BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8371 21. Wahlperiode 24.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt und Birgit Stöver (CDU) vom 17.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Gesundheitsversorgung von obdachlosen Menschen – Wird sie in Hamburg gewährleistet? Obdachlose Menschen sind aufgrund der harten Lebensbedingungen auf der Straße in der Regel sowohl physisch als auch psychisch einem erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt. Das ist auch einer der Gründe, warum sie im Verhältnis zu der restlichen Bevölkerung eine wesentlich geringere Lebenserwartung haben. Viele der obdachlosen Menschen leiden an einer oder mehreren chronischen Erkrankungen. Außerdem können sich durch die schlechten hygienischen Bedingungen auf der Straße auch parasitäre Erkrankungen wie Lausbefall oder Krätze schnell ausbreiten. Die Betroffenen scheuen sich jedoch häufig davor, vom medizinischen Regelversorgungssystem Gebrauch zu machen. Ob aus Scham, eingeschränkter Mobilität oder wegen fehlender Mittel für Zuzahlungen oder Rezeptgebühren – die Gründe sind mannigfaltig. Zwar gibt es in Hamburg niedrigschwellige Behandlungsangebote . Die bisher vorhandenen Strukturen sind jedoch durch die steigende Zahl der hilfesuchenden Menschen oft überlastet. Dadurch kommt es immer wieder zu Versorgungslücken, insbesondere am Abend und am Wochenende. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Grundsätzlich erhält jeder Mensch in Deutschland medizinische Versorgung. Auch für obdachlose Menschen ist die medizinische Versorgung über das Regelversorgungssystem vorgesehen. Menschen, die trotz Krankenversicherungspflicht keinen Krankenversicherungsschutz haben, können Hilfen im niedrigschwelligen Leistungssegment der medizinischen Hilfen in Hamburg erhalten. Dass obdachlose Menschen erhebliche Schwellenängste haben, Arztpraxen aufzusuchen , ein unterdurchschnittliches Krankheitsbewusstsein besteht und Leistungen häufig erst im äußersten Notfall in Anspruch genommen werden, ist jedoch bekannt. Gerade vor diesem Hintergrund wurden niedrigschwellige medizinische Hilfen in Hamburg eingerichtet, wie zum Beispiel Schwerpunktpraxen für wohnungslose Menschen , ärztliche Sprechstunden in Tagesaufenthaltsstätten und die Mobile Hilfe. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Menschen gelten derzeit in Hamburg als obdachlos? Siehe Drs. 21/4787. 2. Krankenversicherung: a) Wird erfasst, wie viele der obdachlosen Personen über die gesetzlichen Krankenkassen versichert sind? Drucksache 21/8371 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn ja, wie viele sind es? Wenn keine Erfassung stattfindet, warum nicht? Der für wohnungslose Menschen zuständigen Behörde liegen aktuell keine Erkenntnisse über den Krankenversicherungsstatus obdachlos in Hamburg lebender Menschen vor. Von den gesetzlichen Krankenkassen werden diese Daten statistisch nicht erfasst. b) Wie wird verfahren, wenn eine obdachlose Person zwar krankenversichert ist, jedoch nicht die Mittel für Rezeptgebühren oder andere Zuzahlungen für medizinische Leistungen aufbringen kann? Gesetzlich krankenversicherte Obdachlose können die Möglichkeit einer Zuzahlungsbefreiung nach § 62 SGB V durch die Krankenkasse nutzen. Nach § 62 Absatz 3 SGB V stellt die Krankenkasse dem Versicherten bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Bescheinigung über die Befreiung von Zuzahlungen aus. c) Woher können Menschen ohne Krankenversicherung notwendige Medikamente beziehen? Der Bezug von Medikamenten ist an rechtliche Vorgaben gebunden, die auch für Menschen ohne Krankenversicherung gelten. Im Einzelfall werden Medikamente im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung in Einrichtungen der Gesundheitshilfe für wohnungslose Menschen zur Verfügung gestellt. Im Übrigen siehe Drs. 20/1065 und Drs. 21/7173. 3. Stationäre Behandlung: a) Wie viele obdachlose Personen wurden im Jahr 2016 stationär im Krankenhaus behandelt? Wie viele waren davon Frauen, wie viele Männer? b) Wie lange dauerte dort jeweils der durchschnittliche Aufenthalt? Das Merkmal „ohne festen Wohnsitz“ wird in den Krankenhäusern nicht regelhaft erfasst. Von den befragten Hamburger Plankrankenhäusern haben zwölf Krankenhäuser für 2016 rund 630 Fälle gemeldet, dabei lagen für rund 500 Angaben zum Geschlecht vor. Rund 17,5 Prozent waren weiblich, 82,5 Prozent männlich. Die Verweildauern lagen bei den gemeldeten Fällen zwischen 1,5 und 20,8 Tagen. c) Wie viele Personen wurden im Jahr 2016 stationär in den speziell für Obdachlose vorgesehenen Einrichtungen behandelt? Wie viele waren davon Frauen, wie viele Männer? Die Krankenstube für obdachlose Menschen ist eine Einrichtung, die sowohl zur präventiven Behandlung von obdachlosen Menschen zur Vermeidung stationärer Versorgung im Krankenhaus als auch zur Nachbehandlung bei (frühzeitigen) Entlassungen aus dem Krankenhaus dient. Sie ersetzt jedoch in keinem Fall eine stationäre Versorgung im Krankenhaus, auf die auch obdachlose Menschen einen Anspruch haben, sondern ergänzt diese lediglich. 