BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8625 21. Wahlperiode 11.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 05.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Psychosoziale Prozessbegleitung Seit dem 1. Januar 2017 können Opfer von Straftaten, die in einem Strafverfahren als Zeugen/-innen aussagen, psychosoziale Prozessbegleitung in Anspruch nehmen. Diese stellt eine nicht juristische, der Stabilisierung dienende Begleitung und Beratung während des Strafverfahrens dar. Es ergeben sich einige Fragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Bekommen Geschädigte, die Anspruch auf das Betreuungsangebot haben, einen Hinweis darauf, beispielsweise bei der Polizei? Wenn ja, gibt es dazu eine Anweisung, Informationsmaterial et cetera? Wenn nein, wie wird sichergestellt, dass (mögliche) Anspruchsberechtigte die Beiordnung in Anspruch nehmen können? Geschädigte, die einen Anspruch auf das Betreuungsangebot haben, erhalten bei der Polizei, gegebenenfalls auch bei der Staatsanwaltschaft (je nachdem, wo der Erstkontakt stattfindet) entsprechende Hinweise. Die Polizei Hamburg weist alle Opfer von Straftaten mittels des Vordrucks „Zusatzformular zum Merkblatt über Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren – STP 500“ auch auf Unterstützungsangebote im psychosozialen Bereich hin und benennt bei den Einrichtungen der Opferhilfe unter anderem auch die „Zeuginnen- und Zeugenbetreuung“ inklusive deren Erreichbarkeit. Die zuständigen Behörden prüfen zurzeit, in welcher Weise auch Informationen zur Psychosozialen Prozessbegleitung aufgenommen werden. Darüber hinaus gibt es auf folgenden Internetseiten Informationen zur psychosozialen Prozessbegleitung: Justizbehörde http://www.hamburg.de/justizbehoerde/service/7823368/psychpbg/ Opferschutz in Hamburg: www.hamburg.de/opferschutz www.hamburg.de/hilfen-fuer-opfer www.hamburg.de/hilfen-fuer-opfer/4632022/rechtliche-beratung a. Wie können Betroffene und Interessierte erfahren, welche Personen als psychosoziale Prozessbegleiter/-innen (PPB) zertifiziert sind und zur Verfügung stehen? Ist eine Liste, ein Informationsflyer oder Ähnliches geplant oder in Arbeit, wenn ja, zu wann? Die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte haben auf die Liste der zertifizierten psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter über den Sharepoint Drucksache 21/8625 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der Justizbehörde Zugriff. Opferhilfeeinrichtungen können zertifizierte Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter (PPB) über eine Kontaktperson der Justizbehörde, die auf der Internetseite der Justizbehörde angegeben ist beziehungsweise über die Zeugenbetreuung beim Landgericht erfragen, um Betroffene entsprechend zu informieren. Die konkrete Verfügbarkeit einzelner PPB wird im Rahmen der Beiordnung durch das Gericht geprüft. b. Wo können Betroffene einen Antrag stellen und wie verläuft das Antragsverfahren genau? Der Antrag auf Beiordnung einer PPB ist nicht an eine Form gebunden. Über den Antrag entscheidet im Stadium des Vorverfahrens das gemäß § 162 der Strafprozessordnung (StPO) zuständige Gericht, im Hauptverfahren das erkennende Gericht, § 406g Absatz 3 StPO. Jeweils dorthin sind auch die Anträge zu richten. Betroffene können ihre Bitte auf Beiordnung auch formlos der Polizei, der Staatsanwaltschaft, einer Opferhilfeeinrichtung oder gegebenenfalls dem Nebenklagevertreter gegenüber äußern. Der Antrag wird dann an das jeweils zuständige Gericht weitergeleitet. 