BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8678 21. Wahlperiode 18.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 10.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Überlastung der Justiz – Ist eine Besserung für Hamburgs Gerichtsvollzieher in Sicht? Hamburgs Gerichtsvollzieher sind seit Monaten an der Grenze ihrer Belastbarkeit , Gläubiger am Ende ihrer Geduld angelangt. Wie gravierend die Situation, die nicht nur titulierte Ansprüche von Gläubigern , sondern auch den Wirtschaftsstandort Hamburg gefährdet, tatsächlich ist, zeigen die Antworten des Senats auf die Große Anfrage Drs. 21/1741 sowie die Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/4308, 21/5019, 21/6190 und 21/7391. Am 30. November 2016 gab es 32.647 offene Verfahren, die auf den Schreibtischen der hochengagierten Gerichtsvollzieher, die teils bis zu sieben Tage in der Woche ihren Dienst verrichten, schmorten. Die Tätigkeit als Gerichtsvollzieher muss attraktiver und die anspruchsvollen Aufgaben müssen angemessen vergütet werden. Ein Schritt in diese Richtung wäre die Änderung der Vollstreckungsvergütungsverordnung und die Aufhebung der Deckelung des Höchstbetrages nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts. Auch wenn die Regierungsfraktionen unseren entsprechenden Antrag Drs. 21/7086 abgelehnt haben, teilte der Senat in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/7391 erfreulicherweise hin mit, dass die Justizbehörde die Entwicklung in Sachsen-Anhalt aufmerksam beobachte. Daneben sollen künftig auch Seiteneinsteiger zur Ausbildung zugelassen werden. Dies ist zu begrüßen und aufgrund der dürftigen Bewerberlage auch zwingend erforderlich, um die Personalsituation nachhaltig zu verbessern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Belastungssituation ist insbesondere auf vakante Stellen für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher zurückzuführen. Der Senat hat aus diesem Grund eine Ausbildungsinitiative gestartet, aktuell laufen die Prüfungsverfahren. Ziel ist es, die derzeit 11 vakanten Stellen zum 1. Mai 2017 zu besetzen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Stellen für Gerichtsvollzieher gibt es aktuell an den einzelnen Amtsgerichten und wie viele davon sind jeweils besetzt? Bitte zum Stichtag 1. April 2017 angeben. 2. Wie viele Gerichtsvollzieherbezirke sind an jeweils welchem Amtsgericht seit jeweils wann aus welchen Gründen unbesetzt? Wie viele Gerichtsvollzieherbezirke müssen seit wann aus welchen Gründen vertreten werden? Drucksache 21/8678 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Daten zum Stichtag 1.4.2017 Planstellen besetzte Planstellen Anzahl der besetzten Bezirke Bemerkung AG Altona 11 11 11 - AG Barmbek 14 12 12 Zwei Bezirke aufgrund Beurlaubung unbesetzt seit 26.10.2015 bzw. 01.01.2016 AG Bergedorf 6 4 5 Gerichtsvollziehervertretung für 1 Bezirk; 1 Bezirk durch Vertreterwechsel unbesetzt seit 16.01.2017 AG Blankenese 3 2 2 Ein Bezirk ist aufgrund Ruhestands unbesetzt seit 01.11.2011 AG Hamburg- Mitte 19 17 18,5 Gerichtsvollziehervertretung für 1,5 Bezirke; Restlicher 0,5 Bezirk unbesetzt durch Vertreterwechsel zum 02.01.2017 AG Harburg 16 14 15,5 Gerichtsvollziehervertretung in 1,5 Bezirken; ein restlicher 0,5 Bezirk aufgrund Ruhestands unbesetzt seit 08.10.2016 AG Wandsbek 12 11 12 Gerichtsvollziehervertretung ; ein Ruhestand zum 01.02.2017 AG St. Georg 18 16 16 Gesamt 99 87 92 Gerichtsvollziehervertretung für alle Amtsgerichte 5 6 siehe Angaben in der Spalte Bemerkung Ein Vertreter kann zurzeit nicht eingesetzt werden 3. Werden zum 1. Mai 2017, wie in der Drs. 21/7391 angekündigt, alle vakanten Stellen besetzt sein? Falls nein, wie viele weshalb nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8678 3 Siehe Vorbemerkung. Zwölf Kandidatinnen und Kandidaten befinden sich derzeit im Prüfungsverfahren. Nach dem schriftlichen Teil sind bisher elf von ihnen zur mündlichen Prüfung zugelassen. Ein Kandidat muss die Prüfung wiederholen. 