BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/812 21. Wahlperiode 23.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 17.06.15 und Antwort des Senats Betr.: Fahrerlaubnis ohne Ausweisdokumente in Hamburg möglich? Menschen kommen aus unterschiedlichen Gründen ohne Identitätsnachweise nach Hamburg. Für Geflüchtete ist es häufig unmöglich, Dokumente aus den Herkunftsländern zu bekommen, die ihre Identität zweifelsfrei nachweisen . Wenn diese nicht vorliegen, steht in den Dokumenten der deutschen Behörden meist, dass die Identitätsfeststellung „auf eigenen Angaben“ beruhe . Für den Antrag auf Erwerb einer Fahrerlaubnis muss aber spätestens in der Führerscheinprüfung die Identität geprüft werden. Dies hat zur Folge, dass der Erwerb einer Fahrerlaubnis für viele Menschen in Hamburg unmöglich ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bereits mit dem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist die Identität der/des Fahrerlaubnis -Bewerberin/Bewerbers der Fahrerlaubnisbehörde in Hamburg, dem Landesbetrieb Verkehr (LBV), nachzuweisen. Zudem hat sich nach § 16 Absatz 3 Satz 3 FeV und § 17 Absatz 5 Satz 2 FeV der Sachverständige oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr der Technischen Prüfstelle der TÜV Hanse GmbH, die in Hamburg die theoretische und praktische Fahrerlaubnisprüfung durchführt, vor der jeweiligen Prüfung von der Identität der Bewerberin/des Bewerbers zu überzeugen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Identitätsnachweise sind in Hamburg für den Erwerb einer Fahrerlaubnis erforderlich? Auf welcher rechtlichen Grundlage? Falls Landesverordnung oder Weisung, bitte anhängen. Aufgrund von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Verbindung mit § 21 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 und Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Fahrerlaubnis -Verordnung (FeV) sind die Identität und das Alter der Bewerberin/des Bewerbers als Voraussetzung für die Erteilung der Fahrerlaubnis dem LBV nachzuweisen. Mit dem Antrag ist dem LBV ein gültiger amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt vorzulegen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Welche Nachweise im Rahmen der Identitätsprüfung bei der Beantragung einer Fahrerlaubnis und Abnahme der theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung in Hamburg grundsätzlich erforderlich sind, ergibt sich aus der im Transparenzportal einsehbaren und an den LBV und die TÜV Hanse GmbH adressierten Verfahrensanweisung der zuständigen Behörde vom 14. August 2012. Außerdem kann der LBV Reiseausweise nach Artikel 28 der Genfer Flüchtlingskonvention als geeigneten Nachweis im Sinne von § 21 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 FeV anerkennen, selbst wenn in ihnen vermerkt ist, dass die Personalangaben lediglich auf den Angaben des Inhabers beruhen. Darüber hinaus hat der LBV im konkreten Einzelfall Ausweisdoku- Drucksache 21/812 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 mente, die Ort und Tag der Geburt der Bewerberin/des Bewerbers nachweisen könnten , zu prüfen. 2. Welchen Zweck verfolgt der Nachweis der Identität beim Erwerb einer Fahrerlaubnis? Die Identität der Bewerberin/des Bewerbers muss eindeutig geklärt sein, damit der LBV in der Lage ist, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis entscheidungserheblichen Informationen zutreffend und vollständig zu ermitteln, da - jede Person nur Inhaber einer einzigen Fahrerlaubnis sein darf, - jede Person nur mit einer und zudem der richtigen Identität in den Fahrerlaubnis- registern und gegebenenfalls im Fahreignungsregister verzeichnet sein darf und - dem Führerschein vielfach auch Ausweisfunktion zukommt. Das Alter der Bewerberin/des Bewerbers muss eindeutig geklärt sein, da vor der Fahrerlaubnis-Erteilung feststehen muss, dass das erforderliche Mindestalter für die beantragte Fahrerlaubnis-Klasse erreicht ist. Die Identifizierung vor der Durchführung der jeweiligen Fahrerlaubnisprüfung soll klären, ob die Person zur Prüfung erscheint, die den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis gestellt hat. 3. Welche Flüchtlinge mit welchem Status haben in Hamburg besondere Schwierigkeiten beim Erwerb einer Fahrerlaubnis? Das Verfahren bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis und der Fahrerlaubnisprüfung stellt nicht auf den aufenthaltsrechtlichen Status einer Bewerberin/eines Bewerbers ab, daher liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. 