2. Wie viele zertifizierte PPB gibt es aktuell in Hamburg? Bitte nach Männern und Frauen sowie Bezirken aufschlüsseln. Aktuell gibt es in Hamburg sieben zertifizierte PPB. Es sind sieben Frauen. Zwei davon haben ihren Arbeitsplatz im Bezirk Hamburg-Mitte, zwei im Bezirk Altona, zwei im Bezirk Hamburg-Nord und eine im Bezirk Wandsbek. a. Wie viele davon bieten welche zusätzlichen Sprachkenntnisse an? Zusätzliche Sprachkenntnisse in Englisch bietet eine PPB, zusätzliche Sprachkenntnisse in Englisch und Portugiesisch eine weitere PPB an. b. Wie hoch schätzt der Senat den Bedarf an PPB in Hamburg ein? Der Bedarf wird längerfristig auf zehn bis zwölf Personen geschätzt. c. Werden vom Senat Maßnahmen ergriffen, damit die Qualifizierung weiterer PPB zügig vorangeht? Wenn ja, welche? Für die Qualifizierung der PPB hat die Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Bremen für Interessierte aus Bremen und Hamburg eine neunmonatige Weiterbildungsmaßnahme durchgeführt, die kurz vor dem Abschluss steht. Ab September 2017 wird ein zweiter Durchgang angeboten, um die Qualifizierung weiterer PPB zu ermöglichen . 3. Existiert ein behördliches Konzept zur Arbeit der PPB, ihrer Koordinierung und Vernetzung? Wenn ja, bitte wiedergeben oder beifügen. a. Wenn nein, welche sonstigen Überlegungen zu hamburgweit einheitlichen Standards existieren? b. Ist für die PPB Supervision und Möglichkeiten der kollegialen Beratung vorgesehen? Nach der Hamburger Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (Durchführungs VO AGPsychPbG) gehören zu den Inhalten der Aus- und Weiterbildung für PPB auch Methoden zur Selbstreflexion wie beispielsweise kollegiale Beratung und Supervision (Ziffer 5.2 DurchführungsVO AGPsychPbG). Nach dem Bundesgesetz haben die PPB in eigener Verantwortung sicherzustellen, dass sie über die notwendige persönliche Qualifikation verfügen. Dazu gehören insbesondere Beratungskompetenz, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit sowie organisatorische Kompetenz. PPB, die bei staatlichen Stellen oder freien Trägern angestellt sind, können auf die dort angebotenen Möglichkeiten zur Weiterbildung und Qualitätssicherung zurückgreifen. Im Übrigen siehe Drs. 21/7706. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8625 3 4. Wie viele PPB sind institutionell angesiedelt (bitte Träger oder Behörde nennen), wie viele freiberuflich tätig? Zwei PPB sind bei der Zeugenbetreuung des Landgerichts, zwei bei FrauenNotRuf und zwei bei GWA St. Pauli e.V. angesiedelt. Eine PPB ist freiberuflich tätig. a. Bei den institutionell angesiedelten PPB bitte spezifizieren: Wird diese Tätigkeit zusätzlich ausgeübt oder im Rahmen des Anstellungsverhältnisses bezahlt? Inwiefern unterscheidet sich dann die Vergütung? Die Tätigkeit wird im Rahmen des Anstellungsverhältnisses ausgeübt und nicht zusätzlich vergütet. b. Für bei Träger angesiedelte PPB: Wie ist von der Behörde vorgesehen , finanzielle Unsicherheiten aufzufangen und Vertretung im Krankheitsfall oder Urlaub sicherzustellen, wenn, wie im Rahmen von Gerichtsverfahren öfter der Fall, Verzögerungen oder Verfahrensverlängerungen auftreten und damit ein relativ unvorhersehbarer Arbeitsaufwand? Die Zuwendungen an die Träger decken den personellen Arbeitsaufwand auch für die PPB ab. Mögliche Mehrbedarfe werden grundsätzlich mit dem jeweiligen Träger im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel verhandelt. c. Wie viele Träger haben abgelehnt, psychosoziale Prozessbegleitung in ihr Leistungsspektrum aufzunehmen, und mit welcher Begründung? Hierüber liegen keine Erkenntnisse vor. 5. Wie viele Betroffene sind aktuell durch PPB betreut und an welchem Stand des Verfahrens wurde die Betreuung übernommen? Bitte nach Minderjährigen/Erwachsenen sowie Geschlecht aufschlüsseln sowie nach Art der Straftat (körperliche Gewalt/sexuelle Gewalt/andere Straftaten ). Keine.