BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8162 21. Wahlperiode 07.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 28.02.17 und Antwort des Senats Betr.: Salafismus und Salafismus-Prävention an Hamburger Schulen In Hamburg sind Salafisten seit Jahren auf dem Vormarsch. Aktuellen Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz zufolge soll es gegenwärtig etwa 500 Salafisten sowie 230 Jihadisten in der Hansestadt geben.1 Ein Blick auf die letzten Jahre zeigt, dass Salafisten bislang auf verschiedene Weise versucht haben, neue Mitglieder für ihre Sache zu rekrutieren. Dass sich diese Bemühungen faktisch auch auf Schulen erstrecken, ist eine Tatsache. Aus diesem Grund hatte der Senat in seiner Stellungnahme vom 11. November 2015 „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus auch in Zukunft fortsetzen“2 mitgeteilt, künftig auch die Behörde für Schule und Berufsbildung in seine Kampagne gegen die Ausbreitung des Salafismus einbinden zu wollen.3 Zu diesem Zweck sollte auch eine verstärkte Kooperation mit den Schulen erfolgen. In der Begründung dazu heißt es: Auch im System Schule werden bisher vereinzelt Schülerinnen und Schüler (Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene) identifiziert, die sich mit religiös-extremistischen Äußerungen hervortun, sich in Kreisen radikalisierter Menschen bewegen, sich online radikalisiert haben und/oder andere Kinder und Jugendliche bewusst in Schulen ansprechen, um sie ebenfalls zu radikalisieren. Manche sind sogar zur Ausreise in Länder bereit, in denen für eine religiös begründete Ideologie gekämpft wird.“4 In Drs. 21/5331 hat der Senat erklärt, das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) qualifiziere und berate seit 2013 laufend Schulleitungen , Lehrkräfte sowie sozialpädagogisches Personal als Teil der Regelaufgaben . Dabei handele es sich um Fortbildungen und Beratungen, die sowohl zentral als auch anfragebezogen und schulspezifisch angeboten würden. Zu den erfolgreichsten Projekten des LI zählten die Programme „Umgang mit Islamismus an der Schule“ und „Radikalisierung verstehen und begegnen. Rechts- und Handlungssicherheit im Umgang mit Islamismus und Rechtsextremismus.“ Vage bleiben indes die Erklärungen zum Angebot anlagenorientierter Fortbildungen. Zu ihnen heißt es, dezentrale anlagenorientierte Fortbildungen würden „schulspezifisch“ zugeschnitten, wobei es in erster Linie darum gehe, herausforderndes Verhalten von salafistisch orientierten Jugendlichen, den Umgang mit Religion an der Schule sowie Fallberatung vor Ort abzufragen. Zuständig für die inhaltliche Abstimmung und Wei- 1 Confer Verfassungsschutzbericht 2015. Seite 27 fortfolgende. 2 Hierbei handelt es sich um die erste regulär Stellungnahme zum Senatskonzept „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen“ vom 28. Oktober 2014 (Drs. 20/13460). 3 Confer Drs. 21/5039. Seite 3. 4 Confer ibidem. Seite 7. Drucksache 21/8162 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 terentwicklung seien sowohl das Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung als auch eigene Weiterbildungsinitiativen.5 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Schulen haben bislang Hilfe wegen Problemen mit salafistischen Tendenzen in ihrer Schülerschaft in Anspruch genommen? Die Einzelfälle bitte jeweils anhand des Standortes, dem zugrunde liegenden Sachverhalt sowie der erzielten Resultate aufschlüsseln. Schulen erbitten in der Regel Unterstützungsleistungen aufgrund von einzelnen konkreten Vorfällen oder grundsätzlichen Fragen im – auch präventiven – Umgang mit Themen wie Radikalisierung, Umgang mit Religion an der Schule oder herausfordernden Äußerungen von Schülerinnen und Schülern. Das Identifizieren eines salafistischen Hintergrundes obliegt der fachlichen