BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8444 21. Wahlperiode 31.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 23.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Wohnsitzauflage als Goldgrube für Abzocker auch in Hamburg?! Mit dem am 06.08.2016 in Kraft getretenen „Integrationsgesetz“ wurde eine Wohnsitzregelung für Asylberechtigte (§ 25 Absatz 1 AufenthG), anerkannte Flüchtlinge (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 1 AufenthG), subsidiär Schutzberechtigte (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG) und Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 AufenthG (Aufnahme im Einzelfall), § 23 AufenthG (Aufnahmeprogramme des Bundes oder der Länder) oder § 25 Absatz 3 AufenthG (nationales Abschiebungsverbot) eingeführt. Gemäß dem FAQ Dialogforum Wohnen ist das in der Freien und Hansestadt Hamburg wie folgt geregelt: „Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis und Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII sind uneingeschränkt berechtigt, privaten Wohnraum anzumieten . Bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins kommt für sie auch die Anmietung einer Sozialwohnung in Betracht (siehe Kapitel 5 der „Richtlinie über die Versorgung von vordringlich Wohnungssuchenden mit Wohnraum“). Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgestattung oder mit einer Duldung können nur bei Vorliegen von Besonderheiten im Einzelfalle Wohnraum anmieten. Wegen der Residenzpflicht innerhalb der ersten 6 Monate des Aufenthaltes in einer Aufnahmeeinrichtung, gilt dies im Übrigen erst nach Ablauf dieser Frist. Bewohnern aus sicheren Herkunftsstaaten ist das private Wohnen grundsätzlich nicht gestattet“. Viele Flüchtlinge, die in eigenen Wohnraum ziehen dürfen, würden dies sicher gern tun. Angesichts der angespannten Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist dies absehbar schwierig. In anderen Städten hat diese Situation bereits zu einem Anstieg von entsprechenden Betrugsfällen geführt.1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die gesetzliche Verpflichtung zur Wohnsitznahme an dem Ort der erfolgten Erstzuweisung im Asylverfahren beziehungsweise in den Fällen der §§ 22 und 23 AufenthG im Aufnahmeverfahren gilt nach § 12a Absatz 1 Satz 1 AufenthG für die Dauer von drei Jahren, sofern nicht ein Ausnahmefall nach Satz 2 vorliegt. Für die Entstehung 1 Vergleiche: http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/fluechtlinge-in-duesseldorf-beiwohnungssuche -betrogen-aid-1.6703229 beziehungsweise http://www.focus.de/politik/ deutschland/vor-allem-in-nordrhein-westfalen-ein-problem-asylgesetz-sollte-eigentlichwohnungsnot -lindern-jetzt-profitieren-abzocker-davon_id_6821289.html. Drucksache 21/8444 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der gesetzlichen Wohnsitzverpflichtung und die Berechnung des Drei-Jahres- Zeitraums knüpft Satz 1 dabei in den Fällen des § 25 Absatz 1 und Absatz 2 an die Anerkennung, das heißt die Bekanntgabe der Entscheidung des BAMF, beziehungsweise in den Fällen des § 25 Absatz 3 sowie §§ 22, 23 AufenthG an die Erteilung des entsprechenden Aufenthaltstitels an. Zu diesem Zeitpunkt hat die Ausländerbehörde deshalb zu prüfen, ob eine gesetzliche Wohnsitzverpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht oder ausnahmsweise nach Satz 2 nicht besteht und hat das Ergebnis in der Aufenthaltserlaubnis zu dokumentieren. Eine Ausnahme nach § 12a Absatz 1 Satz 2 AufenthG besteht für Personen, die selbst oder deren Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjährige Kinder bereits einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten, indem sie bereits eine Beschäftigung, eine Ausbildung oder ein Studium aufgenommen haben. Der Umfang der Beschäftigung muss mindestens 15 Wochenstunden betragen und es muss ein Netto-Einkommen von derzeit mindestens 710 Euro pro Monat erzielt werden (derzeit durchschnittlicher Bedarf nach §§ 20, 22 