BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8189 21. Wahlperiode 07.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 01.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Entwicklung der Bewerberzahlen und Neueinstellungen bei Richtern und Staatsanwälten In immer mehr Bundesländern entwickelt sich die Nachwuchsgewinnung der Justiz zum Problem. In Baden-Württemberg wurden die Einstellungskriterien für Richter bereits abgesenkt: Bis Anfang 2014 verlangte Baden-Württemberg noch, dass Bewerber zumindest eines von zwei juristischen Staatsexamen mit „vollbefriedigend“ bestanden haben müssen, was einer Note ab 9 Punkten und einem Prädikatsexamen gleichkommt. Doch dann wurden, der Not gehorchend, die Einstellungskriterien gesenkt: Jetzt reicht dem Nachwuchs zweimal die Mindestnote 8,0, um sich fürs Richteramt zu qualifizieren. Grund hierfür sei, dass vor allem Großkanzleien und Unternehmen mit Rechtsabteilungen besser bezahlen würden. (http://www.stuttgarterzeitung .de/inhalt.justiz-hat-nachwuchssorgen-keine-lust-auf-die-karriere-alsrichter .30d39274-2194-4f7d-9153-a35e9b7c416e.html). Auch in Nordrhein- Westfalen bereitet der Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften Sorgen: Drei Jahre in Folge konnten im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm nicht alle Stellen für Richter besetzt werden, weil geeignete Bewerber fehlten. (http://www.wn.de/Muensterland/2318154-Richter-Nachwuchs-Gerichten-in- Hamm-und-Muenster-fehlen-qualifizierte-Bewerber). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind seit dem Jahre 2010 jährlich a. wegen Erreichen der Altersgrenze, b. vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst ausgeschieden? 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Vor Erreichen der Altersgrenze 4 6 15 10 13 19 Erreichen der Altersgrenze 16 24 27 25 18 22 Gesamt 20 30 42 35 31 41 Für 2010 liegen keine Zahlen vor, da diese Daten nicht in das neue Abfrageprogramm ePeco eingespielt wurden. Das Lohnbuchhaltungsprogramm PAISY hält entsprechende Abfragetools nicht vor. Die Personalakten sind bereits archiviert. Eine Auswertung sämtlicher archivierter Personalakten ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie viele Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte scheiden voraussichtlich jährlich bis zum Jahr 2023 wegen Drucksache 21/8189 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst aus? Bitte pro Jahr darstellen . 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Erreichen der Altersgrenze 8 15 25 28 25 13 34 3. Wie viele Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte scheiden voraussichtlich jährlich bis zum Jahr 2023 vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst aus? Bitte pro Jahr darstellen. Eine Prognose kann für die Jahre bis 2023 nur näherungsweise erstellt werden. Entsprechend der Vorjahre wird davon ausgegangen, dass im Mittel jährlich rund 1 Prozent (bezogen auf den statistischen Personalbestand) vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst ausscheiden. Legt man den statistischen Personalbestand von 1.108 Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten (2016) zugrunde, kann prognostiziert werden, dass in den nächsten Jahren rund elf Personen vor Erreichen der Altersgrenze ausscheiden. 4. Wie hat sich die Anzahl der Bewerber/-innen als a. Staatsanwalt/Staatsanwältin, b. Richter/Richterin in Hamburg seit dem Jahre 2010 jährlich entwickelt? Bitte nach männlichen und weiblichen Bewerbern getrennt darstellen. Die Anzahl der Bewerber/-innen hat sich in Hamburg seit dem Jahre 2010 wie folgt entwickelt: Jahr Anzahl Bewerber/-innen 2010 207 2011 178 2012 185 2013 179 2014 160 2015 236 2016 155 Die Berufswünsche (Ordentliche Gerichtsbarkeit, Staatsanwaltschaft, Verwaltungsgerichtsbarkeit , Arbeitsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit) der Bewerberinnen und Bewerber werden beim Hanseatischen Oberlandesgericht nicht statistisch erfasst. Teilweise werden in einer Bewerbung auch mehrere Berufswünsche genannt. Eine händische Auszählung der Berufswünsche anhand der Bewerberakten ist angesichts der Anzahl der Bewerbungen und der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Wie viele Bewerberinnen und Bewerber jeweils männlich beziehungsweise weiblich sind, wird beim Hanseatischen Oberlandesgericht nicht statistisch erfasst. Eine händische Auszählung anhand der Bewerberakten ist angesichts der Anzahl der Bewerbungen und der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie hat