BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8124 21. Wahlperiode 03.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 24.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebungen nach Afghanistan (VII) Trotz der katastrophalen Sicherheitslage wurden am Abend des 22.02.2017 erneut Geflüchtete mit einer Chartermaschine von München nach Afghanistan abgeschoben. Unter den 18 Abgeschobenen sollen auch zwei Männer aus Hamburg gewesen sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Personen hatte die zuständige Behörde für die Sammelabschiebung am 22.02.2017 insgesamt vorgesehen? Ursprünglich waren elf Personen für diese Maßnahme vorgesehen. In wie vielen Fällen wurde die Abschiebung verhindert a) aufgrund einer Eingabe, b) aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, Jeweils in einem Fall. c) aus anderen Gründen? Bitte einzeln darstellen. Vier Personen konnten nicht angetroffen werden. Eine Person sprach am Tag der Maßnahme entgegen der Meldeauflage verspätet vor. Eine Person befand sich zum Zeitpunkt der Maßnahme noch in einem laufenden Strafverfahren, weshalb kein Beschluss gemäß § 456a Strafprozessordnung erlangt werden konnte. Eine Person hat sich kurzfristig in medizinische Behandlung begeben. 2. Nach welchen Kriterien hat die Ausländerbehörde die Personen ausgewählt , die abgeschoben werden sollten beziehungsweise abgeschoben wurden? Bitte detailliert darstellen. Siehe Drs. 21/6310. 3. Bitte machen Sie zu den zwei abgeschobenen Männern die folgenden Angaben, aufgeschlüsselt nach Personen: a) Alter. Die Personen waren 19 und 22 Jahre alt. b) Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Abschiebung. Beide Personen hielten sich seit vier Jahren in Deutschland auf. c) Zeiträume, für die der Person ein Aufenthaltstitel erteilt war, und einschlägige Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes. Drucksache 21/8124 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Keine Person war im Besitz eines Aufenthaltstitels. d) Datum eines etwaigen Asylantrages und Daten etwaiger Folgeanträge . Die Personen stellten am 22. März 2012 und 14. Februar 2013 einen Asylantrag. e) War im Zeitpunkt der Abschiebung über einen Folgeantrag noch nicht bestandskräftig beziehungsweise rechtskräftig entschieden? Der zuständigen Behörde ist kein Folgeantrag bekannt. f) rechtskräftige Verurteilungen der jeweiligen Person zu Straftaten (mit Angabe der einschlägigen Strafvorschrift, der Art der Strafe, des Tatzeitpunktes und des Strafmaßes). Soweit ein Auszug aus dem Bundeszentralregister vorliegt, sieht der Senat im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregisters davon ab, Auskünfte über etwaige Verurteilungen zu erteilen, da diese nicht Gegenstand eines Führungszeugnisses wären. g) Wurde aus der Strafhaft heraus abgeschoben? Nein. h) Wurde zur Sicherung der Abschiebung Sicherungshaft/Abschiebungshaft beziehungsweise Ausreisegewahrsam angeordnet? Ja, in einem Fall wurde Abschiebungshaft angeordnet. i) Wurde ein etwaiger Antrag auf richterliche Anordnung von Sicherungshaft beziehungsweise Ausreisegewahrsam vor Festnahme der Person gestellt? j) Waren der Ausländerbehörde im Zeitpunkt der Abschiebung aktuelle Erkrankungen bekannt? Bitte auch Erkrankungen angeben, die nicht zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt haben. Nein. k) Gehörte die Person einer ethnischen oder religiösen Minderheit an, die in Afghanistan bedroht, geächtet, diskriminiert beziehungsweise verfolgt wird? Bitte detailliert darstellen nach religiösen und ethnischen Minderheiten beziehungsweise Minderheiten sexueller Orientierung . Eine Person gab an, dem Volk der Hazara anzugehören. l) Wie viele der tatsächlich abgeschobenen beziehungsweise zur Abschiebung vorgesehenen, aber nicht abgeschobenen Personen sind Mitglied einer Familie, die aus mehreren Schutzsuchenden besteht? Von den beiden abgeschobenen Personen sind der zuständigen Behörde keine Familienmitglieder in Deutschland bekannt. Von den nicht abgeschobenen Personen liegen in drei Fällen Erkenntnisse vor, dass sich Familienmitglieder in Deutschland aufhalten. Da es sich in allen Fällen um erwachsene Personen handelt, werden Familienangehörige nicht in jedem Fall erfasst beziehungsweise angegeben. Ob es sich bei den Familienangehörigen darüber hinaus um Schutzsuchende handelt, wird ebenfalls nicht erfasst. m) Findet die Person in Afghanistan ein familiäres Unterstützungsnetz vor oder ist sie auf sich allein gestellt? Da es sich um volljährige Personen handelt, sind diese Informationen der zuständigen Behörde nicht bekannt. 