20 fortlaufend weiter aufzeigen, gilt es genauso zügig abzuhelfen wie offene Fragen des zugrunde liegenden Rechtsrahmens und des Datenschutzes zum Schließen von IT-Fähigkeitslücken zu lösen sind. Besondere Beachtung muss hierbei den bekannten Ausführungen des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten hinsichtlich der Kommunikation mit personenbezogenen und personenbeziehbaren Daten in ungeschützten Behördennetzen zukommen. Diese gewinnt zudem verschärfte Bedeutung bei Kommunikation über kommerzielle Netzte mit zweifelhaften Datenschutzstandards . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Informationstechnikausstattung der Polizei Hamburg entspricht den aktuellen Bedarfen und Anforderungen der polizeilichen Praxis. Sie ist eingebunden in das System der IT-Ausstattung von Bund-Ländern für die Übermittlung und Abfrage polizeilicher Daten, das unabhängig von den in den einzelnen Ländern und im Bund verwendeten IT-Plattformen und Systemen auf Basis festgelegter Standards funktioniert. Die Drucksache 21/8085 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 IT-Systeme in den Ländern und im Bund haben vor dem Hintergrund föderaler Strukturen in den vergangenen Jahren in vielen Ländern zu eigenständigen IT-Anwendungen der Polizeien geführt, die mit anderen Systemen nicht ohne weiteres kompatibel sind. Vor dem Hintergrund zunehmender Anforderungen an die Informationstechnische Unterstützung der Polizeiarbeit haben sich der Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder auf der Konferenz der Innenminister am 30. November 2016 auf die Schaffung einer gemeinsamen, einheitlichen Informationsinfrastruktur verständigt. Darüber hinaus befindet sich die Polizei Hamburg in verschiedenen IT-Kooperationen mit anderen Polizeien, mit denen vorhandene Systeme gemeinsam gepflegt und weiterentwickelt werden. Durch die beständige Weiterentwicklung der IT der Polizei wird diese an die sich verändernden und erweiterten Anforderungen angepasst. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Entwicklungen nutzt die Polizei Hamburg aktuell die Möglichkeiten zur Unterstützung der Einsatzkräfte vor Ort durch die beständige Anpassung der IT-Ausstattung. In diesem Zusammenhang wurde auch das Projekt „MobiPol“ eingesetzt, mit dem die strategische Zielsetzung verfolgt wird, die Einsatzkräfte vor Ort durch die mobile Datenerfassung und Datenabfrage vor Ort zu Unterstützen. Ein erster Schritt zu dieser Unterstützung war die Entwicklung eines Messenger24, der entsprechend dieser Zielsetzung nicht vorrangig für die Nutzung bei Großeinsatzlagen konzipiert ist, sondern für die Einsatzunterstützung bei verschiedensten Anlässen auch des täglichen Dienstes der Polizei. Hierfür war es vorrangig notwendig, diese Anwendung kompatibel und sicher für den Zugang zu den vorhandenen Systemen der Polizei Hamburg aufzubauen. Im Rahmen des OSZE- Einsatzes wurde dieses System den Kräften in der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Ausbaustufe als zusätzliches Instrument zur Einsatzunterstützung zur Verfügung gestellt. Wie in solchen Einsätzen Standard, ist Hauptkommunikationsinstrument aber der Digitalfunk, ergänzt um die dienstlichen Mobiltelefonnutzungen. Eine Nutzung privater Kommunikationsmittel ist nicht vorgesehen und für die Einsatzbewältigung grundsätzlich nicht erforderlich. Die von den Einsatzkräften gegebenen Hinweise zu Verbesserungsmöglichkeiten des Messenger, zum Beispiel bei den Teilnehmeranzeigen , bei den Übermittlungszeiten und den Push-Button-Bedarfen, werden in der Weiterentwicklung soweit möglich berücksichtigt. Die grundsätzliche Funktionalität der Geräte und der Anwendung war dabei aber gegeben. Bei der Weiterentwicklung muss vorrangig die Zielsetzung der mobilen Einsatzunterstützung der Polizei Hamburg auch im Regelbetrieb berücksichtigt werden. MobiPol wird hier ein wichtiger Baustein der Weiterentwicklung der Polizeiarbeit sein. Das gesamte System ist dabei aufgrund der Gesamtsituation im IT-Bereich so ausgerichtet, dass es betriebssystemunabhängig auf den vorhandenen Endgeräten verwendet werden kann und insofern die notwendige Zukunftssicherheit aufweist. Die vertraglichen Regelungen sichern auch die Versorgung mit Ersatzgeräten in den kommenden Jahren. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Musste beim Einsatz im Rahmen der OSZE-Außenministerkonferenz – inklusive ihrer Vor- und Nachbereitung – wieder auf private Endgeräte von Einsatzkräften sowie auf private Software von Drittanbietern beziehungsweise auf solche Software-Plattformen, die auf Servern im Ausland basieren oder solche, die von Unternehmen im Ausland kontrolliert werden , zurückgegriffen werden? 2. Falls die Antwort zu 1. ja ist: Wie ist deren Einsatz bei den Einsatzkräften in der FHH in welcher Form geregelt? 