BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8422 21. Wahlperiode 28.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt und Karin Prien (CDU) vom 22.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Ausbildungsreife nach der Stadtteilschule – Fehlanzeige? Aus dem „Gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm 2015–2020 der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, der Agentur für Arbeit Hamburg und des Jobcenters team.arbeit.hamburg“ (Drs. 21/7483) geht hervor, dass im Jahr 2016 nach Klasse 9 und 10 von den insgesamt 9.253 Schülerinnen und Schülern aus den Stadtteilschulen 55 Prozent (5.131) abgegangen seien. 45 Prozent (4.122) haben eine weiterführende Schule besucht, 34,6 Prozent (1.777) eine ungeförderte oder geförderte Ausbildung begonnen und 39 Prozent (2.000) seien in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen gegangen. Weiterhin heißt es in dem Programm: „Auch wenn das Übergangssystem in den vergangenen Jahren bereits deutlich reduziert worden ist, bedarf weiterhin ein erheblicher Teil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger aufgrund individueller schulischer oder sonstiger Vermittlungshemmnisse einer gezielten arbeitsmarktpolitischen Förderung, um anschließend einen Ausbildungsplatz zu erlangen.“ Im Februar dieses Jahres waren bei der Agentur für Arbeit Hamburg 8.425 offene Lehrstellen gemeldet. Da freie Lehrstellen nicht meldepflichtig sind, ist von einem noch höheren Bedarf auszugehen. Insofern ist die Tatsache, dass mindestens 2.000 junge Menschen nach ihrer Schulausbildung nicht in der Lage sind, eine Ausbildung zu beginnen, ein alarmierendes Signal. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Seit Gründung der Jugendberufsagentur im Jahr 2012 werden die Abgängerinnen und Abgänger der Klassen 9 und 10 aus Stadtteilschulen, Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ, ehemalige Förderschulen) sowie aus staatlich anerkannten Schulen in privater Trägerschaft beim Übergang von der Schule in Ausbildung systematisch begleitet und unterstützt. Der Verbleib aller Schulabgänger wird gesichert, damit Unterstützung gezielt dort angeboten werden kann, wo sie gebraucht wird. Die durch die Fragestellerin zitierten 5.131 Schulabgängerinnen und -abgänger kamen nicht nur aus Stadtteilschulen, sondern 339 hatten zuvor ein ReBBZ, 4.468 eine staatliche Stadtteilschule und 324 eine staatlich anerkannte Schule in privater Trägerschaft besucht. Nach langjähriger Erfahrung der für Bildung zuständigen Behörde sind darunter im Jahresmittel rund 800 Jugendliche aus Stadtteilschulen, ReBBZ und staatlich anerkannten Schulen in privater Trägerschaft, bei denen ein spezieller sonderpädagogischer Förderbedarf oder ein Förderschwerpunkt Lernen, Sprache sowie soziale und emotionale Entwicklung (LSE) nachgewiesen worden ist. Der im „Gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm 2015 – 2020 der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, der Agentur für Arbeit Hamburg und des Jobcenters team.arbeit.hamburg“ (Drs. 21/7483) aufgeführte Hinweis, dass ein erheblicher Teil der jungen Menschen weiteren Unterstützungsbedarf habe, bezieht sich des Weiteren Drucksache 21/8422 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 auf Jugendliche, die die allgemeinbildende Schule ohne Schulabschuss verlassen, die aufgrund komplexer (familiärer) Problemlagen nicht in der Lage sind, sich auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz und die Aufnahme einer Ausbildung zu konzentrieren , nicht in allen Punkten den Anforderungen der Unternehmen entsprechen (Schulnoten, Sozialverhalten), die nicht berufswahlentschieden sind und deren Ausbildungswünsche nicht zu den nachgewiesenen schulischen Leistungen passen, oder bei denen erst im Vermittlungsprozess gesundheitsbedingte Probleme deutlich werden , die einen direkten Übergang in eine betriebliche Ausbildung verhindern. In gemeinsamer Anstrengung der Partner der Jugendberufsagentur, der allgemeinbildenden und der berufsbildenden Schulen sind mehrere Maßnahmen getroffen worden , um diese Vermittlungshemmnisse zu beseitigen. Die Berufs- und Studienorientierung (BOSO) an Stadtteilschulen wurde systematisch verankert und intensiviert. Hierbei werden