BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8247 21. Wahlperiode 14.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Gladiator und Richard Seelmaecker (CDU) vom 06.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Entwicklung des öffentlichen Rettungsdienstes in Hamburg Der öffentliche Rettungsdienst soll die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallversorgung und den Krankentransport mit Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeugen sicherstellen. Im Jahresbericht 2015 (Drs. 21/51) stellte der Rechnungshof bei der Organisation des öffentlichen Rettungsdienstes umfangreiche Defizite fest. Unter anderem wies er auf Folgendes hin: „Die Feuerwehr hat im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags darauf hinzuwirken, dass das System des Rettungsdienstes dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik entspricht, ordnungsgemäß aufgestellt ist und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen verlässlich funktioniert. Trotz stetig steigender Alarmierungszahlen sowie substanzieller Veränderungen in der Gefahrenabwehr und der operativen Prioritätensetzung ist die Feuerwehr bisher der Frage, ob und wie zur Kompensation erkannter Personalbedarfe weitere Rettungsdienstleister bzw. Inhaber einer Notfallrettungs-Genehmigung in den öffentlichen Rettungsdienst ergänzend eingebunden werden können, nicht systematisch nachgegangen . Die BIS hat erklärt, die Feuerwehr sei der Frage der Einbindung anderer Rettungsdienstleister seit 2010 nachgegangen. Dem Rechnungshof ist jedoch keine ausreichend konzeptionelle und systematische Prüfung zur Einbindung anderer Rettungsdienstleister vorgelegt worden.“ (Tzn. 477). Im Ergebnisbericht 2016 (Drs. 21/4300) hat die Behörde für Inneres und Sport schließlich mitgeteilt: „Der Einbindung anderer Rettungsdienstleister werde seit 2010 nachgegangen. Eine systematische Untersuchung möglicher Synergieeffekte und Entlastungswirkungen sei mangels fachlicher Notwendigkeit und fehlender Finanzmittel bisher noch nicht erfolgt. Voraussetzung hierfür seien vor allem die Novellierung des Rettungsdienstgesetzes sowie standardisierte Vergabeverfahren.“ Gerade vor dem Hintergrund aufwachsender Personalbedarfe bei der Feuerwehr Hamburg, die nach eigenen Angaben neben weiteren Wachen 640 zusätzliche Beamte benötigt, um den Zielerreichungsgrad von 95 Prozent der Schutzziele der Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren (AGBF) zu erreichen, ist eine verstärkte Einbindung der Hilfsorganisationen in den öffentlichen Rettungsdienst zur Erhöhung der Sicherheit der Bevölkerung äußerst sinnvoll. Dann stünden der Feuerwehr mehr Beamte für die Erfüllung ihrer originären Aufgabe, der Brandbekämpfung, zur Verfügung. Wie die jüngsten Zahlen zeigen, wird der Zielerreichungsgrad hamburgweit mit 69,6 Prozent bei knapp einem Drittel aller Brände verfehlt. Zudem plagen die Drucksache 21/8247 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Feuerwehr Hamburg Nachwuchssorgen, wie das „Hamburger Abendblatt“ am 23. Februar 2017 ausführlich berichtete. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Als Träger des Rettungsdienstes ist die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) dazu verpflichtet, den Rettungsdienst sicherzustellen und somit eine flächendeckende, bedarfs- und fachgerechte Versorgung der Bevölkerung zu garantieren. Der öffentliche Rettungsdienst in Hamburg umfasst die Aufgaben Krankentransport und Notfallrettung. Die Notfallrettung im öffentlichen Rettungsdienst erfolgt regelhaft durch die Feuerwehr. Durch das Rettungsdienstgesetz und den öffentlich-rechtlichen Vertrag sind die Hilfsorganisationen (Deutsches Rotes Kreuz – DRK, Johanniter Unfallhilfe – JUH, Malteser Hilfsdienst – MHD und Arbeiter Samariter Bund – ASB) in den öffentlichen Rettungsdienst eingebunden. Im öffentlich-rechtlichen Vertrag wird den Hilfsorganisationen die Aufgabe der Krankenbeförderung übertragen. Des Weiteren sind die Hilfsorganisationen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag in die Notfallrettung eingebunden. Der Zielerreichungsgrad von 69,9 