3. Falls die Antwort zu 1. ja ist: Wie wird durch den Senat als ausführendes Organ der FHH sichergestellt, dass die in Hamburg geltenden Datenschutzregelungen zu personenbezogenen und -beziehbaren Daten eingehalten und unbefugten privaten oder staatlichen Dritten jenseits der Rechtssphäre der FHH nicht offenkundig werden? 4. War die Funktion der 900 neu beschafften mobilen Endgeräte vom Hersteller Lumia während der OSZE-Außenministerkonferenz jederzeit gegeben? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8085 3 Wenn nein, in wie vielen Fällen aus welchen Gründen nicht? 5. Beurteilt der Senat die Fähigkeiten dieser Endgeräte sowie die der darauf installierten oder installierbaren OS und Anwendersoftware als zeitgemäß und zukunftsfähig? Falls ja, wie kommt der Senat zu dieser Einschätzung? 6. War dabei die Kommunikation über die Plattform Messenger24 auf den Lumia-Geräten und gegebenenfalls anderen Geräten jederzeit valide? 7. War dabei die Kommunikation mit externen Einsatzkräften aus der Plattform Messernger24 heraus und unter Nutzung der Lumia-Endgeräte jederzeit valide? 8. Wie stellt der Senat angesichts der privatwirtschaftlichen Entwicklung und der Inkompatibilität von Messenger24 sicher, dass die Versorgung mit Ersatzgeräten, Ersatzteilen sowie der Firmware- und OS-Support für die Geräte respektive der Support für endgerätspezifische Software für den prognostizierten und realistisch zu erwartenden Nutzungszeitraum auf einem befriedigenden Niveau erfolgen werden? Welcher Zeitraum steht hierbei in Rede? 9. Wie stellt der Senat angesichts der privatwirtschaftlichen Entwicklung und der Inkompatibilität von Messenger24 mit mobilen Endgeräten anderer Hersteller oder mit anderen OS-Systemen sicher, dass die Nutzbarkeit von Messenger24 für den prognostizierten und den realistisch zu erwartenden Nutzungszeitraum gewährleistet ist? 10. Falls die Antworten zu 4. und/oder 5. und/oder 6. und/oder 7. ja ist: Wie wird der Senat die Mängel und Fähigkeitslücken bis jeweils wann abstellen und bis wann beziehungsweise bis zu welchen Zeitpunkten jeweils sukzessive? Siehe Vorbemerkung. 11. Wie beurteilt der Senat die sich weiterhin abzeichnenden Probleme zur Bewältigung der Großeinsatzlagen der OSZE-Außenministerkonferenz und G20-Gipfel vor dem Hintergrund der Darstellung des Senates in der letzten Befassung des Innenausschusses mit dem neuen Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV), wonach die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern und dem Bund aufgrund der schlechten Kompatibilität der Polizei-IT der FHH noch auf längere Zeit völlig unzureichend bleiben wird? Wie bewertet der Senat im Rahmen dieser Beurteilung die Tatsache, dass im Rahmen des G20-Gipfels mit besonders hohem Datenaufkommen hinsichtlich von Störern, Straftätern und Gefährdern von außerhalb der FHH und aus dem Ausland zu rechnen ist, mithin der effektive Datenaustausch und eine zügige Zusammenarbeit mit externen Sicherheitsbehörden daher von ganz besonderer Relevanz sein werden? Der Polizeiliche Informations- und Analyseverbund (PIAV) ist eine Fortentwicklung des bundesweiten Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD). Dabei werden bestehende Systeme des kriminalpolizeilichen Informationsaustausches stufenweise durch den PIAV ersetzt. Der PIAV hat keine Auswirkung auf die Bewältigung von Großeinsatzlagen. Strukturelle Voraussetzungen sowie die erforderlichen Führungs- und Einsatzmittel für einen Austausch von Daten sind vorhanden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/7768. 12. Bis wann wird der Senat entsprechende Unstimmigkeiten geklärt haben, die zu häufigen Ausfällen des Digitalfunks in Zuständigkeitsbereichen der Deutschen Bahn AG oder des Bundes führen? Bis wann ist mit einer technischen Abhilfe zu rechnen beziehungsweise bis zu welchen Zeit- Drucksache 21/8085 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 punkten sollen jeweils sukzessive welche Problemursachen angegangen werden? Unstimmigkeiten und Funkausfälle im Sinne der Frage sind der Polizei nicht bekannt. Da es in den im Verantwortungsbereich der Deutschen Bahn AG liegenden unterirdischen Bahnhöfen der Hamburger S-Bahn und Tunnelanlagen noch keine Objektversorgungsanlage gibt, wird der Senat in Vorbereitung auf den G20-Gipfel die bisher von der vorhandenen Objektversorgungsanlage der Hamburger Hochbahn am Bahnhof Jungfernstieg nicht abgedeckten Örtlichkeiten der S-Bahn eigenständig ertüchtigen und damit den gesamten unterirdischen U- und S-Bahnhof Jungfernstieg mit Digitalfunk versorgen. Welcher Zeitplan zur Versorgung anderer Örtlichkeiten in der Zuständigkeit der Deutschen Bahn AG mit dem zuständigen Bundesministerium des Innern vorgesehen ist, ist dem Senat nicht bekannt. Im Übrigen siehe Drs. 21/7768.