2016 wurden 134 Personen in der Krankenstube für obdachlose Menschen aufgenommen und behandelt, davon waren 121 Männer und 13 Frauen. Im Tuberkulose-Projekt (TBC-Projekt), das ebenfalls in der Krankenstube für obdachlose Menschen angesiedelt ist, wurden elf Männer erfolgreich betreut. Auch in dieses Projekt kann eine Aufnahme erst nach Abschluss der stationären Behandlung einer offenen TB im Krankenhaus erfolgen. d) Wie viele Plätze für eine stationäre Behandlung außerhalb von Krankenhäusern stehen derzeit für obdachlose Menschen in Hamburg zur Verfügung? Es stehen derzeit 14 Plätze für obdachlose Menschen in der Krankenstube für obdachlose Menschen zur Verfügung. Zusätzlich stehen in der Krankenstube vier Plätze für an Tuberkulose erkrankte Obdachlose bereit. e) Gibt es im Rahmen der stationären Behandlung außerhalb von Krankenhäusern Behandlungsangebote speziell für Frauen? Ist dort Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8371 3 eine Schwangerenberatung/medizinische Betreuung für obdachlose Frauen vorgesehen? Wie erfolgt die Betreuung obdachloser Frauen nach der Geburt? Frauen ohne festen Wohnsitz stehen die Gesundheitsversorgung des Regelsystems sowie die Krankenstube für obdachlose Menschen zur Verfügung. Im Übrigen siehe Drs. 20/1065 und 21/7173. f) Wie viele Personen wurden von diesen Einrichtungen abgewiesen? Wie viele waren davon Frauen, wie viele Männer? Aus welchen Gründen wurden sie jeweils abgewiesen? Im Jahr 2016 haben 111 Personen in der Krankenstube für obdachlose Menschen nach Aufnahme nachgesucht und konnten nicht aufgenommen werden, da keine freien Plätze zur Verfügung standen. Diesen Personen steht die Gesundheitsversorgung des Regelsystems zur Verfügung (siehe auch Drs. 21/7173). 4. Krankheiten: a) Welche Krankheiten sind derzeit in Hamburg meldepflichtig? Zu meldepflichtigen Krankheiten und Erregern vergleiche §§ 6, 7 und 34 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie Verordnung zur Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische Lage (IfSGMeldepflicht-Anpassungsverordnung – IfSGMeldAnpV) vom 18.03.2016. b) Sind dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde Fälle von parasitären Erkrankungen bei Obdachlosen bekannt? Wenn ja, welche und wie viele? (Bitte einzeln nach Art der Erkrankung und Zahl der Fälle auflisten.) Den Bezirken sind keine parasitären Erkrankungen in Gemeinschaftseinrichtungen für Obdachlose seit dem 1. Januar 2016 bekannt. Nach dem Infektionsschutzgesetz sind Einzelerkrankungen bei Obdachlosen dem Gesundheitsamt gegenüber nicht meldepflichtig . c) Welche sanitären und hygienischen Maßnahmen werden im Fall von parasitären Erkrankungen bei obdachlosen Menschen ergriffen, um eine Ausbreitung zu verhindern? Wird ein Wäschetausch (saubere Bekleidung, Bettwäsche und so weiter) durchgeführt? Nicht alle parasitären Erkrankungen (Parasitosen) sind direkt von Mensch zu Mensch übertragbar. In vielen Fällen werden sie unter anderem über kontaminierte Lebensmittel , Schmierinfektionen, Übertragung durch Insekten oder Baden in verseuchten Gewässern erworben. Vor einer Infektion schützen dann die allgemein empfohlenen Maßnahmen zur Hygiene bei sich selbst und im Umgang mit Lebensmitteln, aber auch entsprechende Verhaltensregeln in Endemiegebieten. Bezüglich des Umganges mit Krätzmilbenbefall als direkt von Mensch zu Mensch übertragbarer Parasitose in verschiedenen Settings berichtet das Robert Koch-Institut ausführlich auf seiner Webseite im Internet unter der Rubrik Infektionsschutz zum Beispiel unter dem nachfolgenden Link: http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/K/Kraetzemilben/Kraetzemilben.html?cms_box=1 &cms_current=Kr%C3%A4tzmilbenbefall+%28Skabies%29&cms_lv2=2393206. Dabei gelten in allen Gemeinschaftsunterkünften dieselben Anforderungen für die zu ergreifenden sanitären und hygienischen Maßnahmen. Im Übrigen siehe Drs. 20/1065. d) An welche Einrichtungen können Betroffene sich im Fall einer parasitären Erkrankung wenden? (Bitte die einzelnen Einrichtungen auflisten .) Leidet eine Person an Symptomen, die möglicherweise auf das Vorliegen einer Parasitose hindeuten können, so empfiehlt sich das Aufsuchen einer Ärztin oder eines Arztes, sowohl im niedergelassenen Bereich als auch insbesondere in den Schwer- Drucksache 21/8371 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 punktpraxen zur medizinischen Versorgung von wohnungslosen Menschen. Daneben können sich die Betroffenen an die Angebote zur ärztlichen Versorgung, die im Rahmen der Obdachlosenhilfe bestehen, wenden (siehe Drs. 20/1065).