BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8464 21. Wahlperiode 31.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 24.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Koranschulen in Hamburg – Was ist dem Senat bekannt? In muslimischen Gesellschaften ist eine Madrasa (arabisch für Ort des Studiums ) eine Schule, in der die „Wissenschaft des Islam“ gelehrt wird. Neben der islamischen Rechtslehre und ihren Quellen werden hier vor allem auch die Hadithe und der Koran studiert. Auch in Deutschland gibt es seit Jahren Bildungseinrichtungen dieser Art, die in der politischen Debatte als „Koranschulen “ bezeichnet werden. Experten gehen davon aus, dass gegenwärtig etwa 10 Prozent der Kinder aus muslimischen Familien eine Koranschule besuchen. Da hier jedoch nicht nur die Rezitation von Koransuren geübt wird, sondern auch islamische Vorstellungen von Ethik, Moral, Politik und Gesellschaft sowie die Haltung gegenüber Nichtmuslimen vermittelt werden, stellt sich die Frage, inwieweit der Staat überprüfen muss, ob die dabei tradierte Lehre in Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Dass die Tätigkeit von Koranschulen offenbar nicht selten als antidemokratisch einzustufen ist, belegen verschiedene, in der Vergangenheit in den Medien kolportierte Videos, die zeigen, wie Kinder und Jugendliche von ihren Lehrern gegen die deutsche Gesellschaft aufgehetzt werden.1 Auch die Schilderungen der Beratungsstelle Legato belegen, dass immer mehr Jugendliche in den Salafismus finden. In der Türkei wurden Koranschulen wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Demokratie 1926 gar verboten. Um sich einen authentischen Eindruck davon zu verschaffen, wie diese Bildungseinrichtungen im Einzelnen beschaffen sind, kann man die im Mai 2013 erschienene Studie „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg. Untersuchung der räumlichen Situation“ konsultieren, die von der SCHURA (Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg e.V.), der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) und dem VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren e.V.) in Auftrag gegeben worden war. In der Untersuchung, die sich mit insgesamt 42 Moscheen beschäftigt, werden sowohl die Aufgaben als auch die praktische Arbeit der Koranschulen näher beschrieben. Dazu heißt es: „Die religiöse Unterweisung in der Moschee beinhaltet nicht nur das Auswendiglernen des Korans, wie es in der Öffentlichkeit als Koranunterricht oder Koranschule bekannt geworden ist, sondern allgemeinen Religionsunterricht wie Ethik, Glaubenslehre und die Geschichte des Lebens des Propheten Mohammed. Die Schülerinnen und Schüler lernen zuerst das arabische Alphabet. Dann lesen und lernen sie kurze Suren auswendig, die für 1 Für besonderes Aufsehen sorgte ein Video des Predigers Ibrahim Abu Nagi aus dem Jahre 2011, auf dem zu sehen ist, wie Kinder und Jugendliche im Rahmen von Koranunterricht mit salafistischer Ideologie indoktriniert werden. Das Video ist abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=H1VWKve5uQ8. Drucksache 21/8464 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 das rituelle Gebet notwendig sind. Religiöser Unterricht wird für Kinder zwischen 6-14 Jahren angeboten. Ab 14 Jahren werden diese Kinder zu Jugendgruppen weitergeleitet. Bei einigen Moscheen gibt es für die Vorschulkinder Tagesbetreuung; dem Alter gerecht und entsprechend erlernen die Kinder erste religiöse Begriffe über Bilder und durch Musik kennen (Centrum Moschee, Ayasofya Moschee). Der Unterricht findet entweder nachmittags oder an den Wochenenden statt. Oft unterrichten mehrere ehrenamtliche Imame oder Gemeindemitglieder. Da die Anfrage nach religiösem Unterricht so hoch ist, werden bei manchen Moscheegemeinden die Unterrichtsgruppen in Vormittag- und Nachmittagsgruppen unterteilt. Bei vielen Gemeinden können keine Kinder mehr aufgenommen werden, weil die Gemeinden keine ausreichenden Räumlichkeiten haben. Bei allen Moscheegemeinden werden Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet.“2 Es wird deutlich, dass in Hamburger Koranschulen nicht nur der Koran gelesen , sondern darüber hinaus auch eine islamische Gesinnung vermittelt wird. Dass eine religiöse und politische Erziehung im Falle der Muslime jedoch nachweislich ein Integrationshemmnis darstellt, ist eine Erkenntnis, die die 2009 von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ zutage gefördert hat. Dabei ziehen die beteiligten Forscher folgende Schlussfolgerung: „Unter Muslimen haben diejenigen den meisten Kontakt zu Deutschen, die eher selten Gottesdienste oder religiöse Veranstaltungen besuchen (80 Prozent). (...) Unter der Gruppe der Muslime weisen regelmäßige Gottesdienstbesucher die geringste Kontaktdichte zu Deutschen auf.“3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Als Ausdruck der in Artikel 4 GG garantierten Religionsfreiheit und im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts gemäß Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 137 Absatz 3 WRV haben alle Religionsgemeinschaften nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften das Recht, Bildungs- und Kultureinrichtungen zu unterhalten. Auch die islamischen Religionsgemeinschaften bieten entsprechend verschiedene Bildungsangebote an. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele „Koranschulen“, das heißt, von Moscheegemeinden betriebene Bildungs- und Betreuungsangebote, wie sie in der oben zitierten Studie definiert werden, sind dem Senat gegenwärtig bekannt? Bitte die jeweiligen Moscheegemeinden in Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zu einem Trägerverband aufschlüsseln. 2. Welche Bildungs- beziehungsweise Betreuungsangebote werden gegenwärtig von den folgenden Organisationen in Hamburg angeboten? a) DITIB-Nord b) SCHURA c) VIKZ d) Millî Görüş e) Gülen-Bewegung 3. Kann der Senat Angaben darüber machen, welche Lehrinhalte dabei im Einzelnen vermittelt werden? 2 Confer Moscheen und Gebetsräume in Hamburg. Untersuchung der räumlichen Situation. Herausgegeben von Marion Koch und Joachim Reinig. Hamburg im Mai 2013. S. 20. 3 Confer Muslimisches Leben in Deutschland (im Auftrag der deutschen Islam Konferenz). Herausgegeben vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Forschungsbericht 6. Juni 2009. 1. Auflage. Seite 164. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8464 3 4. Ist dem Senat irgendetwas darüber bekannt, von wem die „Koranschulen “ besucht werden beziehungsweise wie groß dieser Personengruppe gegenwärtig einzuschätzen ist? 5. Dass auch salafistische Moscheen, wie zum Beispiel die As-Sahaba- Moschee in Barmbek-Nord, immer wieder „Bildungskurse“ anbieten, ist bekannt. Ist dem Senat bekannt, ob Salafisten gegenwärtig in dieser Weise aktiv sind? Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen dem Senat aus der vom Fragesteller in Bezug genommenen Untersuchung „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg. Untersuchung zur räumlichen Situation“ vor. Neben den dort genannten Angeboten der Moscheevereine gibt es ergänzende Angebote auch von gesonderten Bildungsvereinen , Angaben zu den aktuell existierenden Vereinen veröffentlicht etwa die Schura im Rahmen der Angaben zu ihren Mitgliedsorganisationen, vergleiche http://schurahamburg.de/index.php/ueber-uns/mitglieder. Soweit dem Landesamt für Verfassungsschutz Einzelinformationen zu Koranunterrichten vorliegen, die durch islamistische Organisationen durchgeführt werden, sieht der Senat von einer Veröffentlichung der Erkenntnisse aus Gründen des Staatswohls ab. Angaben können nur gegenüber dem nach § 24 HmbVerfSchG für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden. Bei einer Veröffentlichung bestünde die Gefahr, dass die beobachteten Bestrebungen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Landesamtes für Verfassungsschutz gewähren könnten und eine künftige Beobachtung unverhältnismäßig erschwert werden würde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/5445 und Drs. 21/5994. 6. Was für rechtliche Konsequenzen hat es, wenn im Rahmen des Unterrichts einer „Koranschule“ Inhalte vermittelt werden, die sich – wie etwa die koranischen Suren 9 und 90, wo Allah die Muslime zu Gewalt gegen Juden und Christen beziehungsweise dazu aufruft, sich keinen von ihnen zu Freunden zu nehmen und sie zu meiden – explizit gegen Andersgläubige beziehungsweise die nicht muslimische Mehrheitsgesellschaft richten? Grundsätzlich kann das Verfolgen von Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, zu einer Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz führen. Im Übrigen sieht der Senat davon ab, hypothetische Sachverhalte rechtlich zu bewerten.