BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8478 21. Wahlperiode 04.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 27.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebung eines Afghanen jüdischen Glaubens Auf einer Pressekonferenz am 22.3.17 berichteten der Anwalt des Betroffenen sowie ein Mitglied der jüdischen Gemeinde Pinneberg von einem afghanischen Geflüchteten jüdischen Glaubens (Mobin N.), der von Abschiebung nach Afghanistan bedroht ist und Schutz in der Pinneberger Synagoge gefunden hat. Auf dieser Pressekonferenz sowie in einem Beitrag des „Hamburg Journals“ vom 22.3. sowie in der „tageszeitung“ vom 23.3. werden weitere Einzelheiten genannt. Das Einwohner-Zentralamt veröffentlichte daraufhin am 23.3. eine Stellungnahme, in der Planungen beziehungsweise Vorbereitungen für eine Abschiebung nach Afghanistan bestritten werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Eine Minderheitenzugehörigkeit ist als ein Aspekt der Schutzbedürftigkeit im Asylverfahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gegebenenfalls in einem anschließenden Eirechtsschutz- oder Klagverfahren vom Verwaltungsgericht zu würdigen. An die Entscheidung des BAMF beziehungsweise des Verwaltungsgerichts ist die Ausländerbehörde bundesgesetzlich gebunden (§§ 6, 42 Asylgesetz). Wird eine Schutzbedürftigkeit trotz Zugehörigkeit zu einer Minderheit vom BAMF oder dem Verwaltungsgericht mit der Folge der Ausreisepflicht verneint, kann die Ausländerbehörde diese Bewertung nicht durch eine eigene ersetzen, sondern hat die Ausreisepflicht gemäß der Entscheidung des BAMF beziehungsweise des Verwaltungsgerichts durchzusetzen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Seit wann war der Ausländerbehörde bekannt beziehungsweise wann hat sie davon Kenntnis genommen, dass Mobin N. jüdischen Glaubens ist und dass dies in seiner Geburtsurkunde eingetragen ist? Seit dem 22. April 2016 liegt der zuständigen Behörde eine Tazkera (Identitätskarte der Islamischen Republik Afghanistan) mit nicht beglaubigter Übersetzung vor, welcher die jüdische Konfession zu entnehmen ist. Infolge fehlender Beglaubigung durch das Außenministerium in Kabul handelt es sich hierbei jedoch lediglich um ein Indiz. Weitere Anhaltspunkte zur jüdischen Religionszugehörigkeit gab es nicht. In den vorangegangenen Asylverfahren hatte der Betroffene in den Anträgen und Anhörungen angegeben, der sunnitischen Glaubensrichtung anzugehören. Zwar lag die oben angegebene Taskera im Asylfolgeverfahren vor. Abschiebungsverbote hat das BAMF jedoch nicht festgestellt, siehe im Übrigen Vorbemerkung. 2. Inwiefern trifft zu, dass Mobin N. am 7.2.17 zur „Anhörung zur freiwilligen Ausreise“ in die Ausländerbehörde bestellt war? Da seine Aufenthaltsgestattung ungültig geworden war, wurde der Betroffene mit Schreiben vom 26. Januar 2017 für den 7. Februar 2017, 8 Uhr um Vorsprache gebe- Drucksache 21/8478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ten. In diesem Zusammenhang erfolgt regelhaft auch die Anhörung und Beratung zur freiwilligen Ausreise. 3. Inwiefern trifft zu, dass Mobin N. die freiwillige Ausreise nach Afghanistan abgelehnt hat, da er dort als Jude der Verfolgung ausgesetzt ist? Der Betroffene gab bei Vorsprache am 7. Februar 2017 im Rahmen der durchgeführten Anhörung zur freiwilligen Ausreise an, dass seiner Ausreise nach Afghanistan entgegenstünde, dass er Jude sei und er in Afghanistan mit Repressalien zu rechnen hätte. 4. Inwiefern trifft zu, dass Mobin N. seitens der Ausländerbehörde nahegelegt wurde, er könne nach Israel ausreisen? Dem Betroffenen wurde nicht nahe gelegt, nach Israel auszureisen. Im Rahmen der Anhörung zur freiwilligen Ausreise gab er an, die israelische Botschaft habe ihm Hilfe angeboten. 5. Inwiefern trifft zu, dass die Ausländerbehörde die Auffassung vertritt, dass mit der „Anhörung zur freiwilligen Ausreise“ konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigungen unmittelbar bevorstehen? Gibt ein Betroffener im Rahmen der Anhörung zur freiwilligen Ausreise an, nicht ausreisen zu wollen, ist die Einleitung zur Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen eine gesetzlich normierte Konsequenz. Denn gemäß § 58 Absatz 1 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist (siehe Vorbemerkung). 6. Beabsichtigte die Ausländerbehörde, Mobin N. in ein anderes europäisches Land abzuschieben? Wenn ja, a. in welches? b. wann endet die Überstellungsfrist? Nein. 7. Wann war Mobin N. zuletzt in der Ausländerbehörde, um seine Duldung verlängern zu lassen? Am 7. Februar 2017 erschien der Betroffene zur erstmaligen Ausstellung einer Duldung . 8. Für welchen Zeitraum war die Duldung ausgestellt? Die Duldung wurde vom 7. Februar 2017 bis zum 20. Februar 2017 ausgestellt. 9. Inwiefern trifft zu, dass die Duldung am 20.2. hätte verlängert werden müssen? Mit Ablauf der Duldung ist diese grundsätzlich zu verlängern. Hierfür bedarf es der persönlichen Vorsprache des Duldungsinhabers. 10. Laut „tageszeitung“ vom 23.3. haben Mobin N.s Mitbewohner in der Unterkunft berichtet, dass Polizisten am 19. Februar in der Unterkunft nach Mobin N. gesucht hätten. Das Einwohner-Zentralamt behauptet, keine Erkenntnisse über einen Polizeieinsatz in der Unterkunft zu haben, eine Ausschreibung zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung sei nicht veranlasst gewesen. In der „tageszeitung“ vom 23.3. dagegen wird der Sprecher der Ausländerbehörde zitiert: „Deshalb (weil die Duldung abgelaufen gewesen sei – CS) wurde nach der Person gefahndet.“ Was stimmt denn nun? Dem Sprecher des Einwohner-Zentralamtes, zu dem auch die Ausländerbehörde gehört, wurden im Rahmen der Anfrage keine Personenangaben übermittelt. Es wurde die hypothetische Frage, in welchen Fällen ein Aufsuchen der Wohnunterkunft möglich sei, beantwortet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8478 3 a. Gab es am 19. Februar 2017 einen Polizei-Einsatz in der Unterkunft von Mobin N.? Wenn ja, wer hat ihn aus welchem Grund veranlasst? b. Wenn nein: Fand am 19. Februar ein Einsatz von Mitarbeitern/- innen der Ausländerbehörde und/oder von Security-Mitarbeitern/- innen in der Unterkunft von Mobin N. statt? Nein. 11. Aus welchem Grund wurden, wie in der „tageszeitung“ vom 23.3. berichtet , in den Akten, die der Anwalt von Mobin N. einsehen konnte, die Seiten gesperrt, die sich auf den Vorgang um den 22. Februar 2017 beziehen ? Die gesperrten Seiten beziehen sich nicht auf einen Vorgang am 22. Februar 2017. 12. Inwiefern trifft zu, dass das BAMF der Ausländerbehörde mitgeteilt hat, man gehe davon aus, dass keine abschiebenden Maßnahmen ergriffen werden? Sofern dies zutrifft: Wann hat das BAMF sich entsprechend geäußert? Mit Schreiben vom 21. März 2017 teilte das BAMF der zuständigen Behörde mit, dass das Gericht davon ausgehe, dass vor abschließender Entscheidung über den nunmehr gestellten Antrags nach § 80 Absatz 7 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine Abschiebung des Antragstellers erfolgen werde, nachdem das Gericht zuvor einen Antrag nach § 80 Absatz 5 VwGO als verfristet abgelehnt hatte.