BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8426 21. Wahlperiode 28.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 22.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Quereinsteiger in den Hamburger Schuldienst – Lehrermangel auch in Hamburg? Seit einigen Jahren wird in vielen Regionen Deutschlands der Nachwuchs an qualifizierten Lehrkräften knapp. Besonders dramatisch stellt sich der Mangel an Lehrkräften im Bereich der Berufsschulen dar.1 Laut einer Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK) sind in Hamburg im Jahr 2015 insgesamt 23 Stellen durch „Seiteneinsteiger“ besetzt worden.2 Allerdings stellt sich hier die Frage, wie „Seiteneinsteiger“ in dieser Statistik definiert werden. In vielen Bundesländern werden mittlerweile in nennenswertem Umfang Quereinsteiger in den Schuldienst übernommen. Diese haben zwar ein Hochschulstudium in einem oder mehreren Fächern absolviert, aber keine Fachdidaktik studiert. In bestimmten Ausnahmefällen mag diese Praxis gerechtfertigt sein, aber sie stellt keine dauerhafte Lösung dar. Vor allem muss in solchen Fällen besonders darauf geachtet werden, dass diese angehenden Lehrer eine umfangreiche pädagogische Aus- und Fortbildung erhalten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Stellen für Lehrkräfte an staatlichen Schulen sind derzeit vorgesehen ? Wie viele hiervon sind besetzt und wie viele sind unbesetzt? Bitte jeweils nach Schulform aufschlüsseln. Lehrerstellenbedarf zum 01.02.2017 Grundschulen  (PG 241.01)  Sonderschulen  (PG 241.02)  Stadtteilschulen  (PG 241.03)  Gymnasien  (PG 241.04)  Berufliche Schulen (PG 241.05) 4.074,9 Stellen  782,7 Stellen  4.821,5 Stellen  3.512,1 Stellen  2.540 Stellen Quelle: Daten der zuständigen Behörde, PG = Produktgruppe Schulische Bedarfe, die nicht unmittelbar durch eigenes Personal gedeckt sind, werden durch entsprechende Mittelzuweisungen an die schulischen Vertretungsbudgets gedeckt. 1 Vergleiche zum Beispiel: https://www.studis-online.de/Studieren/art-1896-chance-berufsschullehramt .php. 2 https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/EVL2015_Tabellenaus zug.pdf. Drucksache 21/8426 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele Lehrkräfte sind derzeit bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt? Bitte nach Schulform aufschlüsseln. 3. Wie viele davon sind befristet angestellt, wie viele unbefristet? Von 21.097 Beschäftigungsverhältnissen (Lehrkräfte) sind 19.478 unbefristet (92,3 Prozent) und 1.619 befristet (7,7 Prozent). Im Übrigen siehe Drs. 21/7919. 4. Welche Gründe liegen für die Be- oder Entfristungen vor? Siehe Drs. 21/7919. 5. Welches durchschnittliche Alter haben die Lehrkräfte? Bitte für jede Schulform einzeln angeben. Altersdurchschnitt der Lehrkräfte an staatlichen Schulen (Stand: 12/2016) Grundschulen 43,98 Sonderschulen 46,55 Gymnasien 43,40 Stadtteilschulen 42,37 Berufliche Schulen 48,35 Gesamt 44,12 Quelle: Daten der zuständigen Behörde 6. Welche mittel- bis langfristigen Bedarfe für Lehrkräfte ergeben sich hieraus ? Bitte für jede Schulform einzeln angeben. Einstellungsbedarfe für Lehrkräfte hängen nicht nur vom Alter des Bestandspersonals ab, sondern auch von Schülerzahlen und anderen Bedarfsentwicklungen. Der für die Einzelschule errechnete Bedarf wird entsprechend den Bedarfsgrundlagen den Schulen zugewiesen. Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen wird bei angenommenen gleichbleibenden Schülerzahlen mit einem jährlichen Einstellungsbedarf von rund 200 bis 230 Lehrkräften (Vollzeitäquivalente – VZÄ) bis 2020 gerechnet (Bedarfsprognose, Stand Februar 2016). Im Bereich der berufsbildenden Schulen des HIBB wird bei angenommenen gleichbleibenden Schülerzahlen mit einem jährlichen Einstellungsbedarf von rund 65 bis 75 Lehrkräften (VZÄ) gerechnet.  