BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8664 21. Wahlperiode 13.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 07.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Justizvollzug: Ersatzfreiheitsstrafen und Rückfallquoten (II) Zum 1. Januar 2017 verbüßten 77 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe in Hamburg. Statistische Erhebungen der Anordnungen der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe finden nicht statt.1 Auf der 87. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister wurde am 1. und 2. Juni 2016 das Thema „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ erörtert und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses gebildet. In dieser Arbeitsgruppe sollen eine Neugestaltung der Ersatzfreiheitsstrafe sowie weitere Verbesserungen der bestehenden Regelung zur Haftvermeidung eingehend geprüft und neue Vorschläge sowohl zur Anordnung als auch zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen erarbeitet werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Zahl der Haftplätze, die mit Gefangenen belegt sind, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, steigt seit einigen Jahren bundesweit an. Im langfristigen Vergleich hat es in Hamburg in den vergangenen Jahren – im Rahmen erheblicher Schwankungen – tendenziell eher einen Rückgang gegeben. Zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Leistung gemeinnütziger Arbeit hat der Senat bereits am 18. Dezember 1984 eine Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit beschlossen, die am 01.01.1985 in Kraft trat. Aufgrund der gesammelten Erfahrungen wurde sie durch die Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit (Tilgungsverordnung) vom 11. Dezember 2012 ersetzt. Mit dieser wurden die Kriterien für die Anerkennung von Härtefällen erweitert und die zur Tilgung eines Tagessatzes Geldstrafe zu leistende Stundenzahl von sechs auf fünf herabgesetzt. Damit hat Hamburg bundesweit eine der modernsten Tilgungsverordnungen . Zudem nimmt Hamburg teil an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gem. § 43 StGB“. Die Arbeitsgruppe hat sich unter anderem – auch aufgrund entsprechender Themenanmeldungen aus Hamburg – mit Möglichkeiten zur Sanktionsvermeidung, der Bemessung oder Anpassung der Tagessatzhöhe von Geldstrafen am Sozialstaatsprinzip , der Einführung neuer Sanktionen als Alternative zu Ersatzfreiheitsstrafe, der Effektivierung der Geldstrafenvollstreckung sowie Möglichkeiten der Strafrestaussetzung und Strafzurückstellung befasst beziehungsweise wird sich damit noch befassen . Sie wird auch Sanktions- und Vollstreckungsformen anderer EU-Mitgliedsstaaten in ihre Überlegungen einbeziehen. 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/8445 vom 31.03.2017. Drucksache 21/8664 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch waren beziehungsweise sind die Haftkosten je Inhaftierten in den Hamburger JVAs und welche Gesamthaftkosten sind seit 2012 entstanden (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Die Haftkosten je Inhaftierten werden nach einem bundeseinheitlichen Berechnungsschema als Tageshaftkostensatz (THK) jährlich neu festgesetzt. Die Höhe der Gesamthaftkosten ergibt sich aus der jährlichen Anzahl der Hafttage multipliziert mit den (TKH). In der folgenden Tabelle werden beide Werte dargestellt: Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 THK 151 159 171 174 164 Haftkosten pro Jahr in € gerundet 92 Mio. 95 Mio. 96 Mio. 95 Mio. 97 Mio. 2. Ist die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus Sicht des Senats auch in den Fällen sinnvoll, in denen die Haftkosten die Höhe der ursprünglich verhängten Geldstrafe übersteigen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Höhe der Haftkosten ist kein Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob die unter bestimmten Voraussetzungen bestehende gesetzliche Verpflichtung zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erfüllt wird. 3. Welche Kosten fielen in Hamburg seit 2012 durch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen insgesamt an (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die Anzahl der Hafttage bei Ersatzfreiheitsstrafen wird nicht gesondert statistisch erfasst. Die Anzahl der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen wird aber an Stichtagen erhoben, siehe Drs. 21/8445. Eine Berechnung der Kosten kann auf dieser Grundlage nur näherungsweise erfolgen. Die Hafttage pro Jahr, hier berechnet auf der Grundlage der stichtagsbezogenen monatlichen durchschnittlichen Belegung mit Gefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) verbüßen, multipliziert mit den jeweiligen Tageshaftkostensätzen (THK), gibt folgende Tabelle wieder: Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 THK in € 151 159 171 174 164 Monatliche Durchschnittsbelegung EFS 114 109 100 99 96 Kosten pro Jahr in € gerundet 6,3 Mio. 6,3 Mio. 6,2 Mio. 6,3 Mio. 5,7 Mio. 4. Welche (Zwischen-)Ergebnisse hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses zu dem Thema „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ bisher vorzuweisen beziehungsweise wann wird mit Ergebnissen zu rechnen sein und mit welchen Vorschlägen bringt sich Hamburg aktuell in diese Arbeitsgruppe ein? Geplant ist die Vorlage eines Zwischenberichtes. Mit ihr ist ab dem 3. Quartal 2017 zu rechnen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Existiert in Hamburg eine vergleichbare Regelung wie die Berliner „Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit“? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8664 3 6. In wie vielen Fällen konnten in Hamburg seit 2012 Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit, wie nach dem Berliner Modell der „Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit“, erreicht werden und somit Inhaftierte an einem Tag zwei Tagessätze der ursprünglich zu vollstreckenden Geldstrafe in ausgewählten Beschäftigungsmöglichkeiten tilgen? Soweit mit der Frage nach „erreichten“ Ersatzfreiheitsstrafen gemeint sein sollte, in wie vielen Fällen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (als Grundlage für die Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Leistung gemeinnütziger Arbeit) angeordnet und vollstreckt wurde, hat eine Auswertung des Vorgangsbearbeitungs - und Vorgangsverwaltungssystems der Staatsanwaltschaft MESTA – dem sich allerdings keine gültigen und zuverlässigen Daten entnehmen lassen, weil es nicht als Statistikprogramm konzipiert ist – die aus nachstehender Tabelle ersichtlichen Zahlen ergeben: 2012 2013 2014 2015 2016 2017 (bis 31.03.2017) 1190 974 946 907 832 168 Die Anzahl aller Fälle angeordneter Ersatzfreiheitsstrafe ist höher. Allerdings kommt es nicht in allen Fällen einer angeordneten Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auch zu deren Verbüßung. Vielmehr kann die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe auch nach Anordnung ihrer Vollstreckung noch durch Zahlung oder Leistung gemeinnütziger Arbeit (gegebenenfalls auch kombiniert) abgewendet werden. Eine Tilgung von zwei Tagessätzen an einem Tag ist nicht vorgesehen. Vielmehr sind pro Tagessatz fünf Stunden (in Härtefällen drei Stunden) gemeinnützige Arbeit zu leisten. Auf wie viele Kalendertage sich die Stunden verteilen, ist nicht geregelt. 7. Sieht der Senat andere Möglichkeiten, die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen zu reduzieren? Wenn ja, welche? Siehe Vorbemerkung.