BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8387 21. Wahlperiode 28.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jens Meyer (FDP) vom 20.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Wie steht es um den Denkmalschutz in Hamburg? In der Beratung des Kulturausschusses am 22. November 2016 ist deutlich geworden, dass die Novelle des Denkmalschutzgesetzes (Drs. 21/2656) zahlreiche gute Absichten enthält, die Umsetzung aber in Teilen problematisch ist. Beispielsweise hat die Entscheidung des Senats, die unter Denkmalschutz stehende Hochhausgruppe City-Hof abzureißen anstatt zu erhalten , demonstriert, wie gering der Stellenwert des Denkmalschutzes für den Senat ist. Auch der Umgang mit eventuell denkmalwürdigen Grabsteinen auf dem Ohlsdorfer Friedhof hat die Kluft zwischen politischem Anspruch im Denkmalschutzgesetz und den realen Möglichkeiten der zuständigen Behörde deutlich gemacht: Zwar ist das ehrenamtliche Engagement des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof sehr zu begrüßen. Aber die Tatsache, dass das zuständige Denkmalschutzamt es mit eigenen Mitteln nicht schafft, die hoheitliche Aufgabe des Denkmalschutzes der Grabsteine wahrzunehmen, verdeutlicht die Schwierigkeiten, die sich aus dem Denkmalschutzgesetz ergeben (Drs. 21/7296). Unklar ist unter anderem, auf welcher Grundlage der Senat Denkmäler als Denkmäler erfasst und schützt. In der Protokollerklärung PE 3-3.3.-4 zu den Haushaltsberatungen im Kulturausschuss am 9.9.16 teilte der Senat zur Definition eines Denkmal gemäß Kennzahl B_251_03_001 mit: „Die zugrunde liegende Definition von Denkmalen war und ist die im Denkmalschutzgesetz , Paragraf 4, vorgegebene.“1 In § 4 DSchG heißt es, ein Denkmal sind Baudenkmäler, Ensembles, Gartendenkmäler, Bodendenkmäler oder bewegliche Denkmäler, „deren Erhaltung wegen der geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Bedeutung oder zur Bewahrung charakteristischer Eigenheiten des Stadtbildes im öffentlichen Interesse liegt“. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wer entscheidet im Einzelnen über die Aufnahme eines Ensembles oder eines beweglichen, eines Bau-, Garten- oder Bodendenkmals als Denkmal im Sinne der oben genannten Kennzahl gemäß § 4 DSchG? Das Denkmalschutzamt entscheidet nach Überprüfung des Denkmalwertes über die Aufnahme eines Ensembles oder eines Baudenkmals, von Gartendenkmälern und sonstigen Freiflächen sowie beweglichen Denkmälern in die Denkmalliste. Über die Aufnahme eines Bodendenkmals in die Denkmalliste entscheidet das Archäologische Museum Hamburg nach Überprüfung des Denkmalwertes. 1 Stellungnahme des Kulturausschusses an den Haushaltsausschuss über die Drs. 21/5000, Protokollerklärung zur Produktgruppe 25103 Denkmalschutzamt. Drucksache 21/8387 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Welcher Veranlassung bedarf es, damit die zuständige Behörde ein Prüfverfahren für die Aufnahme eines Ensembles oder beweglichen, Bau-, Garten- oder Bodendenkmals in die Denkmalschutzliste einleitet? Zur Prüfung des Denkmalwertes durch das Denkmalschutzamt bedarf es keiner äußeren Veranlassung; das Denkmalschutzamt wird von Amts wegen tätig. In den meisten Fällen allerdings sind der Anlass für eine Prüfung Initiativen von Eigentümern, Architekten , Vereinen, Behörden, Vorgänge und Erkenntnisse im Rahmen von Planfeststellungsverfahren und Ähnliches. Das Gleiche gilt für Bodendenkmäler. 3. Gibt es für jedes mit der Kennzahl B_251_03_001 erfasste Denkmal eine Denkmalschutzwertbegründung, die fachlich und juristisch begründet , warum das jeweilige Denkmal ein Denkmal gemäß § 4 DSchG ist? Wenn ja: Sind diese öffentlich einsehbar? Wenn nein: Warum nicht und wie begründet der Senat gegenüber dem Eigentümer eines Denkmals die aus dem Denkmalschutzgesetz folgenden , ihm obliegenden Pflichten? Schriftliche Denkmalbegründungen werden laufend erstellt, regelhaft im Rahmen von neuen Unterschutzstellungen seit der Gesetzesnovelle 2013 sowie im Rahmen der allgemeinen Führung der Denkmalliste als auch aus konkretem Anlass (zum Beispiel in denkmalrechtlichen Genehmigungsverfahren). Bisher existiert nicht zu jedem in die Denkmalliste eingetragenen Denkmal eine Begründung des Denkmalwertes in Form eines Gutachtens. Begründungen des Denkmalwertes werden Verfahrensbeteiligten anlassgebunden oder auf Nachfrage zur Verfügung gestellt. Über die sich aus der Unterschutzstellung ergebenden generellen Pflichten wurden beziehungsweise werden alle Eigentümer im Rahmen der Mitteilung über die Eintragung informiert; dazu gehören auch Verweise auf weitere Informationen hierzu, insbesondere auf der Homepage des Denkmalschutzamtes. 