die Schulen durch die „Servicestelle BOSO: Berufs- und Studienorientierung für Hamburg“ bei der Umsetzung ihrer schuleigenen BOSO-Konzepte unterstützt und zusätzliche außerschulische Angebote der vertieften Berufsorientierung angeboten . Die Schülerinnen und Schüler werden individuell im Rahmen der BOSO begleitet. Die Auswahl der verpflichtenden beruflichen Praktika findet ebenfalls unter diesen Aspekten statt. Die Eltern werden im Rahmen der Lernentwicklungsgespräche systematisch in diesen Prozess einbezogen. Die Beratung der Jugendberufsagentur wurde vor Ort an Schulen intensiviert: Die schulischen BOSO-Teams, zu denen zwei Mitarbeitende der Jugendberufsagentur gehören, organisieren systematisch das Übergangsmanagement und berücksichtigen in ihrem Beratungsangebot insbesondere die Bedarfe der jeweiligen Jugendlichen. Bei Bedarf wird hierbei auch ab Klasse 9 die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit systematisch beteiligt, um entsprechende Fördermaßnahmen frühzeitig und langfristig planen zu können. Diese präventiven Maßnahmen führen insgesamt zu einem Abbau von Vermittlungshemmnissen. Seit Einführung der Jugendberufsagentur und Einführung der verbindlichen Berufsund Studienorientierung (BOSO) ist die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger , die direkt nach Klasse 10 in eine Ausbildung übergehen, deutlich gestiegen. Waren dies im Jahr 2012 noch 1.338 Jugendliche (25,2 Prozent der Schulabgänger), so stieg diese Übergangsquote nach Einführung der Maßnahmen erheblich an und bewegt sich seit 2013 bei rund 35 Prozent. Im Jahr 2016 konnten 1.777 Jugendliche nach Klasse 10 im ersten Anlauf direkt nach der Schule einen Ausbildungsplatz bekommen, das sind 34,68 Prozent aller 5.131 Schulabgänger nach Klasse 10 (siehe hierzu Drs. 21/7734). Die durch die Fragestellerin angeführten 2.000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz, die nach Klasse 9 beziehungsweise 10 die allgemeinbildenden Schulen verlassen haben, sind in der Regel noch nicht berufswahlentschiedenen und weisen teilweise potenzielle oben genannte Vermittlungshemmnisse auf. Diese Schülerinnen und Schüler setzen ihre Schulausbildung im Rahmen der Erfüllung der Schulpflicht an berufsbildenden Schulen in der dualisierten Ausbildungsvorbereitung (AvDual) oder als schulpflichtersetzendes Angebot an Produktionsschulen fort. Mit AvDual und den Produktionsschulen gibt es in Hamburg zwei parallele Angebote mit sich ergänzenden pädagogischen Konzepten. Ziel ist es, den Jugendlichen durch praktische betriebliche Arbeitsphasen und die Begleitung durch Mentorinnen und Mentoren die Möglichkeit zu geben, sich beruflich zu orientieren und den Weg in eine Ausbildung vorzubereiten. Nach Beendigung ihrer Schulausbildung wechselten über zwei Drittel des Abgangsjahres 2015 in Ausbildung oder Beschäftigung (siehe dazu Drs. 21/7734). Nach Beendigung der Schulpflicht werden den nicht vermittelten jungen Erwachsenen gezielte arbeitsmarktpolitische Förderangebote gemacht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele der 9.253 Schülerinnen und Schüler gingen nach Klasse 9 und wie viele nach Klasse 10 ab? Bitte jeweils unter Angabe des Alters und des Geschlechts auflisten. Von 9.253 Schülerinnen und Schülern gingen insgesamt 5.131 Schülerinnen und Schüler ab, davon 89 Schülerinnen und Schüler nach Klassenstufe 9 und 5.042 Schülerinnen und Schüler nach Klassenstufe 10. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8422 3 Von den 89 Schulabgängern nach Klassenstufe 9 waren 35 Schülerinnen und 54 Schüler. Abgänger nach Klassenstufe 9: Schülerinnen Alter 15 16 17 18 20 Anzahl 5 12 13 4 1 Schüler Alter 15 16 17 18 Anzahl 9 23 17 5 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung Von den 5.042 Schulabgängern nach Klassenstufe 10 waren 2.238 Schülerinnen und 2.804 Schüler. Abgänger nach Klassenstufe 10: Schülerinnen Alter 14 15 16 17 18 19 20 22 Anzahl 1 40 1.151 812 197 30 5 2 Schüler Alter 15 16 17 18 19 20 21 27 Anzahl 30 1.385 1.084 269 30 4 1 1 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung 2. Wie viele begannen eine ungeförderte Ausbildung? Bitte nach Schulabgängern nach Klasse 9 und nach Klasse 10 unter Angabe des Alters und des Geschlechts auflisten. Nach Klasse 