sich die Anzahl der Neueinstellungen von a. Staatsanwälten/Staatsanwältinnen, b. Richtern/Richterinnen seit dem Jahre 2010 jährlich entwickelt? Neueinstellung ab Staatsanwältinnen/Staatsanwälte Richterinnen/Richter 2010 10 34 2011 11 40 2012 4 34 2013 7 32 2014 3 30 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8189 3 Neueinstellung ab Staatsanwältinnen/Staatsanwälte Richterinnen/Richter 2015 2 56 2016 4 30 2017 5 6 Nicht dargestellt können die Neueinstellungen ab dem 1. Januar 2010, die bereits wieder vor dem 1. Januar 2016 ausgeschieden sind. Nach dem mehrmals jährlich tagenden Richterwahlausschuss wird das Ernennungsverfahren unverzüglich in die Wege geleitet. 6. Wie hat sich das R 1 Anfangsgrundgehalt in Hamburg seit dem Jahre 2010 entwickelt? Bitte exemplarisch für ledig ohne Kinder und verheiratet mit zwei Kindern darstellen und in brutto und netto ohne Kirchensteuer angeben. Besoldungserhöhung in Euro ab 01.03.2010 01.04.2011 01.01.2012 01.01.2013 01.01.2014 01.03.2015 01.03.2016 R 1/Stufe 1 – ledig ohne Kinder Brutto 3.640,16 3.694,76 3.849,88 3.944,20 4.052,67 4.129,67 4.216,39 Netto 2.821,93 2.855,43 2.952,34 3.011,06 3.079,35 3.124,70 3.187,42 R 1/Stufe 1 – verheiratet, 2 Kinder Brutto 3.943,27 4.002,41 4.163,37 4.265,36 4.382,67 4.465,94 4.559,71 Netto 3.005,74 3.040,96 3.138,62 3.200,08 3.271,41 3.318,90 3.385,07 Bei der Berechnung der Nettobezüge ledig/ohne Kinder wurde Steuerklasse I zugrunde gelegt. Es wurden keine steuerlichen Freibeträge berücksichtigt. Bei der Berechnung der Nettobezüge verheiratet/zwei Kinder wurde Steuerklasse IV mit zwei Kindern und voller Anspruch auf Familien-Fz zugrunde gelegt. Es wurden keine steuerlichen Freibeträge berücksichtigt. Das Kindergeld wurde nicht eingerechnet . 7. Wie hat sich das R 1 Endgrundgehalt in Hamburg seit dem Jahre 2010 entwickelt? Bitte exemplarisch für ledig ohne Kinder und verheiratet mit zwei Kindern darstellen und in brutto und netto ohne Kirchensteuer angeben. Besoldungserhöhung in Euro ab 01.03.2010 01.04.2011 01.01.2012 01.01.2013 01.01.2014 01.03.2015 01.03.2016 R1/Stufe 8 – ledig ohne Kinder Brutto 5.398,22 5.479,19 5.668,22 5.807,09 5.966,78 6.080,15 6.207,83 Netto 3.830,23 3.875,33 3.983,57 4.063,01 4.155,71 4.218,87 4.303,65 R1/Stufe 8 – verheiratet, 2 Kinder Brutto 5.701,33 5.786,84 5.981,71 6.128,25 6.296,78 6.416,42 6.551,15 Netto 3.999,09 4.046,72 4.158,15 4.241,83 4.339,50 4.406,12 4.494,79 Zur Berechnung siehe Antwort zu 6. 8. Worauf sind gegebenenfalls die Unterschiede in der Entwicklung zwischen dem R 1 Anfangsgrundgehalt und dem R 1 Endgrundgehalt zurückzuführen? Entfällt. 9. Wie beurteilt die zuständige Behörde die Entwicklung der Besoldung und Versorgung nach der Föderalismusreform I in Hamburg im Vergleich zu den anderen Bundesländern? Die Bewertung der Angemessenheit der Besoldung und Versorgung nach der Föderalismusreform I in Hamburg ist Aufgabe des Senats und der Bürgerschaft. Der Senat wird sich im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung 2017/2018 mit dieser Frage befassen. 10. Haben sich in Hamburg die Einstellungsvoraussetzungen für Richter und Staatsanwälte seit dem Jahre 2010 verändert? Drucksache 21/8189 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Falls ja, wann, wie und aus welchem Grund? Die Einstellungsvoraussetzungen für Richter und Staatsanwälte sind im März 2012 geändert worden. Grund für die Modifizierung war das Bestreben, auch Bewerberinnen und Bewerber zuzulassen, die aufgrund zusätzlicher fachlicher oder persönlicher Qualifikationen für das Amt einer Richterin beziehungsweise eines Richters oder Staatsanwältin beziehungsweise eines Staatsanwalts besonders geeignet erscheinen, auch wenn diese sich in den genannten – engen – Grenzen außerhalb des grundsätzlich geforderten Notenspektrums (mindestens doppeltes „vollbefriedigend“) bewegen. Bewerbungsvoraussetzung waren bis zu diesem Zeitpunkt (neben den in § 9 DRiG genannten Anforderungen) überdurchschnittliche Rechtskenntnisse, belegt durch die Mindestnote „vollbefriedigend“ in beiden Staatsexamina, sowie überdurchschnittliche Leistungen im Vorbereitungsdienst. Im März 2012 wurden diese Anforderungen leicht modifiziert: seither können ausnahmsweise auch Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt werden, die in einem Examen ein „vollbefriedigend“ und in dem anderen ein gehobenes „befriedigend“ (mindestens 8 Punkte) erreicht haben, wenn sie sich zusätzlich durch besondere fachliche oder persönliche Kompetenzen auszeichnen.