7. In welchen Fächern kann zurzeit kein Unterricht durch hochschulisch qualifizierte beziehungsweise grundständige Lehrkräfte im vollen, vorgesehenen Umfang erteilt werden aufgrund von Fachlehrer-Mangel? Grundsätzlich werden nur Personen mit Hochschulstudium eingestellt. Einzige Ausnahme stellt das Fach Darstellendes Spiel/Theater dar. Hier werden auch erfahrene Praktiker (Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen) eingesetzt, um den Unterricht zu erteilen. 8. Wie definiert der Senat Quereinsteiger/Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf ? Ein Quereinstieg ist der Zugang in den Hamburger Schuldienst durch das Absolvieren des Vorbereitungsdienstes nach abgeschlossenem Masterstudium. Unter Seiteneinstieg wird der direkte Einstieg in den Hamburger Schuldienst nach abgeschlossenem Masterstudium verstanden (ohne Vorbereitungsdienst). 9. Wie definiert die KMK Quereinsteiger? Gibt es hierzu länderübergreifende Vorgaben? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8426 3 Die Länder verwenden keine einheitlichen Bezeichnungen. Die KMK spricht daher von Sondermaßnahmen, siehe „Gestaltung von Sondermaßnahmen zur Gewinnung von Lehrkräften zur Unterrichtsversorgung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 05.12.2013)“: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2013/2013_1 2_05-Gestaltung-von-Sondermassnahmen-Lehrkraefte.pdf. 10. Muss ein Quereinsteiger in jedem Fall den für alle angehenden Lehrer vorgesehenen Vorbereitungsdienst (Referendariat) absolvieren? Ja, ein Quereinsteiger oder eine Quereinsteigerin muss den Vorbereitungsdienst absolvieren, im Übrigen siehe Antwort zu 8. a. Wenn ja: Gibt es Abweichungen im Programm für Quereinsteiger? Bitte erläutern. Nein. b. Wenn nein: warum nicht? Wie wird dann die Qualifizierung sichergestellt ? Entfällt. 11. Welche Voraussetzungen/Kriterien müssen erfüllt sein, um in den Vorbereitungsdienst aufgenommen zu werden? In der Regel ist das abgeschlossene Lehramtsstudium die Voraussetzung für den Eintritt in den Hamburger Vorbereitungsdienst. Ein Quereinstieg in den Hamburger Vorbereitungsdienst ist für alle Schulformen übergreifend grundsätzlich nur in Mangelfächern möglich. Von einem Mangelfach kann nur gesprochen werden, wenn für dieses Fach weniger Bewerbungen von Personen mit abgeschlossenem grundständigem Studium (Master, erstes Staatsexamen) für den Vorbereitungsdienst eingehen als Plätze zur Verfügung gestellt wurden. Für welche Fächer der Quereinstieg möglich ist, wird auf der Homepage der BSB veröffentlicht. Folgende Voraussetzungen gelten für einen Quereinstieg an Gymnasien: ein Universitätsabschluss (Master beziehungsweise Diplom) in Physik oder ein Universitätsdiplom in den physikalischen Fachrichtungen Meteorologie, Ozeanographie und Geophysik, bevorzugt mit dem Nebenfach Mathematik oder Informatik , in jedem Fall mit einem aus dem Studium generierbaren zweiten Unterrichtsfach neben Physik, ein Universitätsabschluss (Master oder Diplom) in Informatik, bevorzugt mit dem Nebenfach Mathematik, in jedem Fall mit einem aus dem Studium generierbaren zweiten Unterrichtsfach neben Informatik, Berufserfahrung in der studierten Fachrichtung nach Studienabschluss, Unterrichtserfahrung (zum Beispiel über Lehraufträge, Tätigkeiten in der Ausbildung , Hospitationen und so weiter), Alter bis maximal 42 Jahre. Folgende Voraussetzungen gelten