BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8647 21. Wahlperiode 13.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 06.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Türkischer Konsulatsunterricht in Hamburg – Wie steht der Senat hierzu ? Auch in Hamburg gibt es zahlreiche türkische Konsulatslehrkräfte. Diese werden vom türkischen Staat entsandt (und bezahlt), um in Hamburg muttersprachlichen Unterricht für türkische und türkischstämmige Kinder und Jugendliche zu geben. Im Rahmen der Diskussion um die zunehmende Einflussnahme von DITIB und der türkischen Regierung auf die deutsche Innenpolitik steht diese Art von Unterricht besonders im Fokus. Das Land Rheinland -Pfalz hat hierzu eine eindeutige Regel getroffen: „Unabhängig von einem deutschen oder ausländischen Beschäftigungsverhältnis unterstehen sie (die Lehrkräfte) der deutschen Schulaufsicht.“ (Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur vom 20. September 2015 (9413 B –Tgb.-Nummer 2112/15)).1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In Rheinland-Pfalz findet kein Konsulatsunterricht statt. Die in der Vorbemerkung genannte Verwaltungsvorschrift bezieht sich auf den herkunftssprachlichen Unterricht. Der Konsulatsunterricht in Hamburg unterliegt nicht der staatlichen Schulaufsicht. Allerdings steht den Vertretern der zuständigen Behörde ein Hospitationsrecht zu. Derzeit werden von der Bildungsbehörde Hospitationsbesuche im türkischen Konsulatsunterricht vorbereitet. Sofern im Rahmen dieser Besuche ein Handlungsbedarf festgestellt wird, werden Gespräche mit dem türkischen Generalkonsulat geführt und entsprechende Änderungen eingeleitet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. An welchen Hamburger Schulen unterrichten im laufenden Schuljahr türkische Konsulatslehrer? 2. Wie viele türkische Konsulatslehrer unterrichten im laufenden Schuljahr in Hamburg? 3. Wie viele Schüler nehmen an diesem Unterricht jeweils teil? Im Schuljahr 2016/2017 unterrichten 20 türkische Konsulatslehrkräfte Lerngruppen, die an Hamburger staatlichen Schulen durchgeführt werden. Im Übrigen siehe Anlage. 1 http://migration.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/migration.bildungrp .de/geaenderte_VV_Unterricht_von_Schuelerinnen_und_Schuelern_mit_Migrationshintergr und_September_2015.pdf. Drucksache 21/8647 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Auf welcher Grundlage wird dieser Unterricht an den einzelnen Schulen erteilt? Sind die Konsulatslehrkräfte dem jeweiligen Schulleiter unterstellt ? Der Konsulatsunterricht geht auf die „Richtlinie 77/486/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern“ zurück, wonach die Mitgliedsstaaten „geeignete Maßnahmen“ treffen, um für diese Kinder „die Unterweisung in der Muttersprache und der heimatlichen Landeskunde zu fördern“. Seit 1990 wurde die Verantwortung für diesen muttersprachlichen Ergänzungsunterricht den Konsulaten der ehemaligen Anwerbeländer, unter anderem der Türkei, übertragen. Der Konsulatsunterricht unterliegt nicht der staatlichen Schulaufsicht, die Konsulatslehrkräfte sind nicht der Schulleitung unterstellt, siehe auch Drs. 21/7224. 5. Welche Möglichkeiten haben die einzelnen Schulen, diesen Konsulatsunterricht zu beeinflussen, zu beaufsichtigen oder zu untersagen? Bei Beschwerden über den Unterricht oder eine Konsulatslehrkraft wird über die Schulleitung die für Bildung zuständige Behörde unterrichtet. Diese nimmt Kontakt zu dem Konsulat auf, um den Beschwerden abzuhelfen. 6. Gibt es in Hamburg eigene Schulen außerhalb des staatlichen Schulsystems , auf denen türkischer Konsulatsunterricht erteilt wird? Wenn ja: bitte angeben. Der zuständigen Behörde ist ein türkischer Konsulatsunterricht an Schulen außerhalb des staatlichen Schulwesens nicht bekannt. 