Beratung. Zur Bearbeitung der Einzelfälle beziehungsweise der Beratungsanfragen von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen siehe Drs. 21/5039, Drs. 21/5331, Drs. 21/5711, Drs. 21/6646 sowie Drs. 21/8105. Die Anfragen der einzelnen Schulen sowie die fallbezogenen Beratungen sind vertraulich . Aus Datenschutzgründen sieht der Senat von der öffentlichen Benennung von Schulnamen oder weiteren Informationen zu Beratungsanfragen ab. 2. Wie oft haben sich Fachkräfte des Landesbetriebs Erziehung und Beratung bislang an die Beratungsstelle Legato gewandt? Bitte die Einzelfälle gesondert auflisten und Sachverhalt sowie etwaige Ergebnisse der Zusammenarbeit nennen. Seit Oktober 2015 haben sich die Fachkräfte des Landesbetriebs Erziehung und Beratung in acht Fällen an Legato gewandt. Die betroffenen Jugendlichen waren in Schule oder Wohneinrichtung unter anderem wegen Interesse an und Umgang mit Bildmaterial des sogenannten Islamischen Staates (IS) und Zeichnen von IS-Symbolen aufgefallen . In allen Fällen fanden Beratungsgespräche mit unterschiedlichen Akteuren statt. 3. Wie hoch fällt der Anteil von Schülern an den von Legato betreuten Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen gegenwärtig aus? Legato „betreut“ keine Jugendlichen, sondern berät in aller Regel Angehörige, Lehrkräfte oder betreuende Fachkräfte. Das Merkmal „Schüler“ wird nicht erhoben. Von den insgesamt 220 Beratungsfällen im Zeitraum 01.07.2015 bis 28.02.2017 beträgt der Anteil der Beratungsfälle, an denen Schülerinnen und Schüler beteiligt sind, nach Schätzung der Beratungsstelle circa ein Drittel. 4. Ist es aufgrund der bisher gewonnenen Erkenntnisse möglich, Aussagen darüber zu machen, ob beziehungsweise inwieweit sich ein Migrationshintergrund beziehungsweise die Herkunft aus sozialschwachen Familien begünstigend auf die Akzeptanz salafistischer Ideen auswirkt? Der in der Frage formulierte Zusammenhang kann nicht bestätigt werden. Zu Hintergründen der Radikalisierung siehe Drs. 21/5039 sowie die Studie des Bundeskriminalamts , Bundesamts für Verfassungsschutz und des Hessischen Informations - und Kompetenzzentrum gegen Extremismus: „Analyse der Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind“ (Zweite Fortschreibung 2016) vom 7. Dezember 2016: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Publikationsreihen/Fors chungsergebnisse/2016AnalyseRadikalisierungsgruendeSyrienIrakAusreisende.html. 5 Confer Drs. 21/5331. Seite 3. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8162 3 5. Wie viele der dem Landesamt für Verfassungsschutz gegenwärtig als „Salafisten“ bekannten Personen verfügen nach Kenntnis des Senats über a) eine abgeschlossene Berufsausbildung, b) die alleimeine Hochschulreife, c) ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Magister, Diplom, Staatsexamen , Bachelor, Master et cetera)? Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg führt hinsichtlich der oben genannten Fragestellungen keine systematischen Erhebungen durch. 6. In wie vielen Fällen sind „spezifisch zugeschnittene“ Fortbildungen für den Umgang mit dem Salafismus bereits erfolgt? Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln sowie Inhalte und Ergebnisse benennen. Seit dem Schuljahr 2015/2016 werden die Fortbildungen des LI im Bereich Menschenrechts - und Demokratiefeindlichkeit auch schulintern angeboten. Hierbei erfolgt jeweils eine Klärung des Anliegens, um die Bedarfe der einzelnen Schule zu ermitteln. So gibt es neben dem Informations- und Fortbildungsbedarf und zu klärenden Fragen zum Themenfeld Radikalisierung, Islamismus und Islamfeindlichkeit auch konkrete Anlässe . Diese beziehen sich zum Beispiel auf religiös-kulturelle Fragestellungen und situationsspezifische Problemlagen, siehe Antwort zu 1. Die Lehrkräfte werden durch