für einen Quereinstieg an beruflichen Schulen: Master beziehungsweise Diplom von einer Universität in der entsprechenden Fachrichtung, Berufserfahrung in der studierten Fachrichtung nach Studienabschluss, Unterrichtserfahrung (zum Beispiel über Lehraufträge, Tätigkeiten in der Ausbildung und so weiter), Generierbarkeit eines allgemeinbildenden Unterrichtsfaches aus dem Studium heraus – also ein zweites Fach neben der beruflichen Fachrichtung, wie zum Beispiel Mathematik oder Physik bei Ingenieuren, Alter bis maximal 42 Jahre. Drucksache 21/8426 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn die formalen Voraussetzungen für einen Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst vorliegen, wird in einem zweiten Schritt vom Landesinstitut für Lehrerbildung – Abteilung Ausbildung – die pädagogische Eignung durch ein Eignungsgespräch unter Beteiligung der Abteilungs- und Fachseminarleitung überprüft. 12. Werden Quereinsteiger auch verbeamtet? Wie werden Quereinsteiger besoldet im Vergleich zu den übrigen angehenden Lehrkräften? Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im Vorbereitungsdienst absolvieren diesen als Beamte auf Widerruf. Sie haben somit denselben Status wie alle anderen angehenden Lehrkräfte mit Lehramtsausbildung. Sie erhalten demgemäß auch die gleichen Anwärterbezüge gemäß § 67 Hamburgisches Besoldungsgesetz (HmbBesG). 13. In welchem Umfang müssen Quereinsteiger eigenverantwortlich unterrichten ? Welche Unterschiede bestehen hier zu den übrigen angehenden Lehrern? Quereinsteiger müssen im Vorbereitungsdienst im gleichen Umfang wie alle anderen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst eigenverantwortlich unterrichten. Der Umfang beträgt jeweils zehn Wochenstunden in drei Ausbildungshalbjahren. 14. Gibt es für Quereinsteiger besondere Mentoren-Modelle? Wenn nein: Ist beabsichtigt, diese einzuführen? Für die Ausbildungsgestaltung insgesamt siehe Antwort zu 10.a. Darüber hinaus wird am sogenannten Fachkompakttag zu Beginn der Ausbildung (Zeitumfang sechs Stunden) für die Gruppe der Quereinsteiger ein besonderes Augenmerk auf das Feld der Unterrichtsplanung gerichtet. Es werden außerdem zurzeit alle Quereinsteiger eines Faches in einer Fachseminargruppe geführt. Die begleitenden Fachseminarleitungen sind hierin besonders erfahren und sensibilisiert. 15. Wie viele Quereinsteiger in den Hamburger Schuldienst (nach Definition des Senats) hat es in den Jahren 2015 und 2016 jeweils gegeben? Bitte nach Schulform sowie nach Fächern aufschlüsseln. 16. Wie viele Quereinsteiger 2016 in den Hamburger Schuldienst (hier: Personen mit Hochschulabschluss, aber ohne Studium im Bereich Fachdidaktik ) hat es in den Jahren 2015 und 2016 jeweils gegeben? Bitte nach Schulform sowie nach Fächern aufschlüsseln. In den allgemeinbildende Schulen gab es 2015 15 Quereinsteiger, 2016 waren es 22 Quereinsteiger. In den berufliche Schulen gab es 2015 und 2016 jeweils sechs Quereinsteiger. Einstellung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in den hamburgischen Schuldienst 2015 – 2016; hier: Schulform/Fächer Fächer Grundschulen Stadtteilschulen Gymnasien Berufliche Schulen Bautechnik 1 Biologie 1 1 1 Chemie, allgemeinbildende Schule 2 1 Chemietechnik 1 Deutsch 5 5 4 2 Elektrotechnik 1 Englisch 2 5 2 Erdkunde 1 Französisch 1 Gemeinschaftskunde 1 Geschichte 1 1 Grundschulpädagogik 1 Informatik 1 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8426 5 Einstellung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in den hamburgischen Schuldienst 2015 – 2016; hier: Schulform/Fächer Fächer Grundschulen Stadtteilschulen Gymnasien Berufliche Schulen Kinder- und Jugendhilfe 2 Kunst 1 2 Mathematik 1 2 4 3 Metalltechnik 1 Musik 1 Philosophie 1 Physik 1 2 1 Politik/Politikwissenschaft 3 2 Religion 1 Sachunterricht 2 Sozialpädagogik 1 Spanisch 1 Sport 1 Wirtschaftswissenschaft 2 Quelle: Daten der zuständigen Behörde Hinweis: Die Quereinsteiger können ihren Vorbereitungsdienst in einem anderen Land absolviert haben. 