4. Wie viele Überlastungsanzeigen von Gerichtsvollziehern gab es insgesamt im 1 Quartal 2017? Bitte pro Amtsgericht und gesamt darstellen. Amtsgerichte Überlastungsanzeigen in 2017 AG Altona 0 AG Barmbek 0 AG Bergedorf 0 AG Blankenese 0 AG Hamburg-Mitte 0 AG Harburg 0 AG St. Georg 0 AG Wandsbek 2 5. Wie viele Beschwerden aufgrund zu langer Verfahrensdauern der Zwangsvollstreckung von Gläubigern beziehungsweise Verfahrensbevollmächtigten gab es im 1. Quartal 2017? Bitte pro Amtsgericht und gesamt darstellen. Amtsgerichte Beschwerden wegen langer Verfahrensdauer im Jahr 2017 AG Altona 1 AG Barmbek 0 AG Bergedorf 4 AG Blankenese 0 AG Hamburg-Mitte 3 AG Harburg 5 AG St. Georg 50 AG Wandsbek 1 6. Wie hat sich die Arbeitsbelastung der Gerichtsvollzieher im 4. Quartal 2016 sowie im 1. Quartal 2017 an den einzelnen Amtsgerichten und insgesamt entwickelt? Bitte pro Amtsgericht und insgesamt darstellen. Die in den folgenden Tabellen dargestellte Belastungssituation ergibt sich auf Grundlage des Hamburger Belastungsschlüssels im Verhältnis zu der Anzahl der Aufträge und der tätigen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher. Der Belastungsschlüssel ist vorrangig ein Instrumentarium, das der gleichmäßigen Verteilung der Aufträge zwischen den Gerichten und den einzelnen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern dient und ist nicht geeignet, die konkrete Belastungssituation zu bemessen. IV. Quartal 2016 Amtsgerichte Belastung AG Altona/AG Blankenese * 100,25% AG Barmbek 128,56% AG Bergedorf 106,77% AG Hamburg-Mitte 125,81% AG Harburg 164,92% AG St. Georg 123,10% AG Wandsbek 133,76% Gesamt 126,49% I. Quartal 2017 Amtsgerichte Belastung AG Altona/AG Blankenese * 98,69% AG Barmbek 122,66% AG Bergedorf 128,37% Drucksache 21/8678 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 I. Quartal 2017 Amtsgerichte Belastung AG Hamburg-Mitte 134,29% AG Harburg 147,90% AG St. Georg 124,09% AG Wandsbek 133,53% Gesamt 126,17% *Die Amtsgerichte Blankenese und Altona haben seit 2015 einen Belastungsverbund gebildet 7. Wie hat sich die durchschnittliche Fehlzeitenquote an den einzelnen Amtsgerichten im 4. Quartal 2016 sowie im 1. Quartal 2017 entwickelt? Fehlzeitenquote der Gerichtsvollzieher Oktober November Dezember Gesamt AG Altona 0% 0,40% 1,30% 0,60% AG Barmbek 2,90% 2,30% 0,40% 1,90% AG Bergedorf *** *** *** *** AG Blankenese *** *** *** *** AG Hamburg-Mitte 4,70% 1,10% 2,60% 2,70% AG Harburg 7% 10% 6,70% 7,90% AG St.Georg 14,70% 12,40% 4,80% 10,70% AG Wandsbek 17,10% 16,70% 26,60% 20,10% Gesamt 7,30% 6,50% 6,20% 6,60% Fehlzeitenquote der Gerichtsvollzieher Januar Gesamt1) AG Altona 0% 0% AG Barmbek 8,30% 8,30% AG Bergedorf *** *** AG Blankenese *** *** AG Hamburg-Mitte 1,20% 1,20% AG Harburg 7% 7% AG St.Georg 0% 0% AG Wandsbek 18,90% 18,90% Gesamt 5,30% 5,30% *** Das System zur Ermittlung der Fehlzeiten weist nach einer Umstellung keine Fehlzeiten aus, wenn die ausgewertete Gruppe fünf Personen nicht übersteigt. Eine manuelle Auswertung der Fehlzeiten ist nicht möglich. Die Werte der Amtsgerichte Blankenese und Bergedorf sind im Gesamtwert berücksichtigt. 1) Die Fehlzeiten für Februar und März liegen noch nicht vor. 8. Wie hat sich die Anzahl der offenen Verfahren zum Stand 31. März 2017 entwickelt? Bitte pro Amtsgericht und insgesamt darstellen. Amtsgerichte Bestandszahlen März *) 2017 AG Altona 2449 AG Barmbek 4405 AG Bergedorf 1741 AG Blankenese 496 AG Hamburg-Mitte 6409 Harburg 4545 St. Georg 6108 Wandsbek 3428 Gesamt 29581 *) Bestandsmeldung der Gerichtsvollzieher 9. Wie viele Gesamteingänge gab es im Jahr 2016 sowie im 1. Quartal 2017? Die Zahl der Eingänge wird statistisch nicht erfasst. Die manuelle Ermittlung aus den Gerichtsvollzieherakten ist aufgrund der großen Zahl der Vorgänge in der für die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8678 5 Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich , siehe Drs. 21/1741. 10. In der Drs. 21/4308 hat der Senat angekündigt, dass bis zum Herbst (2016) mit der Überarbeitung des bisherigen Belastungsschlüssels (bislang Bad Nauheimer Pensenschlüssel) durch eine länderübergreifende Arbeitsgruppe zu rechnen und die Ausbildungsplanung gegebenenfalls entsprechend anzupassen sei. Zum Zeitpunkt der Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/7391 war der Sachstand noch unverändert. a. Liegt der überarbeitete Belastungsschlüssel mittlerweile vor? b. Falls ja, seit wann und welche Erkenntnisse hat die zuständige Behörde hieraus gewonnen? c. Falls ja, inwiefern ist die Ausbildungsplanung nach Ansicht der zuständigen Behörde anzupassen? d. Falls nein, wann ist mit diesem zu rechnen? Die länderübergreifende Arbeitsgruppe hat Ihre Ergebnisse in der letzten Pensenkonferenz im März 2017 vorgestellt. Sie ist nicht zu einem einheitlichen Ergebnis gekommen . Die einzelnen Ergebnisse des Berichts müssen jetzt bewertet werden und die Konsequenzen für Hamburg mit den Beteiligten beraten werden. Es ist beabsichtigt, dies zum nächsten Ausbildungsjahrgang 2018 abzuschließen. 11. In der Drs. 21/7391 kündigte der Senat an, dass die derzeit geltende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung geändert wird, um auch in Hamburg Seiteneinsteiger zur Sonderlaufbahn Gerichtsvollzieher zulassen zu können. Der entsprechende Verordnungsentwurf soll bis zum Sommer verabschiedet werden. a. Ist gewährleistet, dass der Zeitplan eingehalten und die Ausbildungs - und Prüfungsverordnung bis zum Sommer verabschiedet wird? Die Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung ist im Zeitplan. b. Zu wann können dann erstmalig Seiteneinsteiger die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher beginnen? Zum 01.01.2018 startet für die Seiteneinsteiger ein Einführungslehrgang und ab 01.07.2018 beginnt die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher. 12. Hat die Beobachtung der Entwicklung in Sachsen-Anhalt durch die zuständige Behörde schon zu neuen Erkenntnissen geführt? Falls ja, zu welchen? Falls nein, weshalb nicht? Wann sollen die dortigen Praxiserfahrungen bewertet und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zur Aufhebung der Deckelung des Höchstbetrages durch Änderung der Vollstreckungsvergütungsverordnung ergriffen werden? Es liegen noch keine Ergebnisse vor. Zeitlich wird dieser Punkt gemeinsam mit der Überarbeitung des Belastungsschlüssels behandelt. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. a. bis d.