BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8145 21. Wahlperiode 07.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 27.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Regeln oder Ausnahmeregeln für die Bahnbenutzung? Was ist Sache am Flughafen Hamburg? Üblicherweise sind Regeln zur Abwicklung des Flugverkehrs ein komplexes Werk. Nicht so bei den Bahnbenutzungsregeln, die auf den Internetseiten der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) kurz mit „Im Wesentlichen gibt es drei Regeln“ eingeleitet werden. Demnach sollen Starts in Richtung Norden erfolgen. Die Südrichtung soll nicht benutzt werden. Zwischen 22 und 7 Uhr sollen auch Landungen aus Richtung Norden erfolgen. Einschränkungen bestehen bezüglich der zu gewährleistenden Flugsicherheit , die durch den diensthabenden Lotsen der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) entschieden werden. Laut Internetseiten der BUE finden im langjährigen Mittel nur 60 Prozent der Starts regelkonform statt. Mit Verweis auf die in Hamburg vorherrschenden Westwinde wird ein von den Regeln abweichender Anteil der Starts über die Richtung Niendorf/Blankenese von 31 Prozent aufgeführt. Eine Vielzahl der Beschwerden zum Fluglärm in Hamburg bezieht sich auf die Einhaltung der vorgenannten drei Regeln. In der Drs. 21/4133 (Schriftliche Kleine Anfrage „Bahnbenutzungsregeln endlich einhalten!“) wird auf ein quartalsweises Reporting der Fluglärmschutzbeauftragten zur Einhaltung der Bahnbenutzungsregeln in der Zeit zwischen 7 und 22 Uhr verwiesen. Die für die Abweichungen von den Regeln zugrunde gelegten Daten werden laut dieser Drucksache von der DFS GmbH als vertraulich eingestuft und nicht archiviert. Dies vorweg geschickt frage ich den Senat: Die Bahnbenutzungsregeln (BBR) verfolgen in Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie und der Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) das Ziel, durch eine entsprechende Verteilung der Flugbewegungen möglichst wenig Menschen mit Fluglärm zu belasten. Die BBR stellen vor dem Hintergrund der für die sichere Abwicklung des Luftverkehrs notwendigen Entscheidungsspielräume gleichwohl keinen strengen und restriktiv auszulegenden Anforderungskatalog für die Wahl der Betriebspiste allein nach Maßgabe von Lärmgesichtspunkten dar, sondern sind ihrem Inhalt nach als Empfehlung für eine lärmarme Abwicklung des Luftverkehrs zu verstehen. Diese Empfehlungen stehen unter dem generellen Vorbehalt, dass die Umsetzung insbesondere unter Einhaltung der Anforderungen an die Flugsicherheit überhaupt vertretbar ist. Die Abweichung von den Grundprinzipien ist daher nicht per Drucksache 21/8145 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 se als Verstoß zu bewerten, sondern spiegelt lediglich den Vorrang der Sicherheitsbelange bei der Abwicklung des Luftverkehrs wider. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) und der DFS Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) wie folgt: 1. Wie viele Starts vom Flughafen Hamburg fanden seit 2012 gemäß der Bahnbenutzungsregel 1 „Starts sollen Richtung Norden (Ohmoor/ Quickborn) erfolgen“ statt und wie viele Starts wichen von dieser Regel ab? Bitte nach Quartalen aufteilen und den Grund der Abweichung aufführen . Starts nach Betriebsrichtung von 0 bis 24 Uhr (ohne Hubschrauber): Betriebsrichtung 033 005 015 023 Jahr Quartal Starts Starts Starts Starts 2012 1 12.717 1.336 182 2.802 2012 2 12.206 959 2.319 4.625 2012 3 11.053 1.647 641 6.870 2012 4 7.274 1.205 167 8.768 2013 1 9.260 3.002 573 2.283 2013 2 11.635 1.807 312 5.146 2013 3 13.246 2.325 1.330 2.580 2013 4 8.627 857 406 7.205 2014 1 5.446 2.030 259 8.393 2014 2 13.994 2.041 198 3.766 2014 3 11.978 3.506 112 5.205 2014 4 7.227 2.616 152 8.635 2015 1 9.285 944 208 6.546 2015 2 13.549 142 49 7.198 2015 3 13.390 1.208 1.178 5.505 2015 4 9.217 1.643 277 7.383 2016 1 9.717 1.432 179 5.493 2016 2 10.419 3.874 79 6.396 2016 3 14.848 101 1.748 5.076 2016 4 13.102 763 76 5.065 Die Gründe für Abweichungen von der BBR 2.1 in der Zeit zwischen 7 und 22 Uhr werden von der DFS nicht regelhaft erfasst. Wie bereits in der Drs. 21/4133 ausgeführt wurde, werden die Informationen über die genutzte Richtung für Landungen zwischen 22 und 7 Uhr sowie die maßgeblichen Gründe hierfür von der DFS an die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) übermittelt und von der Fluglärmschutzbeauftragten bezüglich der Wetterdaten auf Plausibilität geprüft. Die Fluglärmschutzbeauftragte erstellt aus den übermittelten Daten eine Übersicht zur