BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8510 21. Wahlperiode 04.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 29.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Lärmschutzwände im Stadtbild Mit jeder Erweiterung oder dem Neubau von Straßen, Schienen, Sportanlagen oder Gewerbegebieten nehmen die Lärmschutzwände zu und sorgen damit meistens für eine erhebliche Beeinträchtigung des Stadtbildes. So unverzichtbar die Lärmschutzwände für die rechnerische Einhaltung der festgelegten Grenzwerte auch sein mögen, so schädlich sind die visuellen Auswirkungen für die Umwelt. Aber während sich jeder Eigenheimbauer an eine Vielzahl von Gestaltungsvorgaben der Baubehörde zu halten hat, können die Ingenieure sich bei der Anordnung und Gestaltung von Lärmschutzwänden so richtig frei entfalten. Und daher werden zum Beispiel sowohl der neue Fernbahnhof Hamburg Altona am Diebsteich mit seinen neuen Anschlussstrecken bis zur Holstenstraße als auch die neue S4 zwischen Hasselbrook und Rahlstedt, aber auch die A26-Hafenquerspange von Moorburg bis Wilhelmsburg von hohen Lärmschutzwänden flankiert sein. Für den betroffenen Bürger bedeutet dies die Beschneidung seines Horizontes . An der Lärmschutzwand ist die überschaubare Welt zu Ende, was dahinter geschieht, entzieht sich der Übersicht des Betrachters. Oft wird durch Lärmschutzwände die Umgebung verdunkelt oder der Sonnenschein wird ausgeschlossen. Und während allenthalben von Überwindung von Trennendem und dem Zusammenwachsen von Stadtteilen gesprochen wird, geschieht hier das Gegenteil: neue Trennlinien entstehen. Doch Schlimmer noch: gleichzeitig werden ausgedehnte Flächen geschaffen für Graffiti- Schmierereien und Vandalismus. Und auf diese Weise schreitet die Verwahrlosung der Stadt voran. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Im Zuge der Errichtung beziehungsweise der wesentlichen Änderung von Verkehrswegen ist den Belangen des ausreichenden Lärmschutzes hinreichend Rechnung zu tragen. Hierfür besteht nach der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung ein klares Regelwerk. Grundsätzlich wird geprüft, ob zunächst Lärmminderungsmaßnahmen direkt an der Quelle infrage kommen (zum Beispiel lärmmindernde Fahrbahnbeläge, Schienenstegdämpfer oder Geschwindigkeitsbegrenzungen). Beim Neubau von Verkehrsanlagen wird unter anderem durch die Wahl geeigneter Trassierungsparameter in Lage und Höhe sowie durch die Planung von aktiven Schallschutzmaßnahmen ein Höchstmaß an Funktionalität und Integration in den Stadt- und Landschaftsraum erreicht. Darüber hinaus müssen auch beim Ausbau von vorhandenen Straßen- und Schienentrassen die gesetzlich vorgeschriebenen Lärmgrenzwerte eingehalten werden . Aufgrund der jeweiligen räumlichen Situation werden im Zuge der Planung verträgliche Lösungen entwickelt, die sowohl Schutz vor schädlichem Lärm beinhalten als Drucksache 21/8510 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 auch stadtbildgestalterisch akzeptabel sind. Gleiches gilt für freiwillige Lärmsanierungsprojekte . Der Senat strebt sowohl bei Neu- und Ausbaumaßnahmen als auch in Sanierungsfällen an, die Bevölkerung bestmöglich vor Lärm zu schützen. Dabei stellen aktive Lärmschutzmaßnahmen ein bewährtes Mittel zur Lärmminderung dar. Der Einsatz und die Ausgestaltung werden jeweils umfassend abgewogen, um verträgliche Lösungen zu finden. Im Übrigen stellen Lärmschutzwände in eng bebauten städtischen Räumen keine regelhafte Lösung dar. Ergänzend können passive Schutzmaßnahmen an Gebäuden durchgeführt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat die Auswirkungen von Lärmschutzwänden hinsichtlich der oben geschilderten Probleme? 2. Inwieweit werden zur Vermeidung dieser Probleme Alternativen zu Lärmschutzwänden untersucht und verwirklicht? 3. Welche Alternativen bestehen nach den Erkenntnissen des Senats zu herkömmlichen Lärmschutzwänden? Die Anordnung von aktiven Lärmschutzmaßnahmen an Verkehrswegen oder zum Schutz vor sonstigen gewerblichen Emissionen stellt neben Maßnahmen an der Lärmquelle immer eine Option dar. In der Planungsphase werden stets, soweit möglich , Varianten zur Lärmminderung geprüft. Infrage kommen hier insbesondere Lärmschutzwälle mit natürlicher Böschung oder besonderer Böschungssicherung, Wall- Wand-Kombinationen, Gabionenwälle (steingefüllte, quaderförmige Metallkörbe), Teiloder Volleinhausungen oder im Straßenbau besonders lärmarme Fahrbahnbeläge. Gestaltungskonzepte und die Prüfung von Verschattungen sind dabei Bestandteil der Abwägung. Die Einbeziehung von transparenten Elementen stellt einen vielfach angewandten Kompromiss zur besseren Belichtung und Besonnung der dahinter liegenden Flächen dar. Insbesondere an Schienenstrecken erlauben die technischen Vorschriften nur bahntechnisch zugelassene Bauelemente, sodass der Gestaltungsraum hier zusätzlich eingeengt ist. Unter bestimmten technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen Randbedingungen kann der aktive Lärmschutz auch durch eine (Teil-)Einhausung des Verkehrsweges erfolgen, wie zum Beispiel in den Fällen des Galeriebauwerks an der Umgehung Fuhlsbüttel (B 433), der Tunnelabschnitte Schnelsen, Stelligen und Altona beim Ausbau der A 7 oder dem geplanten Tunnel Finkenriek im Zuge des Neubaus der A 26. Als passive Maßnahmen kommen Schallschutzfenster beziehungsweise Lüftungseinrichtungen , Prallscheiben, Vorhangfassaden oder verglaste Loggien in Betracht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Ist es aus der Sicht des Senats vorstellbar, dass Planungen aufgegeben werden, wenn die Auswirkungen der dafür notwendigen Lärmschutzwände den Nutzen der Planung überwiegen? Im Regelfall überwiegt der Nutzen von geplanten Neu- und Ausbaumaßnahmen mögliche Nachteile durch die oben genannten Beeinträchtigungen. Das Vorhaben muss jedoch die gesetzlichen Grenzwerte einhalten und gegebenenfalls für Ausgleich und Kompensation sorgen. 5. Gab es derartige Konstellationen in Hamburg? Wenn ja: bitte aufführen. Derartige Konstellationen sind der zuständigen Behörde nicht bekannt. 6. Werden bei der Planung von Lärmschutzwänden auch Aspekte wie Sichtbeziehungen, Stadtbild, Aussichtspunkte, oder ähnliche in die Abwägungsentscheidung einbezogen? In welche Form werden diese gewichtet? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8510 3 Ja, die verträgliche Integration derartiger baulicher Anlagen in den Stadt- und Landschaftsraum ist ein wesentliches Kriterium bei der Abwägung der Planung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. bis 3. 7. Wird dementsprechend auch das spätere Beschmieren der Lärmschutzwände bereits bei der Abwägung berücksichtigt? Wenn nein: Mit welcher Argumentation wird dies ignoriert, da es doch der Realität entspricht? Ja, durch die Material-, Farb und Gestaltungsart werden Lösungen entwickelt, die möglichst wenig anfällig für Graffiti sind. 8. Ein wirksames Mittel gegen Beschmieren der Lärmschutzwände stellt eine Begrünung dar. Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob Lärmschutzwände begrünt werden? 9. Ist es aus der Sicht der Stadtbildgestaltung nicht generell empfehlenswert , Lärmschutzwände zu begrünen? Wenn ja: Warum erfolgt dies nicht? In Abhängigkeit von funktionalen Erfordernissen und unter Einbeziehung der stadträumlichen Lage stellt die Begrünung von Lärmschutzwänden eine prioritäre Lösung dar. Begrünte Lärmschutzwände verbessern das Kleinklima, lockern das Stadtbild auf und verhindern im Regelfall Graffiti. 10. Welche Baukosten verursacht eine Lärmschutzwand in einer Höhe von 5 Metern pro laufendem Meter durchschnittlich? Wie verändern sich diese Kosten, wenn eine Begrünung vorgesehen wird? Als Richtwert für eine Lärmschutzwand sind Kosten in einer Spanne zwischen 350 und 400 Euro pro Quadratmeter anzunehmen. Daraus folgt für eine 5 m hohe Lärmschutzwand pro laufenden Meter eine Preisspanne von rund 1.750 bis 2.000 Euro. Der Preis ergibt sich aus der Lage, der Zugänglichkeit des Baufeldes, der Konstruktion und Gestaltung, der erforderlichen Art der Gründung und daraus, ob Hilfskonstruktionen für die Überführung von Leitungen, Gewässern, Bahn- oder Straßenanlagen erforderlich sind. Die Kosten für eine etwaige Begrünung sind in dieser Kostenspanne enthalten. 11. Lärmschutzwände werden üblicherweise aus mehr oder weniger hässlichen Fertigteilen zusammengebaut, die als Fremdkörper im Stadtbild oder in der Landschaft erscheinen. Warum erfolgt keine individuelle, dem Ort angepasste Gestaltung der Lärmschutzwände, zum Beispiel Mauern in Ziegelbauweise oder Wände aus natürlichen Materialien wie zum Beispiel Holz? Lärmschutzwände unterliegen, wie andere Konstruktionen auch, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Deshalb werden für diese finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt. Individuelle Lösungen, wie zum Beispiel Mauern in Ziegelbauweise oder Wände aus natürlichen Materialen (wie zum Beispiel Holz), erhöhen die Kosten für eine Lärmschutzwand um eine Größenordnung von bis zu 50 Prozent. Auch Standsicherheitsfragen, Themen der Dauerhaftigkeit sowie zukünftige Unterhaltungsaufwendungen nehmen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung und die damit verbundenen Kosten einer Lärmschutzwand . Soweit sich durch die Örtlichkeit besondere Anforderungen an die Gestaltung von Lärmschutzwänden ergeben, werden architektonische Beratungen oder auch Wettbewerbe eingesetzt. 12. Wie will der Senat der Problematik der inflationsartig zunehmenden (und in der Regel beschmierten) Lärmschutzwände mit ihren negativen Auswirkungen auf das Stadtbild und das Stadtgefüge begegnen? Siehe Vorbemerkung und Antworten zu 7. sowie 8. und 9.