SGB II für eine Einzelperson). Minijobs und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen und heben die Verpflichtung nach Satz 1 nicht auf. Die Ausnahme gilt nur, wenn Beschäftigung oder Ausbildung/ Studium bereits zum Zeitpunkt der Anerkennung (beziehungsweise Ersterteilung eines Aufenthaltstitels nach Aufnahme) besteht. Bei späterer Aufnahme einer Beschäftigung, einer Ausbildung oder eines Studiums, sowie bei Familienzusammenführung und in Härtefällen, können Umzugswünsche später auf einen Antrag nach § 12a Absatz 5 AufenthG ermöglicht werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Personen haben gemäß Vorbemerkung seit August 2016 eine Wohnsitzauflage erhalten? (Bitte monatlich aufschlüsseln.) Zur Beantwortung der Frage wurden aus dem ausländerbehördlichen Fachverfahren die mit einer Wohnsitzauflage erteilten Aufenthaltstitel (sowohl bereits ausgehändigte als auch noch in der Bestellung bei der Bundesdruckerei befindliche) ausgewertet: Monat Wohnsitzauflagen August 2016 0 September 2016 0 Oktober 2016 31 November 2016 47 Dezember 2016 58 Januar 2017 195 Februar 2017 238 März 2017 348 (Stand: 27.03.2017) 2. Sind dem Senat Fälle bekannt, wonach a. potenzielle Vermieter Flüchtlingen vor Wohnungsbesichtigung oder Vertragsunterzeichnung Geld für Miete oder Kaution et cetera abverlangt haben, ohne dass anschließend ein Mietverhältnis zustande kam und die Beträge rücküberwiesen wurden? b. der vereinbarte Wohnraum nachträglich und vertragswidrig verkleinert wurde? c. eine überteuerte Untervermietung durchgeführt wurde? d. der Wohnraum mehrfach vermietet und überbelegt wurde, ohne dass die Mieter hiervon jederzeit Kenntnis hatten? Nein. Im Übrigen können Leistungsberechtigte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ihren Wohnraum im Rahmen der Höchstwerte frei wählen. So ist beispielsweise die Beschränkung der Übernahme der Kosten der Unterkunft auf einen bestimmten maximalen Quadratmeterpreis unzulässig (zum Beispiel bei einem WG- Zimmer). 3. Sollten dem Senat derartige Fälle bekannt sein: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8444 3 a. Wie viele Fälle sind bisher bekannt? b. Wie wurde der Senat darauf aufmerksam? c. Was hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in diesen Fällen unternommen? d. In welcher Höhe sind der Freien und Hansestadt Hamburg hierdurch finanzielle Schäden entstanden? Entfällt. 4. Führt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde unangekündigte Kontrollen durch, um zum Beispiel falsche Angaben bei der Größe des Wohnraumes et cetera festzustellen? Wenn ja, in welcher Form und Häufigkeit? Wenn nein, warum nicht? Für allgemeine Kontrollen zur Wohnungsgröße et cetera für Mietwohnungen besteht keine gesetzliche Ermächtigung. Hausbesuche sind dann möglich und wurden in der Vergangenheit auch durchgeführt, wenn konkret ein geltend gemachter Bedarf zu überprüfen ist oder Anhaltspunkte für Missbrauch vorliegen. Die Kontrollen erfolgen also situationsbedingt und werden nicht statistisch erfasst. 5. Was tut der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, um derartige Betrugsfälle bereits im Vorfeld auszuschließen? Die Fachanweisung zu § 35 SGB XII enthält eine Meldepflicht, wenn der Verdacht besteht, dass systematisch nicht geeigneter Wohnraum an Leistungsberechtigte vermietet oder systematisch ein vollkommen außer Verhältnis stehender Mietzins durch den Vermieter verlangt wird. Diese Fälle sind von der zuständigen Behörde zu melden . Die Fälle werden gegebenenfalls an den Wohnraumschutz weitergeleitet beziehungsweise straf- und zivilrechtlich verfolgt. Besteht mietrechtlicher Klärungsbedarf, der sich auf wesentliche Fragen des Mietverhältnisses bezieht, beziehungsweise bestehen Zweifel an vom Vermieter geltend gemachten Kosten, übernimmt die zuständige Behörde die Kosten für die Mitgliedschaft in einem vom Mieter zu bestimmenden, anerkannten Mieterverein zur Geltendmachung der Mieterrechte.