BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8107 21. Wahlperiode 03.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 23.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK) Ich frage den Senat: Der Umgang mit Widersprüchen und Beschwerden im Zusammenhang mit Leistungsentscheidungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, an denen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK Nord) beteiligt war, wurde im Rahmen der Drs. 21/6713 dargestellt. Der MDK Nord ist seit der Fusion im Jahr 2006 in den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein tätig. Die folgenden Zahlen betreffen deshalb die Begutachtungen in beiden Ländern. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Informationen und internen, anlassbezogenen Auswertungen des MDK Nord wie folgt: 1. Wie viele Gutachten hat der MDK für Versicherte aus Hamburg in den Jahren 2015 und 2016 erstellt? Der MDK Nord erstellt seine Gutachten nicht für Versicherte, sondern nach § 275 SGB V im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen und nach § 18 SGB XI im Auftrag der sozialen Pflegekassen. Der MDK Nord hat in 2015 309.722 und in 2016 318.644 versichertenbezogene, fallabschließende Gutachten erstellt. Nicht eingerechnet sind Begutachtungen im Bereich der stationären Versorgung, weil diese die Versicherten nicht direkt betreffen und daher auch keine Widerspruchbegutachtungen von Versicherten auslösen können. 2. Wie viele Versicherte legten in 2015 und 2016 gegen eine Beurteilung durch den MDK Widerspruch ein? In 2015 gab es 17.372 und in 2016 19.588 Widerspruchsgutachten. Die Zahl der Widersprüche lässt keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Zahl der aus fachlich medizinischer Sicht fehlerhaften Empfehlungen zu. Ein Widerspruch ist in der Begutachtungspraxis des MDK in der Regel ein Vorgang, um aktuellere oder weitere Unterlagen wie zum Beispiel Arztberichte und Befunde zu einem Begutachtungsfall zu berücksichtigen. Werden aktuellere oder weitere Befunde vorgelegt, führt dies häufig zu einer Neubewertung. 3. In wie viel Prozent der Fälle waren die Widersprüche erfolgreich? 4. Wie viele Versicherte legen nach dem ersten Widerspruch einen weiteren Widerspruch ein? Daten hierzu werden beim MDK Nord nicht erhoben. Drucksache 21/8107 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Wie viele Klagen gegen Beurteilungen des MDK wurden in den Jahren 2015 und 2106 vor dem Sozialgericht erhoben? 6. Wie viel Prozent der Klagen waren erfolgreich? Hierzu liegen keine Daten vor. Die Klagen richten sich nicht gegen die Gutachten des MDK, sondern gegen Leistungsentscheidungen der Kranken- oder Pflegekassen. Siehe hierzu Drs. 21/6713. 7. Wird im Falle eines Widerspruchs gegen eine Beurteilung vom MDK immer ein anderer Gutachter beauftragt? Wenn nein: warum nicht? Zweitgutachter werden grundsätzlich eingesetzt, wenn der Erstgutachter auch nach erneuter Sichtung des Falles zu einer ablehnenden Empfehlung kommt. Bekommt der Erstgutachter jedoch neue, aktuellere oder zusätzliche Befunde vorgelegt, kann er von sich aus eine anderslautende Empfehlung im Sinne der beantragten Leistung an die Kranken- oder Pflegekasse abgeben. 8. Inwieweit werden Gutachten vom MDK vor Weitergabe an die Krankenkassen auf Richtigkeit überprüft? Der MDK Nord sichert die Qualität der Gutachten durch ein Stichprobenverfahren. In diesem Prozess werden Gutachter regelmäßig einem Peer-Review unterzogen. Das Qualitätsmanagement sucht zudem in der statistischen Auswertung nach Auffälligkeiten . So können Fehlerquellen identifiziert und beseitigt werden. 9. Welche Aufgaben und Rechte hat der Qualitätsbeauftragte des MDK? Der Qualitätsbeauftragte ist als eigene Stabsstelle direkt dem Geschäftsführer des MDK Nord unterstellt. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 8. 10. Inwieweit berücksichtigt der MDK bei seinen Beurteilungen die Befunde oder Gutachten der behandelnden Ärzte? Berichte und Befunde behandelnder Ärzte sind die Grundlage der Begutachtung durch den MDK Nord. Nur wenn die vorgelegten Berichte und Befunde nicht ausreichen oder diese nicht schlüssig erscheinen, werden offene Punkte dargelegt und gegebenenfalls ein direkter Kontakt mit dem behandelnden Arzt gesucht. 11. Wie ist die Unabhängigkeit des MDK von den Krankenkassen sichergestellt ? Die ärztlichen Gutachter sind nach § 275 Absatz 5 SGB V bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Gleiches gilt für die pflegefachlichen Gutachter. Zudem sind alle Gutachter verpflichtet, sich an die gültigen Begutachtungs-Richtlinien zu halten, die auf der Bundesebene zwischen dem GKV-Spitzenverband und den medizinischen Fachgesellschaften abgestimmt werden. Zur Finanzierung ist in § 281 Absatz 1 SGB V bestimmt, dass der MDK durch eine Umlage finanziert wird und nicht nach Einzelaufträgen. Damit soll sichergestellt werden , dass der MDK nicht ergebnisabhängig oder erfolgsabhängig im Sinne der Auftraggeber beauftragt werden kann. Die Umlage bemisst sich nach der Zahl der Krankenkassen -Mitglieder mit Wohnort im Einzugsbereich des jeweiligen MDK. 12. Wie viele Beschwerden gegen Beurteilungen des MDK wurden 2015 und 2016 bei der aufsichtführenden Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) erhoben? Im Jahr 2015 sind sechs Beschwerden eingegangen, im Jahr 2016 sieben. 13. Wie prüft die BGV diese Beschwerden? Die BGV prüft im Rahmen der Rechtsaufsicht nach § 87 SGB IV die bei ihr eingehenden Beschwerden dahin gehend, ob Verstöße gegen geltendes Recht geschildert werden, zum Beispiel Nicht-Einhalten von Begutachtungsfristen, offenkundige Fehler und Einhalten der Bestimmungen des Datenschutzes. Der MDK Nord wird regelhaft zur Überprüfung des Sachverhaltes und zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8107 3 Soweit die bei der BGV eingegangene Beschwerde als Dienstaufsichtsbeschwerde oder Fachaufsichtsbeschwerde vom MDK Nord in eigener Zuständigkeit zu bearbeiten ist, wird der abschließende Bescheid an den Beschwerdeführer auf seine Rechtmäßigkeit hin geprüft. 14. Wie viel Prozent der bei der BGV erhobenen Beschwerden gegen den MDK waren in den Jahren 2015 und 2016 ganz oder teilweise erfolgreich ? In keinem Fall wurde ein Verstoß gegen geltendes Recht festgestellt. 15. Inwieweit gibt es eine Qualitätszertifizierung beim MDK? Zur Ergebnisqualität im medizinisch-fachlichen Sinne siehe Antwort zu 8. Qualitätszertifizierungen wie zum Beispiel nach DIN ISO 9001 oder nach dem EFQM- Modell fokussieren schwerpunktmäßig Struktur- und Prozessqualität oder ein Marktverhalten . Sie sind wenig geeignet, die Ergebnisqualität von medizinischen oder pflegerischen Begutachtungen zu sichern.