BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8118 21. Wahlperiode 03.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse und Dirk Nockemann (AfD) vom 24.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Islamische Gefängnisseelsorge und Maßnahmen gegen die Radikalisierung muslimischer Gefangener – Wie ist der Status quo? Seit November 2011 findet „islamische Gefängnisseelsorge“ in Hamburg auf der Grundlage des zwischen dem Senat und den muslimischen Gemeinschaften geschlossenen Staatsvertrags statt, wo in Artikel 7 die religiöse Betreuung in besonderen Einrichtungen festgeschrieben ist. Dort heißt es: „In öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Heimen, aber auch Justizvollzugsanstalten oder Polizeiausbildungsstätten gewährleistet die Freie und Hansestadt Hamburg den islamischen Religionsgemeinschaften das Recht zur religiösen Betreuung. Sie sind zu Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen , insbesondere zu den islamischen Festtagen, berechtigt. Soweit sich Einrichtungen nicht in staatlicher Trägerschaft befinden, wird die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Gewährleistung der religiösen Betreuung hinwirken.1 Der Zutritt zu einer Justiz- oder Polizeieinrichtung setzt das Einverständnis der zuständigen Behörde zur Person der Betreuerin oder des Betreuers voraus; das Einverständnis kann nur aus wichtigem Grund versagt oder widerrufen werden. Der Zutritt zu sonstigen öffentlichen Einrichtungen erfolgt im Benehmen mit dem Träger. Näheres soll durch Vereinbarung mit den öffentlichen, freien oder privaten Trägern der Einrichtungen unter Berücksichtigung des Absatzes 1 geregelt werden.“2 Im Dezember 2015 ist der Senat danach gefragt worden, wie die Situation von Salafisten und muslimischen Gefangenen in Hamburger Justizvollzugsanstalten aussehe.3 Dazu erklärte er, dass zum 1. Dezember 2015 zwei Salafisten in Haft säßen, während sich 21,9 Prozent der Inhaftierten zum muslimischen Glauben bekannten.4 Diesen Personen stünden insgesamt vier Imame zur Verfügung, die ehrenamtlich im Hamburger Justizvollzug als Seelsorger wirkten. Zu deren Tätigkeiten gehöre etwa die wöchentliche (JVA Fuhlsbüttel) beziehungsweise monatliche (JVA Billwerder) Veranstaltung eines islamischen Gottesdienstes. Überdies kämen die Imame zu besonderen Anlässen in einzelne Justizvollzugsanstalten, wie zum Beispiel anlässlich islamischer Feiertage, um diese gemeinsam mit den Inhaftierten zu begehen. Gefangene, die sich im offenen Vollzug befanden, hätten zudem die Mög- 1 Confer Staatsvertrag: Paragraf 7, Absatz 2. Seite 6. 2 Confer ibidem, Paragraf 7, Absatz 3. 3 Confer Drs. 21/2466. 4 Diese Angabe kann jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da Angaben zur religiösen Konfession nicht verbindlich sind, sondern lediglich auf Freiwilligkeit basieren. Confer ibidem, Seiten 2 – 3. Drucksache 21/8118 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lichkeit, seelsorgerische Angebote außerhalb des Vollzugs in Anspruch zu nehmen.5 Darüber hinaus erklärte der Senat, dass im Jugendvollzug ein Ausländerberater eine Gesprächsrunde für Arabisch sprechende Gefangene anbiete, in denen Themen des „aktuellen politischen Geschehens“ behandelt würden. Ein sogenannter Integrationscoach, bei dem es sich um eine Person arabischer Herkunft handele, führe zudem zweimal pro Woche ein Gesprächsangebot für Inhaftierte durch, die kein Deutsch, sondern nur Arabisch sprechen .6 Ferner sollte in Kooperation mit dem Rat der Islamischen Glaubensgemeinschaften e.V. (SCHURA) ein Projekt initiiert werden, dem zufolge ausgesuchte Imame, die für diese Aufgabe über die notwendigen Fachkenntnisse und persönlichen Voraussetzungen verfügen, offene Gesprächsrunden und bei Bedarf auch Einzelgespräche mit muslimischen Gefangenen anbieten sollen. Dabei sollten die eigene Biografie, interkulturelle Erfahrungen, die Vereinbarkeit traditioneller und „moderner“ Werte, Fragen der Orientierung in einer pluralistischen Gesellschaft