BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8602 21. Wahlperiode 11.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel und Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 04.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Glücksspielstaatsvertrag Der Glücksspielstaatsvertrag sollte den gesamten Glücksspielmarkt in den Ländern regeln. Infolge des Glücksspielstaatsvertrages hat sich Hamburg vor allem mit den terrestrischen Spielhallen beschäftigt und hier strenge Regularien eingeführt. Diese werden durch die zuständigen Behörden auch regelmäßig überwacht. Deutlich weniger Engagement zeigt der Senat bei der Verfolgung von Verstößen in anderen Marktsegmenten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Durch die Umsetzung des Hamburger Spielhallengesetzes wird das reguläre terrestrische kontrollierbare Spielangebot erheblich eingeschränkt werden. Befürchtet der Senat eine Abwanderung in die Illegalität der Hinterzimmer und in den unregulierten illegalen Onlinemarkt? a. Wenn nein, warum nicht? Bitte begründen. Liegen Studien vor, die belegen, dass ein vermindertes Spielangebot in einem Glücksspielsektor zu einem Rückgang der Anzahl der Spielkonsumenten im gesamten Markt führt? Wenn ja, welche? b. Wenn ja, wie gedenkt der Senat, der Abwanderung in die illegalen Bereiche entgegenzuwirken? Da das Spielangebot in Spielhallen aufrechterhalten wird, ist davon auszugehen, dass eine Abwanderung in die Illegalität nicht stattfindet. Aus Norwegen und Deutschland sind Studien bekannt. Eine umfassende Literaturrecherche ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Beispielhaft seien hier genannt: Gambling Behaviour and the Prevalence of Gambling Problems in Adult EGM Gamblers when EGMs are Banned. A Natural Experiment Ingeborg Lund Published online: 26 March 2009 Springer Science+Business Media, LLC 2009 Gambling and gambling policy in Norway—an exceptional case Ingeborg Rossow & Marianne Bang Hansen Norwegian Institute for Alcohol and Drug Research, Oslo, Norway and Norwegian Centre for Violence and Traumatic Stress Studies, Oslo, Norway Drucksache 21/8602 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Society for the Study of Addiction 2016 Hayer, T., Rumpf, H.-J. & Meyer, G. (2014). Glücksspielsucht. In K. Mann (Hg.), Verhaltenssüchte : Grundlagen, Diagnostik, Therapie, Prävention (S. 11-31). 2. Der Glücksspielstaatsvertrag als auch das Hamburger Spielhallengesetz sehen eine Abstandsregelung zwischen zwei Spielhallen vor (siehe § 2 Absatz 2, Satz 2 HmbSpielhG), weil „Eine Entfernung von 500 Metern ist geeignet und erforderlich, der Glücksspielsucht in diesem Zusammenhang entgegenzuwirken“.1 a. Gibt es inzwischen Studien beziehungsweise wissenschaftliche Evaluierungen, die diese Annahme bestätigen? Wenn ja, welche? Die Abstandsregelungen haben zum Ziel, die Verfügbarkeit und damit die sogenannte Griffnähe einzuschränken. In anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Alkohol- und Nikotinprävention, wird dies bereits als „etabliertes Wissen“ angesehen. Bezogen auf den Themenbereich „Glücksspiel“ liegen nationale und internationale Studien vor, die den Kern der Frage, welchen Einfluss die sogenannte Griffnähe auf die Entstehung glücksspielbezogener Probleme haben, betreffen. Eine umfassende Literaturrecherche ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehend Zeit nicht möglich. Beispielhaft seien hier genannt: The Relationship Between Distance from Gambling Venues and Gambling Participation and Problem Gambling Among U.S. Adults John W. Welte, u.a. Springer Science+Business Media New York 2015 3. Jeder Spielhallenbetreiber in Hamburg ist verpflichtet, ein Sozialkonzept (im Wesentlichen Bericht über die Umsetzung des Spielerschutzes, der Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter und so weiter) zu erstellen und einmal jährlich bis zum 30. März des Folgejahres der Erlaubnisbehörde Bericht zu erstatten. Werden diese Berichte ausgewertet? a. Wenn