4. Bitte machen Sie zu dem Personenkreis der für diesen Flug ursprünglich vorgesehenen, aber dann nicht abgeschobenen Personen die Angaben wie in 2. a) bis l), aufgeschlüsselt nach Personen (wenn in Einzelfällen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8124 3 aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Angaben gemacht werden können, bitte möglichst anonymisiert (in groben Zügen) oder in Personenzahlen darstellen). Entsprechend 3.a) Die Personen waren 21, 22 (zwei Personen), 23, 29, 32 (zwei Personen) und 35 (zwei Personen) Jahre alt. Entsprechend 3.b) Die Personen hielten sich seit zwei, vier, fünf, sechs (drei Personen), 21, 22 und 25 Jahren in Deutschland auf. Entsprechend 3.c) Vier Personen waren zuvor im Besitz eines Aufenthaltstitels: - Person 1: Aufenthaltsbefugnis vom 10. Mai 1997 bis 30. Oktober 2000, direkt im Anschluss Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung bis 29. Januar 2003, anschließend Fiktionswirkung zunächst nach § 69 Absatz 3 Ausländergesetz (AuslG) und dann nach § 81 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vom 11. Dezember 2003 bis 29. August 2006. - Person 2: Aufenthaltsbefugnis beziehungsweise Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG vom 23. Januar 1997 bis 23. September 2013. - Person 3: Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG vom 20. April 2012 bis 5. Dezember 2014. - Person 4: Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG vom 14. Dezember 2015 bis 7. Dezember 2016. Entsprechend 3.d) und e) Die Daten der Asylanträge in chronologischer Reihenfolge: 26. April 1991, 4. Januar 1995, 4. Januar 1996, 19. Juli 2010, 14. Oktober 2010, 7. Dezember 2010, 7. November 2011, 22. März 2012 und 4. September 2014. Der zuständigen Behörde sind darüber hinaus zwei Folgeanträge vom 22. Oktober 2001 und 20. Februar 2017 bekannt. Entsprechend 3. f) Zu einem Betroffenen liegt keine Auskunft aus dem Bundeszentralregister vor. Aus dem Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA können drei rechtskräftige Verurteilungen mitgeteilt werden und zwar vom 2. März 2016 zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung, vom 20. Mai 2011 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und vom 13. Dezember 2007 zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr und acht Monaten zur Bewährung. Im Übrigen sieht der Senat in Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes von weiteren Angaben ab, da diese auch nicht Gegenstand eines Führungszeugnisses wären. Die Mitteilung steht unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA. Zu noch einem weiteren Betroffenen liegt keine Auskunft aus dem Bundeszentralregister vor. Das Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA weist keine rechtskräftige Verurteilung aus. Bezüglich drei Personen sieht der Senat in Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes von Angaben ab, da diese auch nicht Gegenstand eines Führungszeugnisses wären. Im Übrigen siehe Drs. 21/7315 und 21/7711. Entsprechend 3. g) Entfällt. Entsprechend 3.h) und i) In einem Fall wurde Abschiebehaft angeordnet. In zwei Fällen wurde eine vorläufige Freiheitsentziehung nach § 427 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen Drucksache 21/8124 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vor Festnahme der Person beantragt und angeordnet. Entsprechend 3.j) Eine Person hat sich kurzfristig in medizinische Behandlung begeben. In keinem Fall waren Krankheiten bekannt, die zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt haben und somit für die zuständige Behörde relevant gewesen wären. Entsprechend 3.k) Zwei Personen sind in Deutschland zum christlichen Glauben übergetreten. Zwei weitere Personen geben an, dem Volk der Hazara anzugehören. Im Übrigen siehe Antwort zu 3.l. 5. Welche Kosten sind der Freien und Hansestadt Hamburg durch die Durchführung der Abschiebungen am 14.12.2016, am 23.01.2017 und am 22.02.2017 jeweils wofür entstanden? Falls noch nicht darzustellen, bitte Teilmengen angeben und darstellen, welche Kostenstellen noch nicht bezifferbar sind. Siehe Drs. 21/7711. 6. Wie viele Afghaninnen und Afghanen sind in den vergangenen vier Monaten jeweils freiwillig nach Afghanistan ausgereist? Wie viele davon sind Kinder? Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Monat freiwillige Ausreisen davon Kinder Oktober 2016 6 1 November 2016 4 0 Dezember 2016 5 1 Januar 2017 1 0 7. Wie viele Plätze werden Hamburg bei der nächsten Sammelabschiebung „zur Verfügung gestellt“ beziehungsweise will der Senat in Anspruch nehmen? a) Für wann ist diese terminiert? Die Planungen sind diesbezüglich noch nicht abgeschlossen. b) Sollen auch Ehepaare, Familien mit Kindern, besonders Schutzbedürftige und/oder allein reisende Frauen abgeschoben werden? Siehe Drs. 21/6310. 8. Die „Tagesthemen“ haben kürzlich über einen jungen Afghanen berichtet , der nach Abschiebungsandrohung in der Hamburger Ausländerbehörde einen Selbsttötungsversuch unternommen haben soll. a) Wurde dieser Mann bisher abgeschoben? Wenn ja, wann? Wenn nein, war oder ist er für eine Abschiebung vorgesehen? Der Betroffene wurde bisher nicht abgeschoben. Die Rückführung des Betroffenen war vorgesehen. Um den Erfolg künftiger Maßnahmen nicht zu gefährden, wird zu diesen keine Auskunft erteilt. b) Besteht weiterhin eine Ausreiseaufforderung? Wenn ja, auch gegenüber seiner Ehefrau beziehungsweise gegebenenfalls Kindern? Der Betroffene ist weiterhin vollziehbar ausreisepflichtig. Es liegt keine nach deutschem Recht anerkannte Eheschließung vor. Kinder des Betroffenen sind nicht bekannt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8124 5 c) Wie hat die Ausländerbehörde auf den Selbsttötungsversuch reagiert ? Welche Maßnahmen wurden eingeleitet? Befindet sich der Mann in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung? Noch bevor eine Durchsuchung auf gefährliche Gegenstände erfolgen konnte, verletzte sich der Betroffene bei seiner spontanen Vorsprache in der Ausländerbehörde am 14. Februar 2017 am linken Handgelenk mit einer Rasierklinge und schnitt ebenfalls an der Sicherheitsweste eines Mitarbeiters entlang. Es wurde ein Rettungswagen verständigt und der Betroffene ins UKE eingeliefert. Nach Kenntnis der Ausländerbehörde verließ er das Krankenhaus noch am selben Tag auf eigenen Wunsch. d) Gegebenenfalls: Wie kommt es, dass dieser verheiratete Mann für die Abschiebung vorgesehen war, obwohl der Senat nach Bekundungen (vergleiche Drs. 21/6310) ausschließlich alleinstehende Männer nach Afghanistan abschieben wollte? Siehe Antwort zu 8.b). 9. Wie viele Menschen mit afghanischer Staatsangehörigkeit befinden sich derzeit in Hamburgischen Haftanstalten? Am Stichtag 27. Februar 2017 befanden sich insgesamt 39 afghanische Staatsangehörige in Hamburgischen Justizvollzugsanstalten. 21 Personen befanden sich in Untersuchungshaft, 18 in Strafhaft. a) Wie hoch ist jeweils deren Reststrafe? Die jeweilige Reststrafe der Strafgefangenen beträgt jeweils: Zwei Monate 23 Tage Acht Monate 29 Tage Neun Monate neun Tage Ein Jahr zwei Monate 27 Tage Ein Jahr fünf Monate Zwei Jahre drei Monate 18 Tage Zwei Jahre drei Monate 28 Tage Zwei Jahre fünf Monate 19 Tage Drei Jahre ein Monat 18 Tage Drei Jahre drei Monate 16 Tage Vier Jahre drei Monate fünf Tage Vier Jahre vier Monate 29 Tage Sechs Jahre vier Monate 19 Tage Neun Jahre ein Monat 14 Tage Vier Strafgefangene verbüßen eine lebenslange Freiheitsstrafe. b) Ab wann können sie abgeschoben werden? Der Zeitpunkt hängt von den individuellen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und kann derzeit noch nicht prognostiziert werden.