4. Werden für Flüchtlinge ohne Ausweispapiere andere Dokumente zum Identitätsnachweis ausgestellt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche und in welchen Fällen? Asylbewerbern wird gemäß § 63 Asylverfahrensgesetz eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ausgestellt. Über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) wird gemäß § 60a Absatz 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eine Bescheinigung ausgestellt. Darüber hinaus werden gegebenenfalls gemäß § 48 Absatz 2 AufenthG ein Ausweisersatz oder unter den Voraussetzungen des § 5 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) die in § 4 AufenthV genannten Passersatzpapiere ausgestellt. 5. Wie wird verfahren, wenn sich vorhandene Ausweisdokumente in amtlicher Verwahrung befinden, der/die Betroffene aber ihre/seine Identität an anderer Stelle nachweisen muss? Werden Ausweisdokumente für die Dauer des Verfahrens von der Ausländerbehörde einbehalten, erhalten die Personen hierüber eine Abnahmebescheinigung. Zusätzlich erhalten sie eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder Duldung als Ausweisersatz. 6. Wie viele Menschen leben in Hamburg mit Dokumenten/Papieren, in denen steht, dass ihre Identitätsfeststellung auf eigenen Angaben beruhe ? Nach einer Datenbankauswertung des ausländerbehördlichen Fachverfahrens zum Stand 18. Juni 2015 bestand bei insgesamt 5.967 Personen der Hinweis, dass die Personalien auf eigenen Angaben beruhen, davon bei - 381 Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, - 3.479 Personen mit Aufenthaltsgestattung und - 2.107 Personen mit einer Duldung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/812 3 7. Wie viele Anträge auf Erwerb einer Fahrerlaubnis wurden in den vergangenen 24 Monaten aus den oben genannten Gründen abgelehnt? Im Sinne der Fragestellung liegen der zuständigen Behörde keine Daten vor. 8. Inwiefern plant der Senat Änderungen zur Abhilfe? Der Senat plant keine Änderungen im Verfahren bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis und der Fahrerlaubnisprüfung. 9. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel urteilte am 09.06.2015, dass eine von der Ausländerbehörde nach dem Asylverfahrensgesetz ausgestellte Aufenthaltsgestattung ein für die Beantragung einer Fahrerlaubnis ausreichender amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt des Fahrerlaubnisbewerbers sei. Inwiefern hat dieses Urteil einen Einfluss auf die hamburgische Praxis? Über den vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof am 9. Juni 2015 (Aktenzeichen 2 A 732/14) konkret entschiedenen Einzelfall eines abgelehnten Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis durch eine hessische Fahrerlaubnisbehörde liegt der zuständigen Behörde bisher nur eine Pressemitteilung und keine schriftliche Urteilsbegründung vor. Zudem ist offen, ob das Urteil rechtskräftig wird, da wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision gegen das Urteil, über die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden hätte, zulässig sein soll. Außerdem gibt es noch kein der zuständigen Behörde bekanntes und für sie maßgebliches Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zu dieser Thematik. Abgesehen davon wird in Hamburg – wie der im Transparenzportal einsehbaren Verfahrensanweisung zu entnehmen ist – eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (mit Lichtbild und Angaben zur Person) für Asylbewerber nach § 63 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz als eine dem amtlichen Nachweis über Ort und Tag der Geburt nach § 21 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 FeV vergleichbare Unterlage grundsätzlich anerkannt. Schließlich prüft der LBV im konkreten Einzelfall – wie bereits zu 1. ausgeführt – Ausweisdokumente, die Ort und Tag der Geburt einer Bewerberin/eines Bewerbers um eine Fahrerlaubnis nachweisen könnten.