Einhaltung der BBR, die seit Januar 2015 quartalsweise auf ihrer Internetseite veröffentlicht wird. (http://www.hamburg.de/contentblob/4549916/data/d-bahnbenutzungsregel.pdf). Für den vorherigen Zeitraum liegen dem Senat keine entsprechenden Daten vor. 2. Die Parameter „Luftverkehrssicherheit“ sowie „Witterungs- und Bahnverhältnisse “ können zu Ausnahmen von der Bahnbenutzungsregel 1 führen . Laut Antwort auf die oben genannte Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 21/4133) entscheidet der diensthabende Lotse der DFS GmbH über die jeweilige Ausnahme. a. Welche genauen Grenzwerte liegen den möglichen Ausnahmen der Bahnbenutzungsregel 1 zugrunde? Die Wahl der Betriebsrichtung hängt von unterschiedlichen Faktoren wie insbesondere der Witterung und den Bahnverhältnissen ab. Nach Angaben der DFS darf die Rückenwindkomponente auf der Betriebspiste grundsätzlich nicht mehr als fünf Knoten und die Seitenwindkomponente nicht mehr als 15 Knoten im Mittel betragen. Bei einer Pistensichtweite (RVR) von 550 Metern oder weniger und/oder einer Hauptwolkenuntergrenze von weniger als 200 Fuß muss die Piste 23, die mit einem Instrumen- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8145 3 tenlandeanflugsystem der Kategorie II/III (ILS Kategorie 2 und 3) ausgerüstet ist, genutzt werden. 3. Die der Lärmschutzbeauftragten übermittelten Rohdaten sind laut Antwort auf die oben genannte Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 21/4133) von der DFS GmbH als vertraulich eingestuft worden und dürfen von der zuständigen Behörde nicht archiviert werden. a. Mit welcher Begründung werden diese Angaben von der DFS GmbH als vertraulich eingestuft? b. Aus welchem Grund veröffentlicht die zuständige Behörde lediglich monatlich zusammengefasste und nicht tageweise aufgelistete Abweichungen von den Bahnbenutzungsregeln? Die Angaben der DFS stellen nach dortiger Auskunft DFS-interne Daten dar, die aus Sicht der DFS grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind Die DFS unterliegt nicht der Aufsicht und Kontrolle durch den Senat, die Entscheidung über die Weitergabe von Rohdaten trifft daher allein die DFS. In Abstimmung mit der DFS handelt es sich bei der monatsweisen Zusammenfassung um die vereinbarte Form der Berichterstattung. 4. Wäre der Durchsatz (Anzahl der möglichen Starts und Landungen) ohne die Bahnbenutzungsregeln (im Falle ihrer Einhaltung) höher? a. Wenn ja: Welcher Unterschied ergäbe sich zwischen einer möglichen Anzahl von Starts und Landungen mit (generell eingehaltenen) und ohne Bahnbenutzungsregeln? Die derzeitige Nachfrage nach Starts- und Landungen kann unter Einhaltung der BBR mit allen darin enthaltenen Ausnahmen vollständig befriedigt werden. Die BBR enthalten zudem keine Kapazitätsbeschränkung, sondern dienen, wie in der Vorbemerkung dargestellt, maßgeblich als Empfehlung für eine lärmarme Abwicklung des Flugverkehrs . Es gibt insoweit keine Anhaltspunkte dafür, dass ohne die BBR ein höherer Durchsatz erreichbar wäre. 5. Zählt ein erhöhtes Flugaufkommen ebenfalls zu den Ausnahmetatbeständen für die Einhaltung der Bahnbenutzungsregeln (zum Beispiel unter dem Parameter „Luftverkehrssicherheit“)? a. Wenn ja: Wie viele der Ausnahmen sind darauf zurückzuführen? Bitte analog zu Antwort zu 1. nach Quartalen aufführen. Ein komplexes Flugaufkommen kann einen Ausnahmetatbestand erfüllen. Die Anzahl und Gründe der Abweichungen werden von der Fluglärmschutzbeauftragten unter: http://www.hamburg.de/contentblob/4549916/b32473b76295a427a5ff51b2bef44466/d ata/d-bahnbenutzungsregel.pdf veröffentlicht. 6. In ihrem Internetauftritt verlinkt die BUE auf einen Auszug des Luftfahrthandbuchs Deutschland (Stand 30.7.2009), laut dem die Bahnbenutzungsregel 2 (Landungen über RWY 15 in den Nachtstunden) auf die Zeit zwischen 21 und 6 Uhr begrenzt ist (UTC 20 beziehungsweise 5 Uhr). In ihrer Erläuterung dazu schreibt die BUE hingegen von 22 und 7 Uhr. Wie ist diese Abweichung zu erklären? Die genannte BBR gilt für Landungen in der Zeit von 22 bis 7 Uhr Mitteleuropäische Zeit (MEZ) während der Winter- beziehungsweise Mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ) während der Sommerzeit. Die Angaben im Luftfahrthandbuch wenden sich an Pilotinnen und Piloten sowie Fluggesellschaften. Dort ist eine Zeitangabe in Universal Time Coordinated (UTC) üblich. Während der Sommerzeit entspricht die oben genannte Zeitspanne von 20 bis 5 Uhr UTC und während der Winterzeit 21 bis 6 Uhr UTC. Diese Angaben stellen keinen Widerspruch zu den Darstellungen im Internet dar.