Prozent in 2016 gilt für Brandbekämpfung und Technische Hilfeleistung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein „Nichterreichen“ auch gegeben ist, wenn die vorgegebene Zeit um wenige Sekunden überschritten wurde. So beträgt der Zielerreichungsgrad bei 8:30 Minuten 75,8 Prozent Für den Rettungsdienst sind die Erreichungsgrade im Haushaltsplan der Behörde für Inneres und Sport, Einzelplan 8.1 dargestellt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hat sich die Anzahl der Alarmierungszahlen sowie der tatsächlichen Notfallbeförderungen seit dem Jahre 2014 in Hamburg insgesamt und in den einzelnen Stadtteilen entwickelt? 2014 2015 2016 2017* Einsätze Rettungsdienst gesamt 256.331 276.614 284.868 48.968* Notfallbeförderungen 157.344 165.915 168.939 28.512* * bis einschl. 28.2.2017 Die Zahlen der Notfallbeförderungen umfassen sämtliche Alarmierungen und Notfallbeförderungen . Es sind neben den Ressourcen der Berufsfeuerwehr alle am Rettungsdienst Beteiligten angegeben. Die zur Beantwortung benötigten Daten für die Bezirke und Stadtteile werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie haben sich die Kosten im öffentlichen Rettungsdienst seit dem Jahre 2014 in Hamburg entwickelt? Welche Entwicklung in der Vorhaltung liegt dem zugrunde? Jahr Kosten (in Euro) 2014 55.002.000 2015 65.247.000 2016 71.836.000* * Planwert, Ist-Werte liegen erst ab Juni 2017 vor Jahr Vorhaltungen 2014 entfällt, eine Vorhaltung wurde nicht vereinbart 2015 3,5 zusätzliche RTW 2016 3,5 zusätzliche RTW und ein weiteres NEF der Bundeswehr RTW: Rettungswagen; NEF: Notarztbesetztes Einsatzfahrzeug Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8247 3 Neben der Entwicklung der Vorhaltung werden die Kosten des Rettungsdienstes derzeit wesentlich durch Veränderungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Notfallsanitätergesetzes beeinflusst. Darüber hinaus haben weitere Parameter Einfluss auf die Zielerreichung im Rettungsdienst . Beispielhaft seien genannt: demographische Entwicklung, Zustrom von geflüchteten Personen, Bautätigkeiten, Veranstaltungen, Witterungseinflüsse et cetera . Sowohl im Bereich Brandschutz und Technische Hilfeleistung als auch im Bereich Rettungsdienst erfolgt eine bedarfsorientierte Personalentwicklung. Hierzu gehören die von der Bürgerschaft wesentlich unterstützte Ausbildungsinitiative und die aktuelle Initiative des Senats zur Nachwuchskräftegewinnung, durch die die Feuerwehr bis zum Jahr 2021 um mehr als 200 Feuerwehrbeamte verstärkt werden soll. 3. Wie hat sich die Erfüllungsquote „Eintreffzeit im öffentlichen Rettungsdienst an der Einsatzstelle innerhalb von <= 8 Minuten“ in Hamburg insgesamt und in den einzelnen Stadtteilen seit dem Jahre 2014 entwickelt ? Für die Jahre 2014 und 2015: siehe Haushaltsplan der Behörde für Inneres und Sport, Einzelplan 8.1, für das Jahr 2016: 66,2 Prozent. Statistische Daten zu den Stadtteilen liegen nicht vor, siehe Antwort zu 1. 4. Welche und wie viele Rettungsmittel der Hilfsorganisationen werden im öffentlichen Rettungsdienst im Rahmen der Notfallrettung eingesetzt? Die Einbindung der Hilfsorganisationen in die Notfallrettung erfolgt mit drei Rettungswagen (2 x DRK, 1 x ASB), zwei Notarztwagen (1 x ASB, 1 x DRK) sowie in der unmittelbaren Nähe von 15 Standorten des Krankentransportes. An zwei Standorten sind die Rettungswagen in der zweiten Alarmfolge (1 x JUH, 1 x MHD) miteingebunden . 5. Nach welchen Kriterien richtet sich die Einbindung von Rettungsmitteln der Hilfsorganisationen im öffentlichen Rettungsdienst? Der derzeit geltende § 7 Satz 2 des Hamburgischen Rettungsdienstgesetzes (HmbRDG) sieht vor, dass die zuständige Behörde Hilfsorganisationen, wie den ASB, das DRK, die JUH und den MHD, in die Wahrnehmung der Aufgabe des öffentlichen Rettungsdienstes einbeziehen kann. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten werden nach § 7 Satz 3 HmbRDG durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt. Ein gegenüber der heutigen Situation erweiterter Einsatz setzt entsprechende Vergabeverfahren beziehungsweise vergabeähnliche Verfahren voraus. 