9 begannen 34 Schulabgänger eine ungeförderte betriebliche Ausbildung , davon 13 Schülerinnen und 21 Schüler. Schulabgänger nach Klasse 9/Übergänge in betriebliche Ausbildung: Schülerinnen Alter 15 16 17 Anzahl 4 7 2 Schüler Alter 15 16 17 Anzahl 5 13 3 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung Nach Klasse 10 begannen 1.160 Schulabgänger eine ungeförderte betriebliche Ausbildung , davon 437 Schülerinnen und 723 Schüler. Schulabgänger nach Klasse 10/Übergänge in betriebliche Ausbildung: Schülerinnen Alter 15 16 17 18 19 20 Anzahl 6 243 145 36 5 2 Schüler Alter 15 16 17 18 19 27 Anzahl 7 404 266 41 4 1 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung 3. Wie viele begannen eine geförderte Ausbildung? Bitte nach Schulabgängern nach Klasse 9 und nach Klasse 10 unter Angabe des Alters und des Geschlechts auflisten. Wo begannen sie jeweils die geförderte Ausbildung ? Wie sieht die Förderung im Einzelnen aus? Drucksache 21/8422 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Nach Klasse 9 begann keine Schülerin und kein Schüler eine geförderte Ausbildung. Nach Klasse 10 begannen 47 Schulabgänger eine geförderte Ausbildung, davon 17 Schülerinnen und 30 Schüler. Schulabgänger nach Klasse 10/Übergänge in geförderte Ausbildung: Schülerinnen Alter 16 17 18 Anzahl 5 6 6 Schüler Alter 16 17 18 Anzahl 12 13 5 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung Zur Art der jeweiligen Fördermaßnahme konnten in der zur Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit keine Angaben gemacht werden. 4. Wie viele der 2.000 Schüler, die in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen gegangen sind, sind nach Klasse 9 und wie viele nach Klasse 10 abgegangen (bitte jeweils unter Angabe des Alters und des Geschlechts auflisten)? Nach Klassenstufe 9 gingen 37 Schülerinnen und Schüler in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, davon zwölf Schülerinnen und 25 Schüler. Übergänge in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen nach Klasse 9: Schülerinnen Alter 15 16 17 Anzahl 1 4 7 Schüler Alter 15 16 17 18 Anzahl 3 8 11 3 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung Nach Klassenstufe 10 gingen 1.963 Schülerinnen und Schüler in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, davon 788 Schülerinnen und 1.175 Schüler. Übergänge in ausbildungsvorbereitende Maßnahmen nach Klasse 10: Schülerinnen Alter 14 15 16 17 18 Anzahl 1 11 470 292 14 Schüler Alter 15 16 17 18 19 Anzahl 13 678 458 25 1 Quelle: Verbleibstatistik 2016 der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur am Hamburger Institut für Berufliche Bildung 5. Wie viele der 2.000 Schüler besuchten jeweils welche ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen? Bitte Laufzeit, Ziel, Träger und Kosten der jeweiligen ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen mit angeben. Von den 2.000 noch schulpflichtigen Schulabgängern besuchten 1.812 Schülerinnen und Schüler die dualisierte Ausbildungsvorbereitung (AvDual) und 188 Schülerinnen und Schüler die Produktionsschule. Zu den Zielen von AvDual siehe Drs. 19/8472 sowie Drs. 20/6934. Die Laufzeit beträgt in der Regel ein Jahr; unterjährige Übergänge in Ausbildung sind möglich. AvDual ist ein Bildungsangebot der staatlichen berufsbildenden Schulen. Der Schülerjahreskostensatz für einen AvDual-Schüler beträgt für das Jahr 2016 9.225 Euro. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8422 5 Zu der Laufzeit und den Zielen der Produktionsschule siehe Drs. 19/2928 sowie Drs. 21/7514. Zu den Trägern siehe die Publikation des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung „Berufliche Bildungswege 2017“ (online: http://hibb.hamburg.de/2017/01/01/ berufliche-bildungswege-2017/), zu den Kosten siehe Drs. 19/2928 sowie Drs. 21/2788. 6. Worin bestehen die in Drs. 21/7483 genannten Vermittlungshemmnisse, die es offenbar unmöglich machen, unmittelbar nach dem Schulbesuch mit einer ungeförderten Ausbildung zu beginnen? 7. Werden während der Schulzeit bereits Vorkehrungen getroffen, um die jeweiligen Vermittlungshemmnisse bis zum Ende der schulischen Ausbildung zu beheben? Wenn ja, bitte erläutern, wie diese Vorkehrungen aussehen. Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung.