BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8675 21. Wahlperiode 18.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 10.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Wie belastbar ist die sogenannte neue Bildungsstudie des Schulsenators ? Einem Artikel des „Hamburger Abendblatts“ vom 24.03.2017 zufolge (vergleiche http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article210046477/ “Studie“-sieht-Hamburgs-Schueler-bundesweit-auf-Platz-eins.html) sollen Hamburger Schülerinnen und Schüler ohne Migrationsgrund beim bundesweit durchgeführten „Bildungstrend 2016“ des Berliner „Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ (IQB) in den Kategorien „Lesen“ und „Hören“ sowohl in Deutsch als auch in Englisch den ersten, in der Kategorie „deutsche Rechtschreibung“ den fünften Platz belegt haben. Zuletzt stand in Bezug auf die Ergebnisse des „Bildungstrends“ und vergleichbarer Leistungserhebungen noch die Erkenntnis im Vordergrund, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler, mit der Ausnahme des Faches Englisch , allenfalls im Mittelfeld der Bundesländer liegen würden. Eine „Studie“ des behördeneigenen „Hamburger Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung “ (IfBQ) will nun jedoch herausgefunden haben, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund tatsächlich in den meisten Kategorien den Ländervergleich anführen. Diese Erkenntnis überrascht und wirft eine Vielzahl von Fragen auf, auch an der methodischen Seriosität der sogenannten Studie. Außerdem bleibt unklar, warum es in Hamburg offenbar anhaltend nicht gelingt, den Anteil derjenigen Schülerinnen und Schülern, die einen Migrationshintergrund besitzen (mindestens rund 46 Prozent, vergleiche http://www.hamburg.de/ schuljahr-in-zahlen/4662018/sus-migrationshintergrund/), zu besseren Leistungen zu verhelfen. Die Diskrepanz zwischen dem Gesamtergebnis mit und ohne Einbeziehung dieser Schülerinnen und Schüler ist alarmierend hoch. Darüber hinaus alarmierend sind die Umstände, unter denen die Erkenntnisse aus der IfBQ-„Studie“ an die Öffentlichkeit getragen wurden. Man entschied sich offenbar, die „Studienergebnisse“ exklusiv dem „Hamburger Abendblatt“ zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig von einer Veröffentlichung einer Information des Schulausschusses der Bürgerschaft abzusehen. Dies ist ein erneuter Affront gegenüber dem Parlament. Eine Veröffentlichung der „Studienergebnisse“ muss jetzt unverzüglich erfolgen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die sogenannte IQB-Studie ist keine „neue Bildungsstudie des Schulsenators“, sondern eine von der Kultusministerkonferenz (KMK) in Auftrag gegebene und verantwortete Bildungsstudie. Diese ist aufgrund der außerordentlich hohen Schülerbeteiligung Drucksache 21/8675 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 und der wissenschaftlichen Begleitung und Durchführung durch das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen der Humboldt-Universität zu Berlin die derzeit umfassendste und renommierteste Vergleichsstudie für die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Klasse 9 in den Ländern. Die Präsentation der Studie erfolgte entsprechend durch die Präsidentin der KMK, Ministerin Eisenmann aus Baden- Württemberg parteiübergreifend für alle Länder. Die Studie umfasst auf mehreren hundert Seiten zahlreiche Daten über die Kompetenzen sowie die sozialen Hintergrundmerkmale der Schülerinnen und Schüler. Diese Daten hat das Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), Abteilung „Qualitätsentwicklung und Evaluation“ mit Blick auf die Hamburger Ergebnisse aufbereitet. Dafür standen die Informationen des veröffentlichten Berichts zur Verfügung (siehe https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2015/Bericht). Diese Informationen zu unterschiedlichen Leistungsergebnissen der getesteten Neuntklässler in Abhängigkeit von Merkmalen des Migrationshintergrundes oder sozioökonomischer Herkunftsmerkmale sind für alle Länder bereits dem IQB-Bericht zu entnehmen. Die Veröffentlichung dieser Daten im „Hamburger Abendblatt“ stellt keinen „Affront gegenüber dem Parlament“ dar. Im Gegenteil ist die zuständige Behörde gemäß § 4 des Hamburgischen Pressegesetzes dem Informationsrecht der Presse nachgekommen und hat auf eine Anfrage hin pflichtgemäß eine Auskunft erteilt. Denn die Redaktion des „Hamburger Abendblatts“ hatte nach Veröffentlichung des IQB-Bildungstrends 2015 spezifische Nachfragen und hat bei der für Bildung zuständigen Behörde eine Rechercheanfrage gestellt. Die Pressestelle der für Bildung zuständigen Behörde hat daher das zuständige IfBQ um Zurverfügungstellung ihrer Aufbereitung gebeten. Diese wurde dem „Hamburger Abendblatt“ am 27. Januar 2017 übermittelt. Insofern ist der Senat lediglich seiner gesetzlichen Auskunftspflicht nachgekommen. Außerdem wird der Hamburgischen Bürgerschaft im Zuge der Beantwortung der Drs. 21/6752 noch eine fundierte Einordnung und hamburgspezifische Auswertung des Gesamtergebnisses der Hamburger Schülerinnen und Schüler im Rahmen des IQB-Bildungstrends 2015 vorgelegt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann wurde das IfBQ mit der Durchführung einer „Studie“ auf Basis der Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2016 beauftragt? a. Durch wen wurde die „Studie“ in Auftrag gegeben? b. Welches Ziel verfolgte die „Studie“ konkret? c. Welche Stelle innerhalb des IfBQ zeichnet sich für die Durchführung der „Studie“ verantwortlich? d. Wurden Externe ganz oder teilweise mit der Erstellung der „Studie“ beauftragt oder daran beteiligt? Zu welchen (auch finanziellen) Konditionen ? e. Wie genau lautete der Auftrag für die Erstellung der „Studie“? f. Wo ist die „Studie“, die dem „Hamburger Abendblatt“ exklusiv vorliegt , veröffentlicht worden? 2. Welches Datenmaterial wurde der „Studie“ genau zugrunde gelegt? 3. Auf welcher methodischen Grundlage bezüglich der Hamburger Daten und der Daten der anderen Bundesländer wurde bei der Erstellung der „Studie“ vorgegangen? Wurden bei den Vergleichen der Leistungen der Hamburger Schüler mit denen der anderen Bundesländer jeweils die Schüler mit Migrationshintergrund herausgerechnet? Siehe Vorbemerkung. 4. Wie wurde mit der nach dem IQB-Bericht 2015 (Seite 437) für Hamburg unsichere Datenlage, nach der für 20 Prozent der Schüler keine belastbaren Daten vorlagen, verfahren? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8675 3 Zentral im Rahmen des IQB-Bildungstrends sind Merkmale der sozialen und kulturellen Herkunft, da sie einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Lernvoraussetzungen und Leistungen von Kindern haben. Die Merkmale werden auf der Basis von Fragebögen erhoben, die den getesteten Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern vorgelegt werden. Um entsprechende Aussagen zur Abhängigkeit der Testleistungen von diesen Merkmalen mit hinreichender Sicherheit treffen zu können, hat das IfBQ geprüft, ob die Stichprobe der am Test teilnehmenden Hamburger Schülerinnen und Schüler hinsichtlich dieser Merkmale verzerrt ist. Dazu hat das IfBQ auf die Schuljahresstatistik 2014/2015 und auf Daten des Sozialmonitorings im RISE-Programm zurückgegriffen, auf die das IQB-Berlin keinen Zugriff hat. Folgendes wurde verglichen : Merkmale zum Migrationshintergrund und zum sozialen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler aller neunten Klassen der am Ländervergleich beteiligten Schulen und die entsprechenden Angaben der Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen der nicht am Ländervergleich beteiligten Schulen. Im Ergebnis zeigen sich keine gravierenden Unterschiede zwischen den genannten Teilgruppen. Es gibt keine Hinweise auf eine Verzerrung der IQB-Stichprobe; sie repräsentiert die damalige Zusammensetzung der Hamburger neunten Klassen, die getestet wurden. Eine Interpretation der Leistungsdaten in Abhängigkeit von den genannten Variablen hat deshalb eine valide Grundlage. 5. Aus welchem Grund entschied wer in der Behörde sich dafür, die „Studienergebnisse “ dem „Hamburger Abendblatt“ exklusiv zur Verfügung zu stellen? a. Warum fand eine öffentliche Kommunikation beziehungsweise vollständige Veröffentlichung der „Studienergebnisse“ bisher nicht statt? b. Ist die Veröffentlichung einer solchen „Studie“ Gegenstand des Hamburger Transparenzgesetzes? c. Ist der Senat, unabhängig von der Antwort auf Frage 5. b., der Ansicht, dass eine verspätete beziehungsweise gänzlich ausbleibende Veröffentlichung derartiger „Studienergebnisse“ einen verantwortungsvollen Umgang mit Informationen im Sinne des Transparenzgedankens darstellt? Es ist allgemein nicht üblich, die Antworten auf einzelne Presseanfragen zu veröffentlichen oder online zu stellen. Im Anschluss an die Veröffentlichung im „Hamburger Abendblatt“ erfolgten Anfragen anderer Medien. Den anfragenden Redaktionen wurden die Ergebnisse ebenfalls übermittelt. Grundsätzlich unterliegen Informationen des öffentlich zugänglichen IQB-Berichts nicht der Veröffentlichungspflicht nach Hamburgische Transparenzgesetz. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Wie definiert sich der Begriff „Migrationshintergrund“ im Rahmen der „Studie“, das heißt, welche konkreten Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Schüler als „Schüler mit Migrationshintergrund“ eingestuft wurde ? a. Welche anderen Unterscheidungskriterien für Schülerinnen und Schüler wurden in der „Studie“ verwendet und untersucht? b. Welche Differenzen ergeben sich zwischen den angegeben Unterscheidungskriterien ? Der IQB-Bildungstrend benutzt den Begriff „Zuwanderungshintergrund“. Um den Zuwanderungsstatus bestimmen zu können, wurden die Schülerinnen und Schüler gebeten, im Schülerfragebogen ihr eigenes Geburtsland sowie das ihrer Eltern anzugeben . Diese Angaben wurden für die Auswertung des IQB mit den Angaben der Eltern über ihre eigenen Geburtsländer sowie über das Geburtsland ihres Kindes zusammengeführt. Auf dieser Basis unterscheidet das IQB vier Gruppen (IQB- Bildungstrend 2015, Seite 433): Drucksache 21/8675 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 - Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund: beide Eltern sind in Deutschland geboren; - Schülerinnen und Schüler mit einem im Ausland geborenen Elternteil: ein Elternteil ist in Deutschland, der andere Elternteil ist im Ausland geboren; - Schülerinnen und Schüler der zweiten Zuwanderungsgeneration: beide Elternteile sind im Ausland geboren, die Schülerin oder der Schüler selbst ist in Deutschland geboren; - Schülerinnen und Schüler der ersten Zuwanderungsgeneration: sowohl beide Elternteile als auch die Schülerin oder der Schüler selbst sind im Ausland geboren. Der IQB-Bildungstrend 2015 weist darüber hinaus unterschiedliche Ergebnisse in Abhängigkeit von der Familiensprache, vom Geschlecht und von Merkmalen des sozioökonomischen Hintergrunds aus. Es zeigt sich, dass zuwanderungsbezogene Disparitäten zum Teil auf soziale Ungleichheiten zwischen zugewanderten Familien einerseits und Familien ohne Zuwanderungshintergrund andererseits zurückgeführt werden können. 7. Wurde in anderen Bundesländern vergleichbare „Studien“ erstellt? Wenn ja, welche Diskrepanzen zwischen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund ergeben sich dort? Siehe Vorbemerkung.