sowie die Unterstützung bei der Entwicklung einer Zukunftsperspektive und die Vorbereitung auf die Entlassung behandelt werden . Das Angebot – so der Senat – gehe damit über die religiöse Betreuung von Muslimen hinaus und diene nicht als Seelsorge im engeren Sinne. Die Maßnahme sollte zunächst in der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel umgesetzt werden. Die Auswahl und Vorbereitung der Gesprächsleiter sei abgeschlossen, die Sicherheitsüberprüfungen bereits eingeleitet worden. Überdies werde geprüft, die Beratungsstelle „legato – systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ mit Präventions - und Deradikalisierungsmaßnahmen in die Arbeit der Vollzugsanstalten einzubinden. Die zuständige Behörde sei damit befasst, dafür ein umfassendes Konzept zu erarbeiten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Personen, die sich nach eigenen Angaben zum Islam bekennen , sitzen gegenwärtig in Hamburger Justizvollzugsanstalten in Haft? Bitte die einzelnen Standorte anhand ihrer jeweiligen prozentuellen Anteile nennen. 2. Wie hoch fiel der Gesamtanteil muslimischer Gefangener zum 1. Juli 2016 aus? 3. Welchen islamischen Glaubensrichtungen gehören diese jeweils an? Der zuständigen Behörde liegen hierzu keine verlässlichen Daten vor. Im Übrigen ist auch die negative Bekenntnisfreiheit, wonach sich niemand zur Zugehörigkeit zu einer Religion oder Religionsgemeinschaft äußern muss, durch Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert. 4. Wie viele Personen wirken derzeit in Hamburger Justizvollzugsanstalten als islamische Seelsorger? a) Wie viele von ihnen sind Imame? b) Welchen Moscheegemeinden beziehungsweise im Staatsvertrag genannten Glaubensgemeinschaften gehören diese Personen jeweils an? Bitte gesondert anhand der Einzelpersonen nennen und – falls möglich – auch die Staatsangehörigkeit angeben. 5 Confer ibidem. 6 Confer ibidem. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8118 3 c) Wie lange sind diese Personen im Einzelnen bereits als Seelsorger tätig? Bitte den Zeitpunkt, da eine entsprechende Tätigkeit erstmals aufgenommen wurde, sowie die Wirkungsorte anhand der Einzelpersonen nennen. 5. In welchen Justizvollzugsanstalten sind islamische Gefängnisseelsorger derzeit aktiv? Zwei islamische Seelsorger, die beide Imame sind, wirken derzeit in Hamburger Justizvollzugsanstalten . Einer ist in der JVA Billwerder und der Untersuchungshaftanstalt tätig. Der andere übt diese Tätigkeit in der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt aus. Ein Imam gehört zum Islamisch-albanischen Kulturzentrum Hamburg e.V., Kleiner Pulverteich 17-21, 20099 Hamburg. Er ist mazedonischer Staatsangehöriger. Der andere Imam gehört zur Assalam Moscheegemeinde, Böckmannstraße 51, 20099 Hamburg. Seine Staatsangehörigkeit konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfragt werden. Der islamische Seelsorger in der Untersuchungshaftanstalt ist dort seit zehn Jahren tätig. In der JVA Billwerder übt er diese Tätigkeit seit vier Jahren aus. Der in der Sozialtherapeutischen Anstalt tätige islamische Seelsorger übt diese Tätigkeit seit zwei Jahren aus. In der JVA Fuhlsbüttel ist er seit September 2017 tätig. Alle in einer Justizvollzugsanstalt tätigen externen Mitarbeiter durchlaufen eine Sicherheitsüberprüfung . Dies gilt auch für die dort tätigen islamischen Seelsorger. 6. Welche Angebote stehen muslimischen Gefangenen gegenwärtig im Jugendvollzug zur Verfügung? Sind die in Drs. 21/2466 genannten Angebote noch gültig? a) Wurden diese seit 1. Dezember 2015 ausgedehnt? Falls ja, inwiefern? b) Wurden diese mittlerweile eingestellt? Falls ja, warum? Veränderungen haben sich hinsichtlich der Angebote des Ausländerberaters und der arabisch sprechenden Honorarkraft ergeben. Der Ausländerberater bietet neben einer Gesprächsgruppe auch Einzelgespräche zu weltanschaulichen Themen an. Im Übrigen siehe Drs. 21/5039. Der Einsatz der Honorarkraft als „Integrationscoach“ wurde im März 2016 beendet, da das Angebot von den Gefangenen nicht mehr nachgefragt wurde. 