BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8288 21. Wahlperiode 17.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Urs Tabbert, Milan Pein, Henriette von Enckefort, Peri Arndt und Hendrikje Blandow-Schlegel (SPD) vom 09.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Neustrukturierung des Justizvollzuges – Justizvollzug Hamburg 2020: Stand, Zeitplan und Verfahren der Prüfung von Alternativen zum Kooperationsmodell im Strafvollzug zwischen Hamburg und Schleswig- Holstein Derzeit prüft der Senat eine Kooperation mit Schleswig-Holstein im Jugendund Frauenstrafvollzug. In der Sitzung des Ausschusses für Justiz und Datenschutz am 29. November 2016 stellte der Senat den „Gemeinsamen Zwischenbericht zum Ausbau der Kooperation auf dem Gebiet des Strafvollzugs “ vor (Drs. 21/5780). Dieser Bericht untersuchte, ob sich der Einstieg in die vertiefte Prüfung des sogenannten Kooperationsmodells lohnt und gelangte dabei zu der Prognose, dass die Haftplatzkapazitäten beider Länder ausreichen, um die entsprechenden Haftplatzbedarfe zu befriedigen. Daneben wurde festgestellt, dass die Vollzugsstrukturen in Hamburg und Schleswig -Holstein in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich miteinander kompatibel sind. Das Kooperationsmodell sieht vor, den Jugendstrafvollzug nach Schleswig- Holstein zu verlagern. Im Hamburg verbleiben würde die Jugenduntersuchungshaft , der Jugendarrest, der offene Jugendstrafvollzug sowie die Vollstreckung lediglich kurzer Jugendstrafreste von bis zu sechs Monaten nach Anrechnung der Untersuchungshaft. Der Senat hat in Abschnitt III. des Bürgerschaftsteils der Drs. 21/5780 das weitere Prüfverfahren in Hamburg dargestellt. Danach sollte nach Veröffentlichung des Zwischenberichts damit begonnen werden, im Rahmen einer verdichteten Prüfung das Kooperationsmodell gegen Planungsalternativen für Hamburg abzuwägen. Im Zuge der Beratungen des Zwischenberichts im Ausschuss für Justiz und Datenschutz am 29. November 2016 hat der Senat seine Ausführungen zur Prüfung der Planungsalternativen vertieft (Drs. 21/7435). Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Im Dezember 2015 haben Hamburg und Schleswig-Holstein beschlossen, zu prüfen, ob eine Zusammenlegung der Strafgefangenen im Frauenvollzug auf Hamburger Gebiet und in der Jugendstrafhaft in Schleswig-Holstein sinnvoll ist. Dazu hat der Senat die Neustrukturierung des Justizvollzuges – Justizvollzug Hamburg 2020 – beschlossen. Eine eigens dafür eingesetzte Projektgruppe geht umfassend der Frage nach, wie der Hamburger Strafvollzug zukunftsfest aufgestellt werden kann. Die Verbesserung der Vollzugsqualität spielt dabei eine besondere Rolle, um die im Hamburgischen Jugendstrafvollzugsgesetz normierten Ziele zukünftig noch besser zu erfüllen. Drucksache 21/8288 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Im September 2016 hat der Senat einen Zwischenbericht der bis dahin geleisteten Arbeit vorgelegt (vergleiche Drs. 21/5780). Kernstück dieses Berichts war, dass die Haftplatzkapazitäten und rechtlichen Grundlagen in beiden Bundesländern kompatibel sind und die Zusammenlegung der betrachteten Bereiche grundsätzlich möglich ist. Teil des aktuellen Prüfungsprozesses ist nun die Abwägung der Vollzugskooperation mit Schleswig-Holstein in den Bereichen Jugend- und Frauenvollzug gegen Planungsalternativen für Hamburg (vergleiche Drs. 21/5780). Insgesamt werden vier Modelle geprüft, gegeneinander abgewogen und auch mit dem Erhalt der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand in bisherigem Umfang abgeglichen. Weiterhin wird die die Öffnung der Jugendarrestanstalt in Moltsfelde für Hamburger Arrestanten ebenso vertieft geprüft wie die Ausweitung der bestehenden Kooperation im Bereich der Sicherungsverwahrung auf Gefangene mit vorbehaltener und angeordneter Sicherungsverwahrung aus Schleswig-Holstein. Dieses Vorgehen entspricht dem Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 zur Neustrukturierung des Justizvollzuges – Justizvollzug Hamburg 2020. Im Übrigen vergleiche Drs. 21/3769. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Was prüft das Projekt Justizvollzug Hamburg 2020? Siehe Vorbemerkung. 2. Im Rahmen des Kooperationsmodells soll die Jugendstrafhaft nach Schleswig-Holstein und dort in die JVA Neumünster und JVA Schleswig verlegt werden. In welchem ungefähren Verhältnis würden die Hamburger Jugendlichen auf die beiden Haftanstalten verteilt werden? Im Rahmen der gemeinsamen Projektarbeit mit den Beteiligten aus Schleswig- Holstein wurde in einer stichtagsbezogenen Auswertung zum 20. März 2016 eine hypothetische Verteilung der seinerzeit in Hamburg untergebrachten Jugendstrafgefangenen auf die JVA Neumünster und die JA Schleswig vorgenommen, wobei die Unterbringung in der JA Schleswig bevorzugt in den Fällen der Unterbringung in der Sozialtherapie in Betracht kommt. Dabei wurde ein Verhältnis von 1:11 ermittelt (JA Schleswig: JVA Neumünster). Für 2017 ist eine weitere Auswertung vorgesehen. 3. Welche konkreten Planungsalternativen zum Kooperationsmodell werden im Projekt Justizvollzug 2020 geprüft? 4. In welchen Schritten erfolgt die Prüfung der Planungsalternativen? 5. Welche Rolle spielt die Sicherung der Vollzugsqualität in dieser Prüfung und welche Kriterien (zum Beispiel Gesundheitsfürsorge, schulische und berufliche Bildung und Weiterbildung, Übergangsmanagement, Erreichung des gesetzlich vorgeschriebenen Ziels der Resozialisierung) werden dabei berücksichtigt? 6. Welche Prüfungstiefe und welchen Prüfungsumfang im Sinn des Modells des kostenstabilen Bauens (siehe auch Drs. 21/3769, Seite 1) haben das Kooperationsmodell und die Planungsalternativen? 7. Welche weiteren Teilprojekte neben der Prüfung des Kooperationsmodells und der Planungsalternativen umfasst das Projekt Justizvollzug Hamburg 2020 noch? 8. Wie ist der zeitliche Rahmen der Prüfung des Projekts Justizvollzug Hamburg 2020 insgesamt? Folgende Modelle werden geprüft und gegeneinander abgewogen: Modell A: Jugenduntersuchungshaft verbleibt in Hahnöfersand, ebenso der Jugendarrest und der offene Jugendvollzug, im Übrigen Kooperation mit Schleswig -Holstein im Jugendstraf- und Frauenvollzug. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8288 3 Modell B: Keine Kooperation mit Schleswig-Holstein in den Bereichen des Jugendstraf- und Frauenvollzuges. Verlagerung des gesamten Jugendvollzugs in Haus I und III der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel. Modell C: Ebenfalls keine Kooperation mit Schleswig-Holstein. Verlagerung des gesamten Jugendvollzuges an den Standort der JVA Billwerder. Modell D: Neubau einer Teilanstalt für Jugenduntersuchungshaft am Standort der JVA Billwerder und Kooperation im Bereich des Jugendstraf- und Frauenvollzuges mit Schleswig-Holstein. In einem weiteren Schritt Abwägung der Modelle A bis D gegen den Erhalt der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand in bisherigem Umfang in einer zukunftsfähig ertüchtigten Form mit dem Erfordernis baulicher Anpassungen. Alle Modelle werden interdisziplinär nach einem einheitlichen Muster geprüft, das heißt, es werden parallel jeweils dieselben Prüfungsgegenstände untersucht. Die Auswahl der Prüfungsgegenstände ist auf solche beschränkt worden, die in vergleichbarem Maße relevant für spätere Entscheidungen sind. Untersucht werden jeweils folgende Prüfungsgegenstände: Es erfolgt ein fortlaufendes Monitoring der Haftplatzkapazitäten und -bedarfe entsprechend des im Zwischenbericht unter A.II. (Drs. 21/5780) beschrieben Verfahrens , das heißt, die Jahresspitzenbelegungen werden fortlaufend gegenübergestellt , wobei theoretisch davon ausgegangen wird, dass diese Belegungen an einem Tag zusammenfallen. Es werden die vollzugsfachlichen Anforderungen an einen zukunftsfähigen Jugendvollzug erarbeitet und entsprechend dem vertieften Prüfungsprozess fortlaufend überprüft, sodass in jedem Prüfmodell das angestrebte Ziel einer Standardverbesserung erreicht werden kann. Ziel ist es, den Bereich Entlassungsvorbereitung /Übergangsmanagement zu optimieren und die Kontinuität der Betreuung sicherzustellen. Des Weiteren soll der Bereich Schule und Ausbildung/Qualifizierung zukunftsfähig und arbeitsmarktbezogen ausgestaltet werden. Baukostenermittlung für die einzelnen Modelle nach der Maßgabe des Kostenstabilen Bauens. Gesonderte Personalbedarfsprognose wird für jedes Prüfmodell erstellt, da die Auswirkungen auf den Investitions-, Betriebs- und Personalhaushalt sowie auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter zu untersuchen sind. Es erfolgt eine Kostenermittlung und gegebenenfalls die Festlegung von Ausgleichzahlungen im Falle der Kooperation. Es werden rechtliche Anpassungsbedarfe für jede Alternative geprüft. Das Vorgehen stellt sicher, dass die Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells transparent abgebildet werden. Gleichzeitig werden die Vor- und Nachteile eines Modells zueinander sowie zu den Vor- und Nachteilen der übrigen zu prüfenden Modelle ins Verhältnis gesetzt. Auf diese Weise wird ein hohes Maß an Vergleichbarkeit gewährleistet . Eine von vornherein gewichtende Bewertungsmatrix gibt es dabei nicht. Die Baukostenermittlung für sämtliche Varianten erfolgt nach den Maßgaben der Drucksache zum Kostenstabilen Bauen. Neben der Prüfung der Planungsalternativen hat das Projekt Justizvollzug 2020 den Auftrag, die Sanierung des D-Flügels im Haus II der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel voranzutreiben, damit die unabhängig von Verlauf und Ergebnis der Prüfung benötigten Haftplatzreserven vorgehalten werden können. Zudem ist der offene Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor auszubauen und die dortigen Sanierungsmaßnahmen entsprechend fortzuführen. 9. In der Projekteinsetzungsverfügung zum Projekt Justizvollzug Hamburg 2020 (abrufbar im Transparenzportal Hamburg unter http://daten. transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice. GetRessource100/GetRessource100.svc/bb82395e-c016-4852-bf9e- Drucksache 21/8288 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 04f55cdaa584/Akte_T10.pdf) ist auf Seite 5 unter 5.1. für Mitte 2017 das „Vorliegen eines Zwischenberichts über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen , einschließlich einer Kostenschätzung“ vorgesehen. In welcher Form wird die Bürgerschaft über den Inhalt dieses Zwischenberichts informiert werden? Entsprechend der Projektstruktur wird das Projekt durch den Beirat beraten. Die Projektgruppe erhält hierdurch wertvolle Hinweise aus Wissenschaft und Praxis, die in die Arbeit der Projektgruppe einfließen. Im Rahmen der vertieften Prüfung wird der Beirat weiterhin regelmäßig beteiligt. Ebenso wird in den Sitzungen des Ausschusses für Justiz und Datenschutz über den Fortschritt des Projekts weiterhin berichtet werden. Ende 2017 sollen die gesamten Prüfungsergebnisse vorliegen. Im Übrigen Siehe Drs. 21/7435.