BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8652 21. Wahlperiode 13.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 07.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebungen von islamistischen Gefährdern/-innen Unter „Gefährdern/-innen“ versteht man gemeinhin Menschen mit dem Potential zur Begehung schwerer politischer Straftaten, wobei es unerheblich ist, ob sie eine einschlägige Straftat bereits begangen haben. Am Dienstag, den 4. April 2017 wurde der gebürtige Hamburger Savas A. mit türkischem Pass in die Türkei abgeschoben. Savas A. gehörte der salafistisch -islamistischen Szene an. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dürfen gefährliche Islamisten/-innen ohne die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Aufenthaltsgesetz abgeschoben werden, obwohl sie keine Straftaten begangen haben. Möglich ist diese Maßnahme durch den Paragrafen 58a Aufenthaltsgesetz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Nach welchen Kriterien werden islamistische Gefährder/-innen als solche eingestuft? Als Gefährder werden Personen nach einer bundeseinheitlichen Definition im Phänomenbereich Politisch Motivierte Kriminalität – Islamismus eingestuft: „Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen , dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100 a Strafprozessordnung, begehen wird. Der Begriff der Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des Gefährderbegriffs ist nicht abschließend auf Handlungen beschränkt, die einen konkreten Anschlag zum Ziel haben, sondern erstrecken sich auch auf Unterstützungs- und Vorbereitungshandlungen .“ a. Welche Behörde ist für die Einstufung zuständig? Die Behörde für Inneres und Sport/Polizei. b. Welche Behörden sind für die Abschiebungen zuständig? Die Zuständigkeiten ergeben sich aus § 71 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). c. Welche Absprachen existieren mit welchen Behörden der Länder, in die Gefährder/-innen abgeschoben werden, über die Übergabe der und das weitere Verfahren mit den Abgeschobenen? Bitte für jedes Land nennen. Der zuständigen Behörde sind keine entsprechenden Absprachen bekannt. Die Übergabe erfolgt durch die Bundespolizei. 2. War Savas A. neben der türkischen auch Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft ? Drucksache 21/8652 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Wurde er anwaltlich vertreten? b. Gab es beziehungsweise hätte es die Möglichkeit gegeben, rechtlich gegen die Abschiebung vorzugehen? c. Wurde Savas A. in der Türkei den türkischen Behörden übergeben? Wenn ja, welchen und mit welchen Absprachen? Da die Person aufgrund der Medienberichterstattung identifizierbar ist, sind konkrete Auskünfte nicht zulässig. Die Übergabe in den Herkunftsländern erfolgt durch die Bundespolizei. Einzelheiten zur Übergabe sind der in Hamburg zuständigen Behörde grundsätzlich nicht bekannt. 3. Wie viele islamistische Gefährder/-innen befinden sich derzeit in Hamburg ? Nach den Erkenntnissen der zuständigen Behörde: zwei Personen. Bitte aufschlüsseln nach Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit(en) und Zugehörigkeit zu welcher islamistischen Gruppierung. Die Personen sind 20 und 30 Jahre alt und männlich, einer ist syrischer und der andere deutscher Staatsangehöriger; darüber hinaus liegen der zuständigen Behörde Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung nicht vor. a. Wie viele der Personen sind untergetaucht? Keine. b. Wie viele der Personen waren einmal bis mehrmals in Syrien, der Türkei oder im Irak? Nach eigenen Angaben im Asylantrag kam eine Person aus Syrien über die Türkei nach Europa. c. Wie viele der als Gefährder/-innen eingestuften Personen können nach Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz abgeschoben werden? Siehe Drs. 21/8437. 4. Wie viele islamistische Gefährder/-innen in Hamburg wurden seit dem Stichtag 1. November 2016 bis zum heutigen Tag in welche Länder abgeschoben? Eine Person wurde in die Türkei und eine weitere Person nach Tunesien abgeschoben . Bitte Datum der Abschiebung, Staatsangehörigkeit(en), Alter und Geschlecht der Personen angeben. Datum der Abschiebung: 4. April 2017, türkisch, 20 Jahre alt, männlich Datum der Abschiebung: 5. April 2017, tunesisch, 32 Jahre alt, männlich 5. Wie viele der Gefährder/-innen waren vorbestraft? Bitte Datum und Art der Straftat angeben. Im Vorgangserfassungs- und -verwaltungsprogramm MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg ist eine Person erfasst. Für diese Person liegt der Staatsanwaltschaft kein aktueller Bundeszentralregisterauszug vor. Von den in Hamburg gegen diese Person geführten Verfahren hat keines zu einer Verurteilung geführt, die in ein Führungszeugnis einzutragen wäre. Vorstrafen sind dementsprechend nicht bekannt. 6. Wie vielen Personen in Hamburg wurde die Ausreise untersagt, bei wie vielen der Reisepass eingezogen und/oder der Personalausweis räumlich beschränkt? Bitte nach Anlass und Zeitpunkt aufschlüsseln. Die zuständige Behörde erlässt Ausreiseverbote gegen ausländische Personen aus Anlass sicherheitsbehördlicher Erkenntnisse über das Vorliegen der nach § 46 Absatz 2 AufenthG geltenden Voraussetzungen, siehe im Übrigen die folgende Übersicht: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8652 3 Jahr Ausreiseverbote davon Pässe einbehalten (vgl. § 48 Abs. 1 AufenthG) 2013 1 1 2014 5 5 2015 1 1 2016 1 - (Pass wurde als verloren gemeldet) Auch bei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit kann auf Antrag der Sicherheitsbehörden von der zuständigen Behörde eine Passversagung gemäß §§ 7 und 8 Passgesetz, § 6 Absatz 7 Personalausweisgesetz (PAuswG) in Verbindung mit § 7 Absatz 2 Passverordnung und § 6a PAuswG angeordnet werden. Die derzeit bestehenden Passversagungen sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Jahr Passversagungen davon mit Ersatzpersonalausweis 2010 1 1 2014 3 2 2015 2 1 2016 3 3 2017 2 2 Weitere in diesem Zeitraum angeordnete Versagungen, die zwischenzeitlich wieder aufgehoben wurden, werden statistisch nicht erfasst. 7. Wie viele Verfahren im Zusammenhang mit islamistischen Straftaten beziehungsweise Gefährdern/-innen laufen aktuell? Die Polizei Hamburg führt aktuell 121 Ermittlungsverfahren im Phänomenbereich Politisch Motivierte Kriminalität – Islamismus, davon drei gegen Gefährder. Bei der Generalstaatsanwaltschaft sind aktuell 22 Verfahren im Zusammenhang mit islamistischen Straftaten anhängig, wobei ein Teil dieser Verfahren aufgrund der Regelungen aus den entsprechenden Staatsverträgen originär aus den Ländern Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern stammen kann. Bei der Staatsanwaltschaft sind 36 Verfahren anhängig. a. Wie viele der Verfahren wurden mit welchem Ergebnis abgeschlossen ? b. Wie viele der Verfahren wurden mit welcher Begründung eingestellt ? Von den aktuell laufenden Verfahren wurde bislang keines abgeschlossen beziehungsweise eingestellt. 8. Wie viele der Gefährder/-innen befanden sich während ihres Aufenthalts und zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung in Hamburg in der Ausstiegsberatung oder in anderen Maßnahmen zur Deradikalisierung? Die Beratung der Angehörigen- und Ausstiegsberatungsstelle Legato ist grundsätzlich vertraulich. Insofern sind hierzu keine Angaben möglich.