BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/811 21. Wahlperiode 23.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 17.06.15 und Antwort des Senats Betr.: Familienzusammenführungen in Hamburg Vermehrt erreichen Flüchtlinge im Rahmen der Dublin-Familienzusammenführung Hamburg. Ein Teil von ihnen ist minderjährig und wird aus einem unbegleiteten Status in einem anderen EU-Land mit der Dublin-Familienzusammenführung in einen begleiteten Status, zum Beispiel zu Eltern, Onkel oder Tante, geführt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wer nimmt Personen die im Rahmen der Dublin-Familienzusammenführung nach Hamburg kommen, wo in Empfang? 2. Wo müssen sich die zugeführten Personen wann melden? Bitte unterteilen in Volljährige, Minderjährige, begleitete Minderjährige bis Hamburg, unbegleitete Minderjährige. 3. Wie reisen die Personen in der Regel? Innerhalb Deutschlands, aus der EU nach Deutschland? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist die zuständige Stelle für die Entscheidung über Auf- und Wiederaufnahmeersuchen der anderen Staaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung, den Informationsaustausch sowie die notwendigen Mitteilungen an die betroffenen Drittstaatsangehörigen. Überstellungen von entsprechenden Personen erfolgen grundsätzlich auf dem Luftweg . Die Personen nimmt die Bundespolizei am Flughafen Hamburg in Empfang. Sowohl die minderjährigen als auch die volljährigen Flüchtlinge müssen sich in der ZEA Harburger Poststraße 1 melden. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge meldet die Bundespolizei zudem beim KJND. Ein weitergehender Beitrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge war in der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu erlangen. 4. Welches Jugendamt ist für die zu ihren Verwandten zugeführten Minderjährigen zuständig? Das jeweils nach § 86 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt. Innerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg ist dies das Bezirksamt am gewöhnlichen Aufenthalt der Verwandten. 5. Welche Vorgehensweise praktiziert der KJND wenn sich ein/e Erwachsene /r mit einem/r ihm zugeführte minderjährigem/n Verwandten meldet ? Auf welcher Rechtsgrundlage wird wie agiert? Eine Inobhutnahme ist nach § 42 Absatz1 SGB VIII nur durchzuführen, wenn - das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder Drucksache 21/811 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 - eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert oder - ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Entsprechend prüft der KJND bezüglich des erfragten Zusammenhanges, ob die begleitende erwachsene Person sorge- oder erziehungsberechtigt ist. 6. Wird bei zugeführten Minderjährigen eine Alterseinschätzung durchgeführt , obwohl auf den Dublin-Familienzusammenführungspapieren ein Alter angegeben ist? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? 7. Auf welcher Rechtsgrundlage wird ein/e Minderjährige/r beim KJND (vorläufig ) in Obhut genommen, obwohl ein Verwandte/r in Hamburg ist und die Sorge für den/die Minderjährige/n übernehmen möchte? Eine Alterseinschätzung kommt nur in Betracht, wenn eine Inobhutnahme erfolgen soll und es Zweifel daran gibt, dass das Kind beziehungsweise der Jugendliche das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Wenn sich eine personensorge- oder erziehungsberechtigte Person im Inland aufhält, handelt es sich bei dem Kind oder Jugendlichen rechtlich nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen und es erfolgt keine Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Nummer 3 SGB III. Eine gegebenenfalls notwendige Inobhutnahme kommt nur nach § 42 Absatz 1 Nummer 1oder 2 SGB III infrage, wenn die Eltern kurzfristig nicht erreichbar sind oder die Aufnahme des Kindes oder Jugendlichen in ihren Haushalt verweigern beziehungsweise der Minderjährige selbst um eine Inobhutnahme bittet. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 8. Welche Art von Papieren muss der KJND akzeptieren und darf er keine Altersfeststellung mehr durchführen? a. Papiere über die Bestellung eines Vormunds vom Familiengericht? b. Papiere über eine Dublin-Familienzusammenführung? c. Ausweispapiere aus anderen EU Ländern? Glaubhafte amtliche Dokumente, die zum Nachweis der Identität einschließlich des Alters geeignet sind, haben im Verwaltungsverfahren Beweiskraft. Dokumente, die selbst nur auf Alterseinschätzungen zurückgreifen, können Zweifel grundsätzlich nicht ausräumen. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. und 7. 9. Wo und wann können Verwandte, Bekannte des/der Minderjährigen Angaben über ihr Wissen über das Alter der/des Minderjährigen einbringen ? Die Entscheidung über eine Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII ist ein Verwaltungsakt . Die für den Verwaltungsakt zuständige Behörde hat nach § 20 SGB X (Untersuchungsgrundsatz ) von Amts wegen den der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt zu ermitteln. Dabei hat sie die für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen und sich der erforderlichen Beweismittel zu bedienen (§ 21 SGB X). Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens können sich Verwandte mit Angaben über ihr Wissen über das Alter des Minderjährigen an den für die jugendamtlichen Aufgaben zuständigen Fachdienst Flüchtlinge im KJND wenden. 10. Wie wird sichergestellt, dass der KJND die rechtlichen Vorgaben einhält ? Der KJND unterliegt wie alle Behörden einer Dienst- und Fachaufsicht, das Handeln des KJND ist zudem in jedem Einzelfall verwaltungsrechtlich überprüfbar.