BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8121 21. Wahlperiode 03.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 24.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Facharbeiter- und Akademikeranteil in der Gruppe der Hamburger Migranten Den offiziellen Zahlen des Senats zufolge, sind zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 1. Januar 2017 insgesamt 31.803 „Schutzsuchende“ Hamburg zugewiesen worden.1 Dieser Zahl sind allerdings noch weitere 489 Personen hinzuzurechnen, die im Januar 2017 als „Schutzsuchende“ ihren Wohnsitz in der Hansestadt genommen haben.2 Somit darf man vermuten, dass die Gesamtzahl der in Hamburg als „Schutzsuchende“ lebenden Personen zum 1. Februar 2017 bei 32.292 lag.3 Nach eigener Aussage rechnet der Senat für 2017 gegenwärtig mit einer monatlichen Aufnahme von durchschnittlich 400 Personen.4 Seit dem Beginn der Massenmigration nach Deutschland hat der Senat zahlreiche Projekte ins Leben gerufen, um die Integration der Einwanderer sicherzustellen. Die Bandbreite des hierzu entwickelten Angebots umfasst in erster Linie Sprach- und Integrationskurse. Dazu gehört etwa das von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration betriebene Programm „Deutschkurse für Flüchtlinge“; aber auch Volkshochschulen und Ehrenamtliche beteiligen sich an der Bereitstellung von Lehr- und Bildungsangebote für Migranten. Obwohl der Erwerb der deutschen Sprache eine unverzichtbare Voraussetzung für ein zukünftiges Leben in Deutschland darstellt, kann die Integration von Menschen aus den Kulturkontexten der Einwanderergruppen mittel- bis langfristig nur über eine Einbindung in den Arbeitsmarkt erfolgen. Dazu schreibt das Bundesministerium des Inneren: „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels ist es wichtig, Deutschland langfristig als „Lebensstandort“ für Menschen mit Migrationshintergrund attraktiv zu gestalten (…) Die Integration von Zuwanderern soll Chancengleichheit und die tatsächliche Teilhabe in allen Bereichen ermöglichen, insbesondere am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben.“5 Diese Definition von Integration geht auch mit den Dar- 1 Davon entfallen 22.315 Personen auf das Jahr 2015 sowie 9.448 auf 2016. Confer Daten zur Zuwanderung. Abrufbar unter: http://www.hamburg.de/fluechtlinge-daten-fakten/#anker_2 2 Confer Drs. 21/7828. Seite 1. 3 Darüber hinaus befinden sich gegenwärtig noch etwa 6.308 sogenannte Überresidente in Hamburg. Dabei handelt es sich um Personen, die bereits anderen Bundesländern zugewiesen , zur weiteren Wohnsitznahme bislang jedoch noch nicht dorthin verbracht worden sind. Confer Prognose und Planung 2017. Erstaufnahmen und Folgeunterkünfte. Herausgegeben vom Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge. 27.01.2017. Seite 2. 4 Confer ibidem. 5 Migration und Integration. Stellungnahme des Bundesministeriums des Inneren. Abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Integration/ integration_node.html Drucksache 21/8121 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 stellungen konform, die der Senat am 26. Februar 2013 in seinem „Integrationskonzept Hamburg“ festgeschrieben hat. Dort heißt es: „Ausbildung und Arbeitsmarkt sind zentrale integrationspolitische Bereiche (…) Jeder Mensch sollte entsprechend seiner Möglichkeiten die Chance haben, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Menschen mit Migrationshintergrund – und hier insbesondere Frauen – haben seltener eine Arbeit als Menschen ohne Migrationshintergrund . Helfen können hier die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, die Möglichkeit, Bildungsabschlüsse nachzuholen sowie gezielte Maßnahmen von Jobcenter team.arbeit.hamburg und der Agentur für Arbeit.“6 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter), der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur), der Universität Hamburg (UHH), der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), der HafenCity Universität Hamburg (HCU), der Hochschule für bildende Künste (HFBK), der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) und der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) wie folgt: 1. Wie viele der im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31.01.2017 der Hamburg zugewiesenen „Schutzsuchenden“ konnten die folgende berufliche Qualifikation nachweisen (die jeweiligen Unterpunkte jeweils nach Art der Qualifikation aufschlüsseln): a) Hochschulabschluss; b) Begonnenes Hochschulstudium; c) Einen der allgemeinen Hochschulreife entsprechenden Schulabschluss ; d) Abgeschlossene, nicht akademische Berufsausbildung. Vonseiten des Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit erfolgt keine Auswertung im Sinne der Fragestellung. Für den Rechtskreis SGB II und SGB III wird auf die monatliche öffentlich zugängliche statistische Auswertung zu „Personen im Kontext von Fluchtmigration“, aktuell Stand Januar 2017, verwiesen: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201701/fluchtmigration/fluchtkon text/fluchtkontext-dlkaajc-0-201701-xlsm.xlsm. 2. Wie konnten die etwaigen Bildungsabschlüsse beziehungsweise Berufsausbildungen nachgewiesen werden? Welche Belege werden außer den klassischen Nachweisen wie Urkunden, Zeugnissen et cetera in Hamburg akzeptiert? Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz des Bundes sowie das Hamburgische Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz regeln für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in den §§ 5 und 12, welche Unterlagen für die Anerkennung bei nicht reglementierten und reglementierten Berufen vorzulegen sind. Beide Gesetze sehen zudem im jeweiligen § 14 „Sonstige Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit bei fehlenden Nachweisen“ vor. Außerdem gibt es bei einigen reglementierten Berufen im jeweiligen Berufsfachrecht abweichende Regelungen. Insbesondere die Anwendung der sonstigen Verfahren ist dort ausgeschlossen. Im Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen kann unter https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/ für die jeweiligen konkreten Berufsqualifikationen nachgelesen werden, welche Unterlagen im Detail erforderlich sind. Für die Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse finden die Berufsqualifikationsfeststellungsgesetze keine Anwendung. Stattdessen greift das „Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen 6 Hamburger Integrationskonzept. Teilhabe, interkulturelle Öffnung und Zusammenhalt. Seite 9. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8121 3 Region“ (sogenannte Lissabon-Konvention) vom 11.04.1997, in Kraft getreten am 01.10.2007. Auf dessen Grundlage stellt die „Zentralstelle für das ausländische Bildungswesen “ auf Antrag eine Zeugnisbewertung für ausländische Hochschulqualifikationen aus. Eine Zeugnisbewertung kann bei fehlenden Nachweisen nicht ausgestellt werden. Die Art und der Umfang der einzureichenden Dokumente variiert je nach Ausstellungstaat eines Abschlusses. Die jeweiligen Anforderungen an die Dokumente sind unter https://www.kmk.org/service/anerkennung-auslaendischer-abschluesse/ zeugnisbewertung-fuer-auslaendische-hochschulqualifikationen/einzureichendedokumente .html einsehbar. Im Rahmen der Anerkennungsberatung durch die „Zentrale Anlaufstelle Anerkennung“ (ZAA) wird mit den jeweiligen Menschen mit ausländischen Abschlüssen besprochen, welche Unterlagen im individuellen Einzelfall notwendig sind und ob auf dieser Grundlage eine Antragstellung möglich ist. 3. Wie viele Personen konnten mittlerweile in ihren Studien- beziehungsweise Ausbildungsberufen einsteigen? Bitte in Hinblick auf die einzelnen Qualifikationen aufschlüsseln. a) In wie vielen Fällen musste dafür zuvor der Nachweis von Deutschkenntnissen erbracht werden? b) Wo wurden die Deutschkenntnisse zuvor erworben? c) In wie vielen Fällen waren Deutschkenntnisse nicht erforderlich? Siehe https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistische-Analysen/ Statistische-Sonderberichte/Generische-Publikationen/Migrations-Monitor- Beschaeftigung-Struktur-und-Veraenderungen.zip. 4. Wie viele Personen konnten mittlerweile ein Studium an einer Hamburger Hochschule beziehungsweise Fachhochschule aufnehmen? Bitte einzeln in Hinblick auf den Standort und das Studienfach aufschlüsseln. a) Wie viele Personen haben ihr Studium bislang von sich aus abgebrochen ? Bitte einzeln in Hinblick auf den Standort und das Studienfach aufschlüsseln. b) Wie viele Personen erhalten für ihr Studium staatliche Unterstützung ? Bitte Umfang und Dauer der bewilligten Maßnahmen nennen. 5. Wie viele Personen konnten aufgrund der von ihnen beigebrachten Leistungsnachweise ein Studium in Hamburg aufnehmen, das sie später aufgrund von mangelnder Qualifikation jedoch wieder abbrechen mussten ? Bitte einzeln in Hinblick auf den Standort und das Studienfach aufschlüsseln . Bei der Einschreibung und Zulassung an den Hochschulen wird der Status „Schutzsuchender “ nicht erhoben. Auch gemäß Hochschulstatistikgesetz sind diese Daten nicht zur Erfassung vorgesehen. Daher sind Angaben im Sinne der Fragestellung nicht möglich. Der UHH sind acht Studierende mit Fluchthintergrund an der UHH bekannt, die im Januar 2017 ein „Deutschlandstipendium“ erhielten, das je zur Hälfte aus staatlichen und privaten Mitteln finanziert wird. Die UHH kann zudem diejenigen Personen erfassen , die vor der Immatrikulation am Orientierungssemester für studieninteressierte Geflüchtete an der UHH (Programm #UHHhilft) teilgenommen haben. Es handelt sich um insgesamt 25 Personen, die aktuell alle als Studierende an der UHH eingeschrieben sind. Ein Studienabbruch wird der Hochschule in der Regel dadurch bekannt, dass eine Exmatrikulation der Betroffenen erfolgt. Da der Status „Schutzsuchender“ bei der Einschreibung nicht erfasst wird, können auch keine Angaben zu Studienabbrecherzahlen mit diesem Status gemacht werden. Auch können die Hochschulen keine Auskunft darüber geben, ob die exmatrikulierte Person ihr Studium aufgrund von „mangelnder Qualifikation“ abgebrochen hat. Sofern bei einem „Schutzsuchenden“ offiziell eine Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland festgestellt wurde, kann eine Bewer- Drucksache 21/8121 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 bung an einer Hochschule und – sofern diese erfolgreich ist – auch eine Studienaufnahme erfolgen. Formal bestand damit die Qualifikation zur Studienaufnahme. Der Status „Schutzsuchender“ ist auch kein Abfrage- oder Erfassungskriterium bei der finanziellen Förderung von Studierenden nach dem BAföG oder Stipendien aus Landesmitteln . Insoweit liegen den Hochschulen keine Angaben im Sinne der Fragestellung vor. Ob „Schutzsuchende“ staatliche Förderung in Form von Sachleistungen für ihr Studium erhalten, ist der BWFG und den Hochschulen nicht bekannt. Der BWFG und den Hochschulen liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, ob es Studierende an den Hochschulen gibt, die dem nachgefragten Personenkreis entsprechen und während des Studiums an Deutschkursen teilnehmen oder anderweitige staatliche Unterstützung erhalten. 6. Wie viele der in Hamburg lebenden Schutzsuchenden gelten als Analphabeten ? Zur Anzahl der Personen, die vom Flüchtlingszentrum im Jahr 2016 eine Zulassung zur Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs des Programms „Deutschkurse für Flüchtlinge“ erhalten haben, siehe Drs. 21/7829. Darüber hinaus liegen den zuständigen Behörden keine statistisch auswertbaren Daten vor.