ja, haben sich neue Erkenntnisse zu den einzelnen dem Spielerschutz dienenden Maßnahmen des HmbSpielhG ergeben? Fließen diese Erkenntnisse in Änderungsprozesse der Sozialkonzepte oder des HmbSpielhG ein? b. Wenn nein, warum nicht? Die Fachämter Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt beziehungsweise die Zentren für Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt der Bezirksämter überwachen die Einhaltung der Fristen für das vorgeschriebene jährliche Einreichen der Berichte zu den Sozialkonzepten aller Spielhallenbetreiber. Bei nicht fristgerechter oder fehlendender Einreichung der jährlichen Berichte werden Ordnungsmaßnahmen eingeleitet (hier: Bußgeldverfahren). Die eingegangenen Berichte zum Sozialkonzept werden an die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Abteilung Drogen und Sucht zur inhaltlichen Prüfung und Auswertung weitergeleitet. Die Berichtspflicht der Spielhallen hat zum Ziel, der Aufsichtsbehörde über die Umsetzung der vorgeschriebenen Maßnahmen zu berichten. Die Berichte werden dahin gehend geprüft, ob die Maßnahmen jeweils umgesetzt wurden. In Fällen von erforderlichen Nachbesserungen bei den Berichten oder der Umsetzung der Sozialkonzepte fordern die Bezirksämter diese entsprechend den Vorgaben der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz von den jeweiligen Spielhallenbetreibern ein. 1 Vergleiche Drs. 20/3228, Seite 9. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8602 3 4. Wie viele terrestrische Wettbüros beziehungsweise Wettvermittlungsstellen werden zum 31.12.2016 in Hamburg betrieben? Bitte nach Bezirken aufschlüsseln. Siehe Drs. 21/8072. 5. Wie viele Wettbüros beziehungsweise Wettvermittlungsstellen gab es jeweils am Jahresende der Jahre 2011 bis 2016? Bitte nach Bezirken aufschlüsseln. Siehe Drs. 21/8072 und Drs. 20/12969. 6. Wie viele Wettbüros beziehungsweise Wettvermittlungsstellen sind auf Basis einer erteilten Lizenz nach dem Glücksspielstaatsvertrag der Länder tätig? Rechtsgrundlage für die Erlaubniserteilung für Wettvermittlungsstellen ist nicht der Glücksspielstaatsvertrag, sondern §§ 8,9 des Hamburgischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Im Übrigen siehe Drs. 21/8072 und Drs. 21/8431. 7. Bei wie vielen Wettbüros beziehungsweise Wettvermittlungsstellen ist nicht bekannt, ob diese mit einer Lizenz nach dem Glücksspielstaatsvertrag arbeiten? Siehe Drs. 20/12969, Drs. 21/8072 und Drs. 21/8431. 8. Sofern die Zahl der in Hamburg bestehenden Wettbüros höher als 200 ist: Wie gedenkt der Senat, eine Auswahl zu treffen, um die Gesamtzahl auf das gesetzlich vorgegebene Maß zu reduzieren? Siehe Drs. 21/8431. 9. Welche Einnahmen hat die Stadt Hamburg in den Jahren 2011 bis 2016 durch die Wettbüros erzielt? Bitte nach Jahren und Einnahmearten aufschlüsseln . Die Einnahmen aus der Sportwettensteuer wurden bis Juli 2012 nicht gesondert erfasst. Die Einnahmen aus der Sportwettensteuer stellen sich ab Juli 2012 wie folgt dar: Jahr Betrag Sportwettensteuer 2012 (Juli bis Dezember) 0,05 Mio. Euro 2013 8,47 Mio. Euro 2014 6,88 Mio. Euro 2015 8,72 Mio. Euro 2016 8,51 Mio. Euro Über den jeweiligen Anteil Hamburger Wettbüros sowie Einnahmen aus weiteren Steuerarten liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. 10. Gibt es für die Betreiber der Wettbüros ebenfalls die Pflicht jährlich Sozialkonzepte zu erstellen wie es bei den Spielhallen erforderlich ist? a. Wenn ja, wie wird mit den Erkenntnissen dieser Konzepte umgegangen ? b. Wenn nein, warum nicht? Die Veranstalter von Sportwetten sind nach § 6 des Glücksspielstaatsvertrages zur Erstellung eines Sozialkonzeptes verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt auch für die Betreiber von Wettvermittlungsstellen. In der Regel werden die Betreiber der Wettvermittlungsstellen ihre Verpflichtung dadurch erfüllen können, dass sie sich zur Einhaltung des Sozialkonzeptes ihres Veranstalters verpflichten und dieses umsetzen. Soweit sie dies nicht