17. Welche Voraussetzungen/Qualifikationen müssen Lehrkräfte mitbringen, um als Berufsschullehrer eingestellt werden zu können? Für Beamtinnen und Beamte sind die Voraussetzungen beziehungsweise Qualifikationen zum Einsatz als Berufsschullehrkraft auf Basis des Hamburgischen Beamtengesetztes (HmbBG) in der Verordnung über die Laufbahn der Fachrichtung Bildung (HmbLVO-Bildung) vom 20.08.2013 geregelt. Für angestellte Lehrkräfte gelten entsprechende Regelungen nach dem Tarifvertrag der Länder beziehungsweise Entgeltordnung Lehrkräfte. 18. Können diese Voraussetzungen in bestimmten Fällen außer Kraft gesetzt werden? Wenn ja: bitte erläutern. Nein. Regelungen für den Einzelfall beziehungsweise Gruppen werden dezidiert unter anderem in § 17 HmbBG sowie in den §§ 3, 7, 10, 12 und 14 der HmbLVO-Bildung beschrieben. 19. In welchem Umfang ist seit 2015 von solchen Regeln nach Frage 18. Gebrauch gemacht worden? Seit 2015 fand bei einer Person ein Seiten- beziehungsweise Direkteinstieg ohne Vorbereitungsdienst statt. 20. Welche Kriterien galten und gelten für die Einstellung von Lehrkräften zur Flüchtlingsbeschulung? Bitte für jede Schulform erläutern. Für eine unbefristete Einstellung von Lehrkräften in der Flüchtlingsbeschulung in allen Schulformen gilt unverändert das Vorhandensein des ersten und zweiten Staatsexamens . Eine zusätzliche DAZ-Qualifikation wurde und wird gewünscht, kann aber wie bisher bei nicht Vorhandensein über das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung berufsbegleitend nachgeholt werden. 21. Wie hoch ist der Krankenstand bei Lehrern an staatlichen Schulen? Bitte nach Schulform aufschlüsseln. Fehlzeitenquoten für das Schuljahr 2015/16 hier: Bezahlte Fehltage mit Vollkräftebereinigung Grundschulen 6,8% Sonderschulen 7,7% Gymnasien 4,7% Stadtteilschulen 6,2% Drucksache 21/8426 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Fehlzeitenquoten für das Schuljahr 2015/16 hier: Bezahlte Fehltage mit Vollkräftebereinigung Berufliche Schulen 5,4% Gesamt 6,0% Quelle: Daten der zuständigen Behörde 22. Wie viele Mitarbeiter gibt es in der Schulbehörde, die nicht für die unmittelbare pädagogische Arbeit an Schulen eingesetzt werden (sondern in der Verwaltung)? Wie hoch war diese Zahl jeweils 2007 und 2012? 2007 2012 2016 Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung 728 827 839 Hinweis: Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nicht mit der Anzahl der Stellen gleichzusetzen, eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeitet in Teilzeitbeschäftigung . Die Angaben der einzelnen Jahre sind aufgrund organisatorischer Veränderungen nur bedingt miteinander vergleichbar. Veränderungen gab es beispielsweise durch die Gründung von Schulbau Hamburg, die Übernahme von neuen Aufgaben der Ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) sowie Aufgabenverlagerungen zwischen dem Amt für Verwaltung, Amt für Bildung, dem Amt für Weiterbildung und nachgeordneten Dienststellen wie dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Qualitätsentwicklung , Landeszentrale für politische Bildung, Jugendinformationszentrum und dem Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung.