BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8549 21. Wahlperiode 07.03.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 31.03.17 und Antwort des Senats Betr.: Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge In Drs. 21/8136 stellt der Senat dar, wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im Jahr 2016 aus der Obhut des Staats (dem LEB) entwichen sind. Demzufolge haben sich im Jahr 2016 287 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge unabgemeldet entfernt. Für den Zweitraum 1.01. – 30.04.2016 werden 123 Fälle aufgezählt. In Drs. 21/4306 wird für denselben Zeitraum jedoch eine Fallzahl von 126 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, die sich unabgemeldet entfernt haben, genannt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendliche am 01.11.2015 erfolgen alle Inobhutnahmen neu eingereister ausländischer Personen als vorläufige Inobhutnahme (§ 42a SGB VIII). Erst nach einer Verteilung durch das Bundesverwaltungsamt beziehungsweise des Ausschlusses von einer Verteilung findet eine „endgültige“ Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII statt. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes erfolgten alle Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII, auch wenn Zweifel an der der Minderjährigkeit der ausländischen Person bestanden. Mit dem Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendliche wurde auch eine behördliche Verpflichtung zur Altersfeststellung eingeführt (§ 42f SGB VIII). Danach hat das Jugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge haben sich im Jahr 2016 tatsächlich mit unbekanntem Ziel unabgemeldet aus der Obhut der Freien und Hansestadt Hamburg entfernt? (Bitte inklusive der korrekten Angabe für den Zeitraum Januar bis April darstellen.) Siehe Drs. 21/8136. Darüber hinaus wurden in der Drs. 21/4306 die entsprechenden Beendigungen der Inobhutnahmen gezählt, dabei wurde übersehen, dass drei unbegleitete minderjährige Ausländer bereits am 30. Dezember beziehungsweise 31. Dezember 2015 vermisst gemeldet worden waren. 2. Was hat der Senat unternommen, um diese Personen „wiederzufinden“? Siehe Drs. 21/3174. Drucksache 21/8549 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele vermeintlich minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden im Jahr 2016 zur Feststellung der Voraussetzungen für die Inobhutnahme vorläufig in Obhut genommen? In 2016 wurden insgesamt 1.265 junge Flüchtlinge vorläufig in Obhut genommen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden im Jahr 2016 tatsächlich (also endgültig nach Prüfung der Voraussetzungen) in Obhut genommen? Nach Klärung der Zweifel, ob Minderjährigkeit als Voraussetzung für eine Inobhutnahme vorliegt, blieben im Jahr 2016 insgesamt 959 unbegleitete minderjährige Ausländer vorläufig in der Obhut des Fachdienstes Flüchtlinge. 5. Wie viele der in Obhut genommenen minderjährigen Flüchtlinge hatten Passpapiere bei sich? Der zuständige Fachdienst Flüchtlinge im KJND führt keine Statistik über vorgelegte Dokumente. Eine Auswertung entsprechend der Fragestellung würde die Durchsicht und Prüfung der Unterlagen von 1.265 Personen erfordern. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden im Jahr 2016 nach Königsteiner Schlüssel in andere Bundesländer umverteilt und wie viele verblieben in Hamburg? 7. Ist die Quote Hamburgs gemäß Königsteiner Schlüssel noch immer „übererfüllt“? Wenn nein, seit wann nimmt Hamburg wieder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Königsteiner Schlüssel auf? Wenn ja, wie verhält sich der Anteil der in Obhut genommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge prozentual zu anderen Bundesländern? In 2016 wurden 583 unbegleitete minderjährige Ausländer von Hamburg in andere Bundesländer umverteilt, 111 unbegleitete minderjährige Ausländer wurden aus gesundheitlichen Gründen öder einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls von der Verteilung ausgenommen und verblieben in der Hamburger Jugendhilfe. Hamburg liegt bei der Erfüllung der Quote nach dem Königsteiner Schlüssel derzeit immer noch bei 127,6 Prozent. Insbesondere der bundesweite Rückgang bei der Einreise von unbegleiteten minderjährigen Ausländern hat dazu geführt, dass die Übererfüllung des Königsteiner Schlüssel durch Hamburg noch nicht vollständig abgebaut werden konnte. 8. Erfolgt die Umverteilung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge gemäß Königsteiner Schlüssel vor oder nach Prüfung der Voraussetzungen über die Inobhutnahme? Wie lange dauert die Überprüfung der Voraussetzung zwischen vorläufiger und tatsächlicher Inobhutnahme? Welches Bundesland trägt die Kosten für die Prüfung der Voraussetzungen? Eine Anmeldung zur Verteilung eines unbegleitet minderjährigen Ausländers beim Bundesverwaltungsamt muss in einer Frist von zehn Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme erfolgen. Vor der Anmeldung müssen die in § 42a genannten Einschätzungen nach Absatz 2 Satz 1 sowie die Alterseinschätzung nach § 42f erfolgen . 2016 lagen zwischen der vorläufigen Inobhutnahme und der tatsächlichen Verteilung des unbegleitet minderjährigen Ausländers in ein anderes Bundesland zwischen zwölf und 23 Kalendertage. Für die vorläufige Inobhutnahme ist kein gesetzliches Kostenerstattungsverfahren vorgesehen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8549 3 9. Wie viele vermeintlich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mussten sich dem Verfahren der Altersschätzung im Jahr 2016 unterziehen? Wie viele wurden für minderjährig, wie viele für volljährig befunden? (Bitte nach Geschlecht differenzieren und die Daten in einer Tabelle analog zu Drs. 21/816 Frage 2. b. darstellen.) Nach § 42f SGB VIII muss das Jugendamt in allen Fällen während der vorläufigen Inobhutnahme eine Alterseinschätzung vornehmen (siehe Vorbemerkung). Sofern die Frage allein auf eine medizinische Altersbestimmung abstellt, so wurde diese in 2016 in 58 Fällen vorgenommen (4 w/54 m). In 32 Fällen (3 w/29 m) wurde hierbei Volljährigkeit , in 26 Fällen (1 w/25 m) Minderjährigkeit festgestellt. 10. Welche Kosten sind für die Altersschätzung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge entstanden? (Bitte jährlich aufschlüsseln für die Jahre 2010 bis 2016.) Die Kosten für die medizinische Begutachtung durch das Institut für Rechtsmedizin stellen sich wie folgt dar (Jahr der Rechnungstellung): 2010: 26.654,53 € 2011: 95.319,09 € 2012: 37.140,80 € 2013: 207.995,40 € 2014: 183.763,75 € 2015: 581.454,16 € 2016: 47.090,40 € 11. Wie viele vermeintlich minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden in den Jahren 2010 – 2015 zur Feststellung der Voraussetzungen für die Inobhutnahme vorläufig in Obhut genommen? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln .) 12. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden in den Jahren 2010 – 2015 tatsächlich (also endgültig nach Prüfung der Voraussetzungen ) in Obhut genommen? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln.) 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Inobhutnahmen mit Zweifel an der Minderjährigkeit (Antwort zu 11.) 79 268 296 472 585 1285 Inobhutnahmen gesamt, nach Klärung der Zweifel (Antwort zu 12.) 155 417 405 487 876 2572