4. Wird der Eigentümer eines Denkmals angehört, bevor sein Ensemble oder bewegliches, Bau-, Garten- oder Bodendenkmal unter Denkmalschutz gestellt wird? Welche Möglichkeiten hat der Eigentümer eines Denkmals, gegen diesen Akt vorzugehen? Der Eigentümer eines unbeweglichen Denkmals wird vor der Unterschutzstellung nicht angehört; Wesen und ausdrückliche Absicht des – heute in fast allen Ländern ausgeübten – Ipsa-lege-Prinzips ist es gerade, dass der Denkmalschutz unmittelbar durch das Gesetz begründet wird, wenn die gesetzlichen Kriterien erfüllt sind. Die Unterschutzstellung bedarf damit keines Verwaltungsaktes und somit auch keiner Anhörung. Der Eigentümer hat aber die Möglichkeit, per Feststellungsklage gegen die Eintragung in die Denkmalliste vorzugehen. Das Gleiche trifft auf Bodendenkmäler zu. Für bewegliche Denkmäler erfolgt bis heute die Unterschutzstellung gemäß § 5 DSchG per Verwaltungsakt, dem eine Anhörung vorausgeht. 5. Wie viele Widersprüche gegen die Unterschutzstellung eines Denkmals hat es seit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes gegeben? Bitte jahrweise aufschlüsseln. Es gab 27 Widersprüche im Jahre 2013 und zwei im Jahre 2014. Da nach der Gesetzesnovelle ein förmlicher Widerspruch im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes gegen die Denkmaleintragung unzulässig ist, wurden dagegen keine Klagen eingereicht. 6. Wie viele Klagen gegen die Unterschutzstellung eines Denkmals hat es seit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes gegeben? Bitte jahrweise aufschlüsseln. Gegen die Unterschutzstellung sind Feststellungsklagen möglich. Seit der Gesetzesnovelle wurden folgende Klagen eingereicht: 2013: zwei Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8387 3 2014: drei 2015: eine 2016: drei 2017: keine 7. Wie viele Denkmäler sind seit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes aus der Liste der Denkmäler gelöscht worden, weil der Eigentümer selbstständig Veränderungen vorgenommen hat? Bitte jahrweise aufschlüsseln . Seit dem 1. Mai 2013 sind 41 Baudenkmale oder Ensembles aufgrund des Verlustes der Denkmaleigenschaft aus der Denkmalliste gelöscht worden (Aufschlüsselung siehe unten); der Verlust der Denkmaleigenschaft erfolgte in der Regel vor Inkrafttreten des neuen Denkmalschutzgesetzes. Dem Denkmalschutzamt liegen keine verlässlichen Erkenntnisse darüber vor, in wie vielen Fällen der Verlust des Denkmalwertes darauf zurückzuführen ist, dass der Eigentümer eigenmächtig, das heißt ohne Beteiligung des Denkmalschutzamtes, Veränderungen vorgenommen hat. Löschungen aufgrund des Verlustes der Denkmaleigenschaft: 2013: 14 2014: zehn 2015: acht 2016: neun 2017: keine 8. Welche Sanktionen kann die zuständige Behörde gegen einen Eigentümer eines Denkmals verhängen, der selbstständig Veränderungen an seinem Denkmal vornimmt, die zu einer Aufhebung des Denkmalschutzes führen können? Diese ergeben sich aus dem Hamburgischen Denkmalschutzgesetz vom 5. April 2013. In § 13 DSchG ist die Möglichkeit der Wiederherstellungsanordnung bei ungenehmigten Veränderungen geregelt und in § 27 DSchG die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens . 9. Wie oft ist die achtwöchige Frist für die zuständige Behörde, um Anträge von Eigentümern eines Denkmals auf Veränderungen zu prüfen, nicht eingehalten worden, sodass Genehmigungsfiktion eingetreten ist? Bitte jahrweise seit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes angeben. Diese Daten werden nicht statistisch erfasst und sind im Rahmen einer Parlamentarischen Anfrage nicht zu ermitteln, da pro Jahr etwa 1.200 Einzelakten zu sichten wären. Für das Jahr 2016 ist geschätzt von etwa fünf Fällen auszugehen. 10. In welcher Form kommt das Denkmalschutzamt seinem Auftrag nach, die Verbreitung des Denkmalgedankens und des Wissens über Denkmäler in der Öffentlichkeit zu stärken? Öffentlichkeitsarbeit bildet einen wesentlichen Bestandteil der Tätigkeit des Denkmalschutzamtes , der im Tagesgeschäft laufend in Form von Kommunikation, von Information und Beratung der Eigentümer und Architekten und anderen integriert ist. Darüber hinaus wendet sich das Denkmalschutzamt schwerpunktmäßig mit folgenden Formaten an die Öffentlichkeit: Aktuelle Presse: Beiträge und Interviews (Printmedien und Funk/Fernsehen) Publikationen: Veröffentlichungen des Denkmalschutzamtes (Reihen, Faltblätter) Beiträge in Fachzeitschriften und Zeitungen Drucksache 21/8387 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Faltblätter Tafelprogramme: Sogenannte Blaue Tafeln (Erläuterung des Denkmalwertes von Gebäuden und Anlagen) Sogenannte Schwarze Tafeln (für Stätten der Verfolgung und des Widerstands) Veranstaltungen: Tag des offenen Denkmals Tag der Denkmalpflege Denkmalsalon „Werkstattgespräche“ (Veranstaltungsreihe des Denkmalschutzamtes) „Weiterbauen“ (Veranstaltungsreihe Denkmalschutzamt – Bund Deutscher Architekten ) Informationsveranstaltungen (zum Beispiel Bürgerveranstaltungen, Podiumsdiskussionen ) Ausstellungen Tagungen Projekte an Schulen (siehe Antwort zu 11.). 11. Wird der Denkmalgedanke an den Schulen vermittelt? a. Wenn ja: auf welche Weise (in welchen Jahrgangsstufen und an welchen Schulformen et cetera)? Handelt es sich um verbindliche Unterrichtsinhalte? b. Wenn nein: warum nicht? An Schulen wird der Denkmalgedanke vermittelt, indem sich Schülerinnen und Schüler mit Denkmalen als außerschulischen Lernorten innerhalb und außerhalb Hamburgs im Rahmen des Unterrichts verschiedener Fächer (insbesondere Geschichte, Religion, Bildende Kunst, PGW, Fremdsprachen) sowie bei Exkursionen, Klassenreisen et cetera auseinandersetzen. Der Besuch von Denkmalen als außerschulischen Lernorten ist grundsätzlich in allen Schulformen und Jahrgangsstufen möglich. Über die Nutzung außerschulischer Lernorte entscheiden die Schulen im Rahmen ihrer schulischen Selbstverantwortung. Explizit verankert ist die Auseinandersetzung mit Denkmalen zum Beispiel in den Rahmenplänen Geschichte, Sekundarstufe I, des Gymnasiums beziehungsweise Jahrgangsstufen 5 bis 11 der Stadtteilschule (siehe www.hamburg.de/ bildungsplaene). Hier ist die Untersuchung von Denkmalen als Beispielen für Darstellungen und Erscheinungsformen der Geschichtskultur im Blick auf zugrundeliegende Perspektiven, Wertungen und Absichten explizit genannt. Darüber hinaus macht die für Bildung zuständige Behörde die Schulen regelmäßig auf das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz „denkmal aktiv“ aufmerksam (siehe http://denkmal-aktiv.de/) und wirbt für eine Teilnahme an dem von der Stiftung ausgeschriebenen Programm. Das Denkmalschutzamt kooperiert mit einigen Schulen, die zum Beispiel in Form von Einzelprojekten denkmalfachliche Themen behandeln. 12. Wie ist der jeweilige Zustand der Denkmäler gemäß Kennzahl B_251_03_001? Wird der Zustand jedes Denkmals regelhaft individuell erfasst? Wenn nein: Wie stellt der Senat sicher, dass die hoheitliche Aufgabe des Denkmalschutzes für jedes offiziell erfasste Denkmal gewährleistet ist? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8387 5 Bei circa 12.300 Denkmalobjekten ist eine regelhafte Zustandsüberprüfung nicht leistbar . Im Rahmen der inzwischen über 1.200 jährlich anfallenden denkmalrechtlichen Genehmigungen werden aber allein schon dadurch jedes Jahr etwa 10 Prozent des Denkmalbestandes in ihrem Zustand wahrgenommen. Weitere Erkenntnisse ergeben sich im Rahmen laufender Ortsbesichtigungen etwa aus Anlass der Beteiligung in förmlichen Planverfahren. Hinzu kommen Hinweise aus der Bevölkerung. Im Übrigen sind die Verfügungsberechtigten gemäß § 7 Absatz 4 DSchG verpflichtet, das Auftreten offenkundiger Mängel anzuzeigen, welche die Erhaltung des Denkmals gefährden. 13. Was unternimmt der Senat, wenn sich der Zustand eines Denkmals derart verschlechtert, dass es in seinem Bestand gefährdet ist? Gemäß § 7 Absatz 6 DSchG können die Verfügungsberechtigten durch die zuständige Behörde verpflichtet werden, bestimmte Maßnahmen zur Erhaltung des Denkmals durchzuführen. Kommen die Verfügungsberechtigten ihrer Verpflichtung nicht nach, kann die zuständige Behörde die gebotenen Maßnahmen selbst durchführen oder durchführen lassen. Die Kosten der Maßnahmen tragen im Rahmen des Zumutbaren die Verfügungsberechtigten. Mieterinnen und Mieter, Pächterinnen und Pächter sowie sonstige Nutzungsberechtigte haben die Durchführung der Maßnahmen zu dulden. Kommen Verfügungsberechtigte ihren Verpflichtungen zu Erhaltung, Schutz und Instandsetzung beziehungsweise zur Anzeige von die Erhaltung gefährdenden Mängeln nicht nach, kann dies ferner als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet werden.