7. Welche Rechtsform hat der türkische Konsulatsunterricht? Handelt es sich um Ergänzungsschulen? Wenn es Verordnungen, Erlasse oder Abkommen oder Ähnliches gibt: bitte anfügen. Der türkische Konsulatsunterricht findet auf Basis eines Zuwendungsbescheids der zuständigen Behörde mit dem Konsulat statt, in dem folgende Bedingungen und Auflagen aufgeführt sind: Die Zuwendung darf nur für den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht derjenigen Schülerinnen und Schüler eigensetzt werden, die Schulen im staatlichen Regelschulwesen in Hamburg besuchen und dort keinen herkunftssprachlichen Unterricht erhalten. Die Zuwendung wird nur bewilligt, wenn das Konsulat für die Durchführung des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts Geldmittel mindestens in Höhe des Zuwendungsbetrags aufwendet. Die wöchentliche Unterrichtszeit im muttersprachlichen Ergänzungsunterricht darf für jeden Schüler fünf Wochenstunden nicht überschreiten. Sofern der muttersprachliche Ergänzungsunterricht in Räumen staatlicher Schulen durchgeführt werden soll, ist die unentgeltliche Benutzung der Schulräume bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Die Lehrkräfte des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts führen für jede Unterrichtsveranstaltung ein Klassenbuch und legen es auf Verlangen der für Bildung zuständigen Behörde vor. Die Namen, Einsatzorte und -zeiten der Lehrkräfte sind der zuständigen Behörde mitzuteilen. Vertretern der zuständigen Behörde steht ein Hospitationsrecht zu. 8. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen grundsätzlich, Schulunterricht dieser Art zu verbieten? 9. Hat der Senat diese rechtlichen Möglichkeiten im Einzelnen bereits geprüft? Wenn ja: mit welchen Ergebnissen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8647 3 Wenn nein: warum nicht? Grundsätzlich ist die entgeltfreie Nutzung von Schulräumen für Sprachunterricht – auch muttersprachlichen Unterricht – in der Dienstvorschrift „Mitbenutzung von Schulräumen und –anlagen“ vom 04.01.2006 vorgesehen. Hinweise, die ein Verbot begründen könnten, liegen der zuständigen Behörde bislang nicht vor. 10. Gibt es eine fachliche Schulaufsicht für diese Konsulatslehrer beziehungsweise diesen Konsulatsunterricht? Wenn nein: warum nicht? Siehe Antwort zu 4. 11. Gibt es in Hamburg eine vergleichbare Verwaltungsvorschrift zur Aufsicht über die Konsulatslehrer wie in Rheinland-Pfalz? Wenn ja: Wo ist diese zu finden? Wenn nein: Plant Hamburg eine vergleichbare Vorschrift? Siehe Vorbemerkung. 12. Auf welcher Grundlage gewährt die Stadt Hamburg finanzielle Zuschüsse für den türkischen Konsulatsunterricht? 13. Wie hoch ist der Zuschuss im Jahr 2017? Die Höhe des Zuschusses für 2017 beträgt wie in den Vorjahren 65 Euro p.a. pro beteiligter Schülerin und beteiligtem Schüler einer staatlichen Hamburger Schule. Die Prüfung der gemeldeten Schülernamen ist für 2017 noch nicht abgeschlossen und damit der Gesamtzuwendungsbetrag noch nicht endgültig festgelegt. Für das Jahr 2016 siehe Drs. 21/7224. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 14. Für den bilingualen deutsch-türkischen Unterricht an drei staatlichen Schulen gibt es laut Senat ein Abkommen der Freien und Hansestadt Hamburg mit dem Erziehungsministerium der Türkei (Drs. 21/5523, Antwort auf Frage 5.). Aus welchem Grund wurde dieses Abkommen 2014 novelliert? Wo ist dieses Abkommen zu finden? Bitte den Text anfügen. Das Abkommen wurde novelliert, um den seit dem Schuljahr 2003/2004 bestehenden Schulversuch „Bilingualer deutsch-türkischer Unterricht in der Grundschule“ in ein Kooperationsprojekt zwischen dem Ministerium für Nationale Erziehung der Republik Türkei und der für Bildung zuständigen Behörde für bilinguale deutsch-türkische Züge an der Heinrich-Wolgast-Schule, der Schule Lämmersieth und der Stadtteilschule am Hafen zu überführen und zu verstetigen (siehe http://www.hamburg.de/contentblob/ 8561610/34a6102a1fdf6beeb39cdd3a92bbec00/data/protokoll-fortsetzung-bilingualerunterricht -deutscht-tuerkisch.pdf). 15. Hat die DITIB oder haben türkische Konsulate in irgendeiner Form Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung in Hamburg (Bildungspläne, Zulassung von Lehrkräften, Ausbildung von Lehrkräften et cetera)? Im Jahr 2012 vereinbarte der Senat in den Verträgen mit den muslimischen Gemeinschaften DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. sowie in gleichlautenden Vereinbarungen mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und im Jahr 2014 mit der Jüdischen Gemeinde Hamburg, den bisher an den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Religionsunterricht in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen weiterzuentwickeln. Ansonsten besteht kein Gestaltungseinfluss auf Bildungspläne, die Ausbildung von Lehrkräften et cetera. 16. Gibt es (staatliche) Fortbildungsangebote speziell für Konsulatslehrkräfte ? Wenn ja: in welchem Umfang? Wenn nein: warum nicht? Drucksache 21/8647 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Es bestehen seitens der für Bildung zuständigen Behörde keine speziellen Fortbildungsangebote für Konsulatslehrkräfte. Die Fortbildungsangebote des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung stehen den Konsulatslehrkräften offen. 17. Wurde oder wird das Thema Konsulatsunterricht in der Kultusministerkonferenz diskutiert? Wenn ja: mit welchem Ergebnis? Wenn nein: warum nicht? Der muttersprachliche oder Konsulatsunterricht ist kein Koordinierungsthema für die Kultusministerkonferenz, da die Länder in eigener politischer Verantwortung entscheiden , welche bilateralen Vereinbarungen sie mit den Konsulaten treffen und auch, ob der muttersprachliche Unterricht in staatlicher Verantwortung oder in Organisation durch die Konsulate stattfindet. Dennoch wurde im Rahmen der Amtschefkonferenz informell das Thema beraten. Es gab einen Austausch über die Einschätzung des Konsulatsunterrichts in den Ländern. Außerdem ist vorgesehen, auf der 21. Tagung der „Gemischten deutsch-türkischen Expertinnen- und Expertenkommission für den Unterricht türkischer Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik Deutschland“ das Thema des Konsulatsunterrichts auf die Tagesordnung zu setzen. 18. In welchem Umfang gibt es im laufenden Schuljahr Türkisch-Unterricht an staatlichen Schulen durch staatliche (deutsche) Lehrkräfte? Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die im laufenden Schuljahr an einem Türkischunterricht an Hamburger Schulen durch staatliche Hamburger Lehrkräfte teilnehmen , ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Schülerinnen und Schüler (SuS) mit Türkischunterricht an staatlichen Hamburger allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2016/2017 Schüler Schulform Anzahl SuS Grundschule 573 Stadtteilschule 1.084 Gymnasium 130 Sonderschule 4 insgesamt 1.791 Quelle: Schuljahresstatistik 2016  19. Reichen diese staatlichen Angebote nach Ansicht des Senats aus oder müssen sie ausgeweitet werden? Nach Ansicht der für Bildung zuständigen Behörde entsprechen die Angebote der gegenwärtigen Nachfrage. 20. Beabsichtigt der Senat eine Änderung für den türkischen Konsulatsunterricht ? Wenn ja: wann und in welcher Form? Wenn nein: warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8647 5 Anlage Schule Anzahl der Schülerinnen und Schüler Adolph-Diesterweg-Schule 11 Anton-Rée-Schule Allermöhe 4 Aueschule Finkenwerder 46 Elbinselschule 19 Erich-Kästner-Schule 26 Fritz-Köhne-Schule 16 Ganztagsschule Fährstraße 20 Geschwister-Scholl-Stadtteilschule 9 Goethe-Schule Harburg 9 Gorch-Fock-Schule 2 Grundschule Archenholzstraße 25 Grundschule Arnkielstraße 5 Grundschule Franzosenkoppel 8 Grundschule Heidhorst 10 Grundschule Neugraben 15 Grundschule Osterbrook 37 Grundschule Rahewinkel 8 Grundschule Stübenhofer Weg 60 Grundschule Thadenstraße 5 Katharinenschule in der Hafencity 19 Max-Traeger-Schule 8 Schule am Eichtalpark 16 Schule an der Burgweide 5 Schule an der Seebek 32 Schule Anna-Susanna-Stieg 9 Schule Arp-Schnitger-Stieg 24 Schule Bandwirkerstraße 16 Schule Brehmweg 5 Schule Cranz 13 Schule Fuchsbergredder 11 Schule Grützmühlenweg 4 Schule Hasselbrook 19 Schule Kapellenweg 18 Schule Kerschensteinerstraße 16 Schule Langbargheide 17 Schule Leuschnerstraße 8 Schule Lutterothstraße 5 Schule Maretstraße 5 Schule Marmstorf 14 Schule Molkenbuhrstraße 20 Schule Neubergerweg 16 Schule Ohrnsweg 9 Schule Rotenhäuser Damm 51 Schule Scheeßeler Kehre 11 Schule Schenefelder Landstraße 5 Schule Speckenreye 10 Schule Vizelinstraße 6 Schule Wesperloh 7 Schule Wielandstraße 13 Schule Windmühlenweg 3 Stadtteilschule am Hafen 9 Stadtteilschule Barmbek 9 Stadtteilschule Ehestorfer Weg 3 Stadtteilschule Eppendorf 3 Drucksache 21/8647 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Schule Anzahl der Schülerinnen und Schüler Stadtteilschule Finkenwerder 20 Stadtteilschule Lurup 8 Stadtteilschule Wilhelmsburg 27 Westerschule Finkenwerder 22 Quelle: Angaben des Generalkonsulats der Republik Türkei gegenüber der für Bildung zuständigen Behörde, Dezember 2016