BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8362 21. Wahlperiode 24.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Richard Seelmaecker und Philipp Heißner (CDU) vom 16.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Wohin mit Hamburgs straffälligen Jugendlichen? Die Bremer Landesregierung hat überraschend bekannt gegeben, dass die von Hamburg und Bremen gemeinsam geplante Einrichtung für straffällige Jugendliche nicht weiterverfolgt wird. Die Einrichtung sollte mit intensivpädagogischem Ansatz als Alternative zur Untersuchungshaft für kriminelle Jugendliche dienen. Gebaut werden sollte die Einrichtung mit 32 Plätzen bis Ende 2017 auf einem ehemaligen Gefängnisgelände in Bremen. Die Bremer Sozialsenatorin hat nunmehr verkündet, dass kein Bedarf mehr an der Einrichtung bestehe. Laut der Bremer Senatorin kämen erheblich weniger minderjährige Flüchtlinge nach Bremen als prognostiziert, von denen sich nur etwa 5 Prozent strafbar machten. Zumindest aus Hamburger Sicht war bisher jedoch nicht diskutiert, diese Einrichtung besonders auf minderjährige Flüchtlinge auszurichten. Nicht bekannt ist die Position des Hamburger Senats zum plötzlichen Ende des gemeinsamen Projekts. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Hatte der Senat beziehungsweise hatten die zuständigen Behörden, insbesondere die Leitungen von Sozial- und Justizbehörde, Kenntnis davon, dass die Bremer Landesregierung das gemeinsame Projekt zur Einrichtung einer gemeinsamen Jugendhilfeeinrichtung verworfen hat, bevor die Bremer Landesregierung mit dieser Mitteilung am 15. März 2017 an die Öffentlichkeit getreten ist? Wenn ja, wann und wie wurden die Behördenleitungen über diese Absicht der Bremer Landesregierung informiert? Wenn nein, wie erklären sich Senat und Behördenleitungen, dass die Bremer Landesregierung ihre Absicht nicht vorher mit Hamburg abgestimmt hat? Ja, siehe Drs. 21/8343. 2. Sofern eine Abstimmung zwischen den Ländern über die Aufgabe der Planungen stattgefunden hat, in welchem Rahmen hat eine solche Abstimmung stattgefunden und inwiefern wurden die Hamburger Gegebenheiten berücksichtigt? Eine Abstimmung über die Aufgabe der Planungen hat nicht stattgefunden. Im Übrigen siehe Drs. 21/8343. 3. Welche Rechtsgrundlage haben die Bremer Landesregierung und der Hamburger Senat, zum Beispiel in Form eines Staatsvertrags, zwecks Errichtung der gemeinsamen Einrichtung vereinbart? Ist die Bremer Drucksache 21/8362 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Landesregierung nach Auffassung des Senats danach berechtigt, das Projekt nicht mehr durchzuführen? Woraus ergibt sich nach Auffassung des Senats ggf. die Rechtmäßigkeit? Die beiden Landesregierungen haben vereinbart, gemeinsam einen freien Träger mit der Errichtung der fakultativ geschlossenen Einrichtung zu beauftragen, weil beide Länder einen Bedarf an geschlossenen Plätzen festgestellt hatten. Im Übrigen siehe Drs. 21/8343. 4. Die Bremer Landesregierung behauptet, dass die gemeinsame Einrichtung angesichts der Zahlen zu kriminellen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht mehr erforderlich sei. Teilt der Senat beziehungsweise die sonst zuständige Stelle – unter Zugrundelegung der Hamburger Gegebenheiten mit Stand heute – diese Einschätzung und falls ja, aus welchen objektiven Gründen heraus? Siehe Drs. 21/8343. 5. Inwiefern hatte der Senat beziehungsweise die sonst zuständige Stelle die Errichtung der gemeinsamen Einrichtung bei der Planung zur Unterbringung krimineller Jugendlicher und minderjähriger Flüchtlinge bisher berücksichtigt und in Vertrauen auf die Durchführung des Projekts Vermögensdispositionen getroffen? Vermögensdispositionen, die sich einzig auf eine gemeinsame Einrichtung beider Länder beziehen, wurden nicht getroffen. Im Übrigen siehe Drs. 21/8343. 6. Welche Planungsänderungen werden dadurch, dass die Planungen für die gemeinsame Einrichtung verworfen wurden, für den Senat beziehungsweise die sonst zuständige Stelle erforderlich? Wo sollen potenzielle Betroffene alternativ untergebracht werden? Müssen insoweit zusätzliche Haushaltsmittel aufgewendet werden? Wenn ja, in welcher Höhe, wann und aus welcher Produktgruppe /welchem Aufgabenbereich? Siehe Drs. 21/8343 und 20/12994. 7. Wie viele Genehmigungen zur geschlossenen Unterbringung auf Basis des § 34 SGB VIII i.V.m. § 1631b BGB wurden zwischen 2013 und heute jeweils jährlich von Hamburger Familiengerichten erteilt? Bitte ohne Verweis auf andere Drucksachen angeben. Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 Anzahl Genehmigungen 6 4 3 4 - 8. Für wie viele Hamburger Kinder und Jugendliche insgesamt liegen aktuell Genehmigungen zur geschlossenen Unterbringung auf Basis des § 34 SGB VIII i.V.m. § 1631b BGB vor? Aktuell liegen für zwei Minderjährige Genehmigungen vor. 9. Wie viele Hamburger Kinder und Jugendliche, für die aktuell Genehmigungen zur geschlossenen Unterbringung auf Basis des § 34 SGB VIII i.V.m. § 1631b BGB vorliegen, können aufgrund fehlender Plätze in Einrichtungen anderer Bundesländer derzeit nicht untergebracht werden? a. Wo befinden sich diese Kinder und Jugendlichen zurzeit? Ein Minderjähriger kann derzeit nicht in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden. Er befindet sich in einer Inobhutnahmeeinrichtung. Eine zweite Minderjährige befindet sich in einer geschlossenen Einrichtung. b. Inwiefern sind diese Kinder und Jugendlichen bislang im Jahr 2015 strafrechtlich in Erscheinung getreten? Der Senat ist aus Gründen des Sozialdatenschutzes gemäß §§ 35 SGB I, 61 fortfolgende SGB VIII, 67 fortfolgende SGB X an der Beantwortung der Frage gehindert. Die Polizei hat in der Regel keine Kenntnis darüber, ob für ein verdächtiges Kind bezie- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8362 3 hungsweise einen verdächtigen Jugendlichen ein Unterbringungsbeschluss nach § 34 SGB VIII i.V.m. § 1631 b BGB besteht. Die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Informationen können deshalb vollständig nur durch einen Datenabgleich zwischen Jugendämtern und Polizei beschafft werden. Dazu müssten Sozialdaten der betroffenen Kinder und Jugendlichen von den Jugendämtern an die Polizei übermittelt werden . Hierfür fehlt es jedoch an der gemäß § 67 d Absatz 1 SGB X erforderlichen Übermittlungsbefugnis, da das SGB keine Übermittlungsbefugnis zur Beantwortung Parlamentarischer Anfragen enthält. 10. In der Drs. 20/12994 gab die zuständige Behörde an, dass sie für 2015 und die Folgejahre von einem Platzbedarf von circa zehn bis zwölf Neuaufnahmen pro Jahr ausginge. a. Hält sie an dieser Einschätzung fest? Falls nein, weshalb nicht? b. Wie schätzt die zuständige Behörde den Platzbedarf für 2017 und Folgejahre ein? Ja, siehe Drs. 21/4535.