die schulinternen Fortbildungen darin unterstützt, ihre spezifischen Fragen zu klären, sich untereinander im Kollegium zu verständigen und systematische Handlungsketten und Routinen zu verabreden. Die Ergebnisse der Fortbildungen beziehen sich auf die jeweilige Ausgangsfragestellung, zum Beispiel Information, Klärung, gemeinsam Handlungssicherheit gewinnen, Melderoutinen verabreden . Pro Schuljahr werden im Schnitt 20 bis 25 schulinterne Fortbildungen abgerufen . Die Bandbreite der Themen orientiert sich an den Regelfortbildungen des Arbeitsbereichs Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit und wird bezogen auf die Anfrage entsprechend zugeschnitten, zum Beispiel „religiös motivierte Ablehnung der Demokratie“, „Umgang mit Äußerungen von Schülerinnen und Schüler“, „Umgang mit religiös begründeter Radikalisierung“, „Religion(en) an der Schule – was darf, was kann, was muss sein?“, „Basissensibilisierung Islamismus“. 7. Wie schätzt der Senat die Aktivitäten salafistsicher Schüler an Hamburger Schulen gegenwärtig sowie in Hinblick auf die vergangenen Jahre ein? Die zugrunde liegende Entwicklung bitte skizzieren. 8. Welche Schulen sind nach Auffassung des Senats am stärksten von salafistischen Aktivitäten betroffen? Bei der Beantwortung der Fragen bitte auch auf Angaben zur Struktur der Schülerhaft sowie den angebotenen Bildungsabschlüssen machen. Bei den Einzelfällen liegen individuelle Biografien und spezifische Problemlagen vor. Bei jedem Einzelfall wird geprüft, wie man mit angemessenen Hilfen aus Schule, Jugendhilfe oder anderen Institutionen die Angehörigen und den jungen Menschen erreichen beziehungsweise unterstützen kann. Eine Entwicklung kann hier nicht prognostiziert werden. Den Sicherheitsbehörden liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen vor. Der Senat sieht aus Datenschutzgründen von der öffentlichen Benennung der Schulen ab. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 9. In wie vielen Fällen sind Schüler aufgrund ihrer salafistischen Gesinnung bereits einer Schule verwiesen worden? Bitte die Einzelfälle jeweils gesondert nennen. In keinem. 10. Wie oft ist es wegen der salafistischen Gesinnung einzelner Schüler bereits zu Konflikten mit den Lehrern beziehungsweise der Schulleitung Drucksache 21/8162 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 gekommen? Worum ging es dabei im Einzelnen und wie hat man derartige Konflikte gelöst? Siehe Antwort zu 1. 11. Kann der Senat einschätzen, ob beziehungsweise inwieweit salafistische Schüler in die Netzwerke vom Verfassungsschutz beobachteter Cliquen eingebunden sind? Siehe Drs. 21/6646 und Drs. 21/5711 sowie Antwort zu 7. und 8. 12. Liegen dem Senat Informationen darüber vor, dass womöglich auch innerhalb von Familien eine ideologische Indoktrination im Sinne des Salafismus erfolgt? Falls ja, was können die Schulen tun, um dem Einhalt zu gebieten und was für Konsequenzen hat ein solcher Befund? Was für Familien sind nach Ansicht des Senats besonders betroffen? Analysen der Sicherheitsbehörden und Ergebnisse der Radikalisierungsforschung zeigen unter anderem, dass Radikalisierungsprozesse sehr heterogen sind. Es gibt keine eindeutigen sozioökonomischen, ethnischen oder anderen Profile von radikalisierten Personen, siehe Drs. 21/5039. Bei Verdachtsfällen im Sinne der Fragestellung können sich Schulen an die Dienststelle Prävention gewaltzentrierte Ideologien im Landeskriminalamt (LKA 702) und das LfV Hamburg wenden. Im Übrigen siehe Drs. 21/5711. 13. Ist dem Senat seitens einzelner Schulleitungen in der Vergangenheit bereits mitgeteilt worden, ob Schüler, die als Salafisten gelten, in der Vergangenheit auch strafrechtlich in Erscheinung getreten beziehungsweise außerhalb der Schule durch salafistische Aktivitäten aufgefallen sind? Ja.