7. Wie viele Gefangene muslimischen Glaubens befinden sich gegenwärtig im Jugendvollzug? Auf welche ethnischen Gruppen verteilen sich diese Personen im Wesentlichen? Siehe Antwort zu 1. bis 3. 8. Wie ist der aktuelle Stand der in Kooperation mit der SCHURA geplanten Ausweitung von islamischer Gefängnisseelsorge und -Betreuung durch Imame des Dachverbandes? Eine Ausweitung der islamischen Gefängnisseelsorge ist derzeit nicht geplant. a) Welche Maßnahmen sind in den JVAs Billwerder und Fuhlsbüttel mittlerweile auf den Weg gebracht worden? In der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel werden Gesprächsgruppen für muslimische Gefangene angeboten, die der Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Integration der Gefangenen dienen sollen. Es handelt sich dabei nicht um eine Maßnahme der islamischen Gefängnisseelsorge, sondern um Gesprächsangebote, die helfen sollen, einer islamistischen Radikalisierung vorzubeugen. Im Übrigen siehe Drs. 21/5039 und 21/8105. b) Wie viele Imame sind dabei involviert? Drucksache 21/8118 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c) Welche Aufgaben gehören zu deren Tätigkeiten? Ein Imam, dem die Leitung der Gesprächsgruppe in der JVA Billwerder obliegt. d) Wie viele Gefangene haben deren Angebote bislang in Anspruch genommen? Die Anzahl der Gefangenen, die an den Gesprächsgruppen für muslimische Gefangene in der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel teilnehmen, wird statistisch nicht erfasst. Die JVA Billwerder und die JVA Fuhlsbüttel haben am 22. Februar 2018 insgesamt 983 Gefangene untergebracht. Für eine nachträgliche Erhebung wäre die Auswertung der Gefangenenpersonalakten dieser Gefangenen und der seit März 2016 aus der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel entlassenen beziehungsweise verlegten Gefangenen erforderlich. Das ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. e) Wie viele Gefangene nehmen diese derzeit in Anspruch? f) Ist eine Ausweitung auf andere Justizvollzugsanstalten geplant? Falls ja, auf welche? In der JVA Fuhlsbüttel nehmen derzeit sechs und in der JVA Billwerder 17 Gefangene dieses Angebot in Anspruch. Eine Ausweitung des Angebotes ist derzeit nicht geplant. g) Auf welche Weise wird der Senat über die Ergebnisse dieser Maßnahmen informiert? Erfolgt hier ein regelmäßiger Austausch? Die zuständige Behörde berichtet im Rahmen des Beratungsnetzwerkes Prävention und Deradikalisierung über den Verlauf der Maßnahmen. Im Übrigen siehe Drs. 21/5039. h) Seit dem 1. Januar 2015 läuft in Hamburg ein umfangreiches Aktionsprogramm gegen religiösen Extremismus/Fanatismus, das neben einer Komplementärfinanzierung des von der BASFI gesteuerten Bundesprogrammes „Demokratie leben“ auch durch Projektmittel für die Umsetzung des „Konzepts zur Vorbeugung und Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus und antimuslimischer Diskriminierung“ getragen wird. Ist vorgesehen, dass die dabei für den Zeitraum von 2017 bis 2020 bewilligten Gelder in Höhe von 320.000 Euro bereitgestellt werden? Falls ja, wie sieht die Finanzierung im Einzelnen aus? 9. Ist die geplante Einbindung von „legato – systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ in die Arbeit mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen mittlerweile umgesetzt worden? a) Falls ja, was ist seit dem 1. Dezember 2015 konkret geschehen? Bitte sowohl Maßnahmen als auch die betroffenen Standorte nennen . b) Falls nein, warum nicht? 10. Sind weitere Maßnahmen sind für die Zukunft geplant? Siehe Drs. 21/8105. 11. Wie beurteilt der Senat die Ergebnisse, die bislang auf islamische Gefängnisseelsorge zurückzuführen sind? Die religiöse Betreuung beziehungsweise Seelsorge der muslimischen Gefangenen durch die in den Vollzugsanstalten tätigen Imame wird von der zuständigen Behörde positiv bewertet. Die organisatorische Durchführung und die Zusammenarbeit mit den Imamen verlaufen problemlos.