BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8119 21. Wahlperiode 03.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse und Dirk Nockemann (AfD) vom 24.02.17 und Antwort des Senats Betr.: 16 Staatsschutzverfahren in Hamburg: Wie viele richten sich gegen Islamisten? Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass gegen drei mutmaßliche Islamisten, die am 13. September 2016 in Norddeutschland festgenommen worden waren, Anklage vor dem Hamburger Staatsschutzsenat erhoben wurde. Bei den Beschuldigten handelt es sich um drei Syrer zwischen 18 und 26 Jahren. Die Männer agierten offenbar auf Befehl des Islamischen Staates und hatten den Auftrag, als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland zu reisen, um hier Anschläge zu begehen. Darüber hinaus könnte schon bald auch gegen den 31-jährigen Syrer Akram A. vor dem Staatsschutzsenat prozessiert werden, der am 7. Februar 2017 in Mecklenburg-Vorpommern festgenommen worden war. Ihm wird vorgeworfen, in Syrien einen Grenzposten für den Islamischen Staat geleitet und dabei eine Landsfrau vergewaltigt zu haben, die er zuvor unter dem Vorwand, ihr Ausreisepapiere zu beschaffen, in ein Haus gelockt hatte. Die Berichterstattung des „Hamburger Abendblattes“ ist jedoch nicht nur aufgrund der oben genannten Zusammenhänge interessant. So wurde darauf hingewiesen, dass gegenwärtig noch 16 weitere Staatsschutzverfahren bei der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft anhängig seien, von denen sich der überwiegende Teil gegen IS-Angehörige richte.1 Aufgrund der Tatsache, dass es in Hamburg während der vergangenen Jahre zu einer akuten Zunahme von Staatsschutzverfahren gegen Islamisten gekommen sei, habe man sogar die Schaffung eines zweiten Senats angekündigt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Auf die gestiegene Zahl von erstinstanzlichen Staatsschutzverfahren in Hamburg hat der Senat reagiert. Mit der Drs. 21/5600 sind hierfür zusätzliche Personalmittel für fünf VZÄ für Richter und ein VZÄ für den Servicebereich beantragt worden. Durch den Beschluss der Bürgerschaft am 15. Dezember 2016 über den Doppelhaushalt 2017/ 2018 ist dadurch die Grundlage für einen weiteren Strafsenat beim Hanseatischen Oberlandesgericht geschaffen worden. Das Hanseatische Oberlandesgericht ist neben Hamburg auch für die Länder Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig -Holstein zuständig, wobei die Strafverfahren von der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg geführt werden. 1 Confer „IS-Terrorzelle kommt vor ein Hamburger Gericht.“ „Hamburger Abendblatt“ vom 9. Februar 2017. Drucksache 21/8119 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Darüber hinaus wurde eine weitere Verbesserung der Personalsituation bei den Staatsanwaltschaften im Rahmen von Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus geschaffen (Drs. 21/5039 Salafismusprävention). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele der 16 Staatsschutzverfahren, die derzeit bei der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft anhängig sind, richten sich gegen Personen, die mit dem Islamischen Staat oder anderen islamistischen Organisationen in Verbindung gebracht werden, die als Terrorvereinigungen gelten? Die zugrunde liegenden Sachverhalte bitte gesondert nennen und angeben , seit wann die jeweiligen Verfahren anhängig sind. a) Gegen wie viele Personen wird dabei im Einzelnen ermittelt? Bitte jeweils Geschlecht, Alter, Herkunft, Einreisezeitunkt nach Deutschland , Unterbringung und Aufenthaltsstatus nennen. b) Wie viele dieser Personen waren vor Beginn der Ermittlungsverfahren durch die Hamburger Generalsstaatsanwaltschaft strafrechtlich in Erscheinung getreten? Bitte die jeweiligen Sachverhalte, durch die Polizei erfolgte Maßnahmen sowie etwaige Strafen/Verurteilungen gesondert aufführen. c) Wie viele dieser Personen haben nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Recht Gebrauch gemacht, 30 Tage im Jahr ortabwesend zu sein? Bitte die einzelnen Fälle gesondert darstellen. Von den aktuell bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg anhängigen 19 Ermittlungsverfahren in Staatsschutzsachen richten sich 14 Verfahren gegen insgesamt 17 Beschuldigte, die verdächtig sind, Mitglieder oder Unterstützer des sogenannten Islamistischen Staates beziehungsweise anderer islamistischer Terrororganisationen zu sein. Davon sind nach vorliegenden Erkenntnissen neun Beschuldigte bereits anderweitig im Bundesgebiet strafrechtlich in Erscheinung getreten. Nähere Auskünfte können derzeit nicht erteilt werden, weil ansonsten der Untersuchungszweck gefährdet wäre. Eine geltende Regelung einer 30-Tages-Frist der Ortsabwesenheit ist den zuständigen Behörden nicht bekannt. Im Übrigen werden Aus- und Wiedereinreisen nach Deutschland beziehungsweise in den Schengenraum nicht systematisch erfasst. 2. Inwieweit wird sich eine Verurteilung der Tatverdächtigen auf deren Aufenthaltsstatus auswirken? Ist im Falle einer Verurteilung beziehungsweise nach Verbüßung einer Haftstrafe mit einer Abschiebung zu rechnen? Falls nein, warum nicht? Die Auswirkungen einer Verurteilung auf den Aufenthaltsstatus sowie eine mögliche Abschiebung eines Ausländers richten sich nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), insbesondere den §§ 50, 51, 53, 54, 55 und 58 AufenthG. 3. Wie viele der Tatverdächtigen wurden vor ihrer Festnahme dauerhaft durch den Verfassungsschutz observiert? Wie lange hat diese Überwachung im Einzelnen angedauert und welche Maßnahmen hat sie umfasst? Sofern möglich, bitte anhand der Einzelpersonen aufschlüsseln . Sofern dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg Erkenntnisse zu Einzelpersonen vorliegen, ergibt die nach § 18 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG) vorgenommene Abwägung, dass hier die Bekanntgabe der nachrichtendienstlich erhobenen Erkenntnisse dem Interesse des Betroffenen sowie denen des Amtes entgegensteht. Der durch das Grundgesetz gewährte Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen steht der Beantwortung der Fragen ebenso entgegen wie die Tatsache, dass Angaben im Sinne der Fragestellung Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zuließen und eine künftige Beobachtung dadurch unverhältnismäßig erschwert Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8119 3 würde. Detaillierte Angaben können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 HmbVerfSchG für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden. 4. Sind derzeit weitere Staatsschutzverfahren gegen Islamisten geplant? In Staatsschutzsachen, die zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gehören, obliegt die Einleitungsentscheidung nicht der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg, sondern dem Generalbundesanwalt (vergleiche §§ 120 Absatz 1 und 2, 142a des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)). Die Einleitung von Ermittlungen ist gesetzlich immer dann geboten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten bestehen (vergleiche § 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO)). 5. Gibt es Hinweise darauf, dass die Beschuldigten der Staatsschutzverfahren Beziehungen zur Hamburger Salafisten-Szene unterhalten haben? In den laufenden Staatsschutzverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg gibt es zum Teil Hinweise darauf, dass Beschuldigte Beziehungen zur hiesigen Salafisten- Szene unterhalten haben.