BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8116 21. Wahlperiode 03.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 24.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Kopftuch tragende Lehrerinnen in Hamburger Schulen In der seit Jahren geführten Islamdebatte gilt das Kopftuch als kontrovers. Dies liegt einerseits daran, dass die religiöse Pflicht für Frauen, ihr Haupt zu verhüllen, in allen islamischen Rechtsschulen als obligatorisch angesehen und deswegen von frommen Muslima auch in Deutschland praktiziert wird. Andererseits – so argumentieren Kritiker – symbolisiere das Kopftuch aber auch ein archaisches Frauenbild, das in einem starken Spannungsfeld zu seinem europäischen Gegenüber stehe, weil es nicht zum Grundsatz der in Europa geltenden Gleichberechtigung von Mann und Frau passe. Außerdem wird es als politisches Machtsymbol und als Indiz für Integrationsverweigerung gesehen. Nichtsdestoweniger wird das Tragen des Kopftuches durch Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert. Das Kopftuch erweist sich insbesondere dann als Problem, wenn es von staatlichen Funktionsträgern in staatlichen Einrichtungen wie Schulen getragen wird. Denn als laizistischer Staat ist die Bundesrepublik Deutschland gegenüber Religionsgemeinschaften zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet , mit der Folge, dass religiöse Symbole nicht von sich im Dienst befindlichen Beamten zur Schau gestellt werden dürfen. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 obliegt die Klärung der Frage, ob muslimische Lehrerinnen während des Unterrichts ein Kopftuch tragen dürfen, der Entscheidungskompetenz der Bundesländer. Am 27. Januar 2015 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidung von 2003 in einem Beschluss weiter präzisiert. Dazu heißt es: „Die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität ist nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung.“1 In Hinblick auf seine Beurteilung der Regelung aus § 57 Absatz 4 Satz 1 und 2 des nordrhein -westfälischen Schulgesetzes hat das Gericht zudem erklärt: „Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen ist mit der Verfassung nicht vereinbar.“2 Das jüngste Urteil des Landesgerichts Berlin, dem zufolge eine muslimische Bewerberin nicht pauschal von der Anstellung als Grundschullehrerin ausgeschlossen werden darf3, orientiert sich ebenfalls an der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts. 1 Confer Pressemitteilung Nummer 14/2015 vom 13. März 2015 zum Beschluss vom 27. Januar 2015 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10. 2 Confer ibidem. 3 „Kopftuch tragende Lehrerin muss entschädigt werden“, „ZEIT ONLINE“ vom 9. Februar 2017. Drucksache 21/8116 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die religiöse Orientierung von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften ist kein Merkmal, das die zuständige Behörde erhebt. Daher kann die zuständige Behörde Fragen, die sich auf die Anzahl muslimischer Lehrkräfte oder Schülerinnen und Schüler beziehen, nicht beantworten. Ebenso wird das Tragen eines Kopftuchs von der zuständigen Behörde statistisch nicht erfasst. Angehörige des öffentlichen Dienstes haben sich bei allen weltanschaulichen und religiösen Bekundungen im Zusammenhang ihres Dienstes zurückzuhalten. Dies gilt, wegen der Gefahr der Beeinflussung von Minderjährigen, umso mehr für Lehrkräfte. Religiös motivierte Kleidung kann im Zusammenhang mit weiteren Verhaltensweisen oder Äußerungen einer Bewerberin oder eines Bewerbers Anlass sein, ihre beziehungsweise seine Eignung für ein bestimmtes Amt besonders zu hinterfragen. Seit langer Zeit sieht die zuständige Behörde im Tragen eines Kopftuches allein keinen Grund, an der Eignung einer Frau für den Beruf der Lehrerin zu zweifeln. In Verbindung mit weiteren Gründen können dagegen berechtigte Zweifel an der Eignung vorliegen . Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Tragen einer Vollverschleierung (Burka) durch Lehrerinnen und Schülerinnen ist dagegen verboten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele der nachfolgend genannten Fälle sind dem Senat in Hamburg bekannt? a) Muslimische Lehrerinnen, die wegen des Tragens eines Kopftuches nicht in den Schuldienst eingestellt worden sind. b) Muslimische Lehrerinnen, die nachweislich ein Kopftuch am Arbeitsplatz tragen. c) Muslimische Lehrerinnen, die aufgrund einer mit dem Tragen des Kopftuches zusammenhängenden Nichteinstellung, Beurlaubung oder Entlassung gegen das Land Hamburg geklagt haben. Etwaige Einzelfälle bitte gesondert aufschlüsseln. Siehe Vorbemerkung. Es gibt keine Rechtsverfahren, die im Zusammenhang mit dem Tragen eines Kopftuches durch Lehrkräfte stehen. 2. Hat der Senat infolge des BGH-Beschlusses vom 27. Januar 2015 das Hamburger Schulgesetz geändert? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? Nein. Die zuständige Behörde achtet die positive wie negative Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler und hält das schulische Personal dazu an, in Fragen der Weltanschauung und des religiösen Bekenntnisses die erforderliche Zurückhaltung zu wahren. 3. Hat es bereits Fälle gegeben, in denen etwaige Änderungen des Schulgesetzes praktisch zur Anwendung gekommen sind? Falls ja, welche? Falls nein, warum nicht und ist dies womöglich geplant? Entfällt.