tun, sind sie zur Vorlage eigener Sozialkonzepte bei der zuständigen Aufsichtsbehörde verpflichtet. Die Veranstalter von Sportwetten haben im Rahmen des Sportwettkonzessionsverfahrens beim Land Hessen, das nach § 9a Absatz 2 Nummer 3 Glücksspielstaatsvertrag Drucksache 21/8602 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 für das Sportwettkonzessionsverfahren zuständig ist, Sozialkonzepte vorgelegt. Da das Sportwettkonzessionsverfahren noch nicht abgeschlossen ist (vergleiche Antwort zu Frage 1., Drs. 21/8431), liegen noch keine Erfahrungswerte über die Wirksamkeit der Sozialkonzepte vor. 11. Wie bewertet der Senat die Position der EU-Kommission gegenüber dem 2. Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags in Bezug auf die fehlende Regulierung des Online-Glücksspiels2? Welche Folgerungen zieht der Senat aus dieser Kritik? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bemerkung der EU-Kommission bezüglich der fehlenden Regulierung zum Online-Glücksspiel über den eigentlichen Gegenstand der Notifizierung hinausgeht. Gegenstand der Notifizierung ist stets nur die beabsichtigte Regelung, die erlassen werden soll. Der 2. Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages bezieht sich aber nur auf den Bereich der Sportwetten und hat das Online-Glücksspiel nicht zum Gegenstand. Im Übrigen ist die Kritik nicht neu, weshalb die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder diesen Aspekt im Rahmen der nach § 32 Glücksspielstaatsvertrag anstehenden Evaluierung betrachten werden. Der Evaluationsprozess ist noch nicht abgeschlossen , weshalb sich der Senat mit der Kritik noch nicht beschäftigt hat. 12. Wollen der Senat/die Länder gegen das Illegale Online-Glücksspiel in Deutschland vorgehen? a. Wenn ja, wie wollen der Senat/die Länder gegen den ausufernden Markt des illegalen Online-Glücksspiels vorgehen? Der Senat beabsichtigt auch weiterhin, seine staatsvertragliche Verpflichtungen zu erfüllen und das Veranstalten oder Vermitteln von unerlaubten Glücksspielen sowie die Werbung hierfür zu unterbinden. Die Glücksspielaufsichtsbehörden haben sich für das Vorgehen gegen unerlaubte Glücksspielangebote im Internet auf Vollzugsleitlinien verständigt. Diesen liegt der Gedanken eines arbeitsteiligen Vorgehens zugrunde. Das heißt, dass zwei bis drei Länder gemeinsam gegen einen Anbieter vorgehen. Wegen der Vielzahl der Angebote wird das Vorgehen dahin gehend priorisiert, dass zunächst gegen größere und dann gegen kleinere Anbieter vorgegangen wird. Die Größe des Anbieters wird dabei nach verschiedenen Faktoren bestimmt, wie zum Beispiel Marktanteilen, Umsatzzahlen oder Anzahl der Besucher der jeweiligen Internetseite. Im Übrigen treffen die Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Maßnahmen, soweit sie Kenntnis von strafrechtlich-relevanten Handlungen im Sinne der §§ 284 fortfolgende Strafgesetzbuch erhalten. 13. Welche Einnahmen gedenkt der Senat durch die Billigung von Online- Glücksspielangeboten, die in Hamburg gespielt werden, zu generieren? Der Senat beabsichtigt nicht, durch Online-Glücksspiele Einnahmen zu generieren. Allerdings unterliegen Online-Glücksspiele nach § 3a Absatz 5 S. 2 Nummer 3 UStG der Umsatzsteuer, da es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung handelt. Nach der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer im Ausland (UStZustV) bestehen zentrale Zuständigkeiten in der Finanzverwaltung für bestimmte Länder. Die Zuständigkeit für die Länder, in denen die Online-Glücksspielanbieter vorwiegend ihren Sitz haben, liegt nicht in Hamburg, weshalb dem Senat über Umfang und Höhe der eingenommenen Umsatzsteuer aus Online-Glücksspielen keine Erkenntnisse vorliegen. 14. Welche Maßnahmen zur Suchtprävention, die im stationären Spiel eingesetzt werden, gedenkt der Senat in Bezug auf das Online-Spiel umzusetzen ? Hiermit hat sich der Senat noch nicht abschließend befasst. 2 Vergleiche https://www.wr-recht.de/gluecksspielstaatsvertrag/.