6. Wurden in diesem Jahr Rettungsmittel von den Hilfsorganisationen bei Großeinsätzen angeboten, auf die nicht zurückgegriffen wurde? a. Falls ja, wann und aus welchen Gründen wurde auf die Einbindung jeweils verzichtet? Verfügbare Ressourcen der Hilfsorganisationen werden bei Bedarf und im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Vertrages bei Großeinsätzen durch die Rettungsleitstelle der Feuerwehr alarmiert und eingesetzt. Für die Beantwortung der Frage wäre eine detaillierte Auswertung aller Großeinsätze des Jahrs 2016 erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. b. Ist sichergestellt, dass stets das vom Einsatzort nächstgelegene Rettungsmittel eingesetzt wird? Falls nein, weshalb nicht? Falls nein, gibt es Fälle, in denen der Einsatzort erst später erreicht wurde, weil die Feuerwehr auf die Einbindung von Rettungsmitteln der Hilfsorganisation verzichtet hat? Ja. Drucksache 21/8247 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das Einsatzleitsystem der Feuerwehr Hamburg schlägt immer das am dichtesten zum Einsatzort verfügbare Rettungsmittel vor. Dieses wird entsprechend durch den Disponenten der Rettungsleitstelle alarmiert. 7. Der Rechnungshof hatte in seinem Jahresbericht 2015 die Behörde für Inneres und Sport unter anderem aufgefordert, „die Einbindung anderer Anbieter in den Rettungsdienst hinsichtlich möglicher Synergieeffekte und Entlastungswirkungen für die Feuerwehr sowie den Haushalt zu untersuchen und hieraus Lösungsansätze und -strategien systematisch zu entwickeln.“ Seit dem 18. April 2016 nimmt die aktuelle Fassung des § 107 Absatz 1 Nummer 4 GWB die Vergabe von Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen vom EU-Vergaberecht aus. a. Inwiefern soll durch diese gesetzlich geschaffene Möglichkeit künftig eine verstärkte Einbindung der Hilfsorganisationen im öffentlichen Rettungsdienst erfolgen? b. Inwiefern ist eine verstärkte Einbindung der Hilfsorganisationen im öffentlichen Rettungsdienst vor dem Hintergrund der aufwachsenden Personalbedarfe bei der Feuerwehr sinnvoll? Die Organisation des Rettungsdienstes und dessen personelle wie sachliche Aufstellung werden kontinuierlich überprüft mit dem Ziel, für die Menschen in Hamburg stets eine zuverlässige und bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Hierbei werden auch gesetzliche Entwicklungen, wie die genannte einbezogen in Hinblick auf die Möglichkeit , auch andere Beteiligte in den Rettungsdienst einzubinden. Die zuständige Behörde steht dem grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Die besagte Regelung ist derzeit allerdings Gegenstand verschiedener gerichtlicher Prüfungen, sodass deren rechtliche Bedeutung, wie in Fachkreisen schon zuvor behandelt, damit nicht verbindlich eingeschätzt werden kann. 8. Wie ist der Sachstand zur Novellierung des Hamburgischen Rettungsdienstgesetzes (HmbRDG)? a. Ist die Anhörung der Verbände und Kammern abgeschlossen? Falls ja, seit wann, was sind die wesentlichen Forderungen und welche Schlussfolgerungen zieht die zuständige Behörde hieraus? b. Welche Prüfungen im Rahmen der Novellierung sind von der zuständigen Behörde noch vorzunehmen? c. Wann wird der Entwurf der Novelle des Hamburgischen Rettungsdienstgesetzes vom Senat voraussichtlich der Bürgerschaft zugeleitet ? Die betroffenen Institutionen und Verbände haben die Stellungnahmen eingereicht. Sie behandeln im Wesentlichen Aspekte wie die Aufhebung des dualen Systems und Schaffung einer einzigen Rettungsleitstelle, die Ausgestaltung des öffentlichen Rettungsdienstes , die personelle Besetzung der Rettungsmittel sowie gesetzliche Regelungen zu Hilfsfristen und Rettungsbedarfsplanungen. Im Rahmen der Novellierung ist insbesondere die Frage mit zu bewerten, ob und wenn ja, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Vergabe von Rettungsdienstleistungen vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage erforderlich sind. Diese Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen, ein konkreter Termin im Sinne der Fragestellung kann daher noch nicht benannt werden. Im Übrigen siehe auch Antwort zu 7.a und b.