BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8641 21. Wahlperiode 13.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 06.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Rechte Straftäter/-innen, die sich der Verhaftung entziehen In Brandenburg sind, laut einer Parlamentarischen Anfrage der GRÜNEN Fraktion im Landtag, derzeit 20 verurteilte Extremisten untergetaucht (Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/radikale-in-brandenburg-20-verurteilteextremisten -abgetaucht/19607828.html). Bei den meisten Flüchtigen handele es sich um Rechtsextreme, jedoch auch um Islamisten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Begriff „Neonazi“ ist keine Kategorie, die bei Polizei oder Staatsanwaltschaft erfasst wird. Eine Einordnung von politisch motivierter Kriminalität erfolgt in den verschiedenen Phänomenbereichen „links“, „rechts“, „ausländische Ideologie“, „religiöse Ideologie“ und „nicht zuzuordnen“. Grundlage hierfür ist das durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz von 2001 eingeführte bundesweite und für die Länderpolizeien verbindlich anzuwendende „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität (Stand: 23.02.2016)“. Danach werden Straftaten, bei denen bei Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss, dem Phänomenbereich „rechts“ zugeordnet. Für einen Teil der Personen, die dem Phänomenbereich „rechts“ zugeordnet ist, existiert eine darüber hinausgehende personengebundene Ausschreibung als „Straftäter politisch motiviert rechts“. Bei diesen Personen besteht nach der Bewertung der entsprechend geschulten polizeilichen Sachbearbeiter Anlass zu der Annahme, dass den Taten eine konkrete politische Motivation zugrunde liegt. Der Beantwortung der Anfrage wird diese Personengruppe zugrunde gelegt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Haftbefehle gegen in Hamburg wohnhafte Neonazis wurden seit dem Stichtag 13. Januar 2016 bis zum heutigen Datum nicht vollstreckt? Bitte aufschlüsseln nach Tat(-vorwurf), Art des Haftbefehls und Datum des Haftbefehls. 2. Wie viele gesuchte Personen sind davon berührt? 3. Wie viele Haftbefehle seit dem Stichtag 13. Januar 2016 bis zum heutigen Datum, die auf in Hamburg verübten Taten basieren, konnten nicht vollstreckt werden? Bitte aufschlüsseln nach Tat(-vorwurf), Art des Haftbefehls und Datum des Haftbefehls. Drucksache 21/8641 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Stehen die Delikte, die zur Haftstrafe führten, im Zusammenhang mit der rechten Gesinnung der Gesuchten, das heißt wurden die Taten und ihre Umstände der politischen Orientierung der Täter/-innen zugeordnet? a) Wenn ja, inwiefern? b) Wenn nein, inwiefern nicht? Gegen eine Person, die als „Straftäter politisch motiviert rechts“ eingestuft ist, wurde am 21.06.2016 ein Haftbefehl erlassen, der bislang nicht vollstreckt werden konnte. Es handelt sich um einen Vollstreckungshaftbefehl wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe. Der zugrunde liegende Strafbefehl über eine Geldstrafe erging wegen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung. Tatort beider Taten ist Hamburg. Es handelte sich jeweils um Fälle von Beziehungsgewalt. 5. Welche Abteilungen von Polizei/LKA und Staatsanwaltschaft arbeiten bei Straftaten zusammen, die im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) anzusiedeln sind? Wie gestalten sich die entsprechende Zusammenarbeit und der Informationsaustausch, wenn die Straftat nicht politisch motiviert scheint, der/die Täter/-in aber in der PMK geführt wird? Für die Personen, die als „Straftäter politisch motiviert rechts“ eingestuft sind, ist für jeden polizeilichen Sachbearbeiter, der mit ihnen zu tun hat, die Ausschreibung durch einen entsprechenden Eintrag in dem polizeilichen Informationssystem POLAS erkennbar. Eine verpflichtende Regelung, diese Information an die Staatsschutzabteilungen des LKA und/oder der Staatsanwaltschaft weiterzugeben, existiert nicht. Allerdings wird das für die Bearbeitung politischer Straftaten zuständige LKA 71 regelmäßig jedenfalls dann informiert, wenn es sich um schwere Straftaten oder Straftaten handelt, bei denen ein politischer Hintergrund bestehen könnte. Bei den Hamburger Staatsanwaltschaften werden Straftaten, die der sogenannten politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen sind, jeweils bei den für Staatsschutzstrafsachen zuständigen Abteilungen – Abteilung III bei der Generalstaatsanwaltschaft und Abteilung 71 bei der Staatsanwaltschaft – bearbeitet. Bei der Polizei Hamburg ist die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA 7) für alle politisch motivierten Straftaten zuständig. Das LKA 7 arbeitet je nach Einzelfall mit der Abteilung 71 der Staatsanwaltschaft Hamburg, der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg oder dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof zusammen. Die Zuständigkeiten bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft sind delikts- und nicht personenbezogen, sodass Verfahren gegen Beschuldigte ohne (erkennbaren) politisch motivierten Bezug bei der Staatsanwaltschaft in den für den jeweiligen Tatvorwurf zuständigen Abteilungen geführt werden. Da in diesen Fällen eine Vielzahl von Polizeidienststellen und Abteilungen der Staatsanwaltschaft involviert sind, lassen sich allgemeine Aussagen über Zusammenarbeit und Informationsaustausch insoweit nicht treffen.