BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/868 21. Wahlperiode 30.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 23.06.15 und Antwort des Senats Betr.: Nachfragen zur Großen Anfrage (Drs. 21/297) „Sozialversicherung, Mindestlohn und arbeitsrechtliche Standards für arbeitende Inhaftierte“ In der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Sozialversicherung , Mindestlohn und arbeitsrechtliche Standards für arbeitende Inhaftierte “ (Drs. 21/297) antwortete der Senat auf die Frage ob bei arbeitenden Inhaftierten in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird: „Es werden keine Rentenversicherungsbeiträge für Gefangene gezahlt, die in Vollzugsanstalten beschäftigt sind, da eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht besteht. Das Anliegen der Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung wurde jedoch im Rahmen der 121. Tagung des Strafvollzugsausschusses der Länder vom 6. bis zum 8. Mai 2015 aufgegriffen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die Rentenversicherung unter dem Aspekt des Wiedereingliederungsauftrages des Strafvollzuges rechtspolitisch notwendig ist, da eine eigenverantwortliche Lebensführung des Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten nach der Entlassung der sozialen Absicherung bedarf. Hamburg unterstützt diese Initiative.“ Aus Sicht von Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisationen ist die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung eine notwendige Konsequenz aus dem Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip: Prinzipien mit Verfassungsrang! Im Grundgesetz heißt es im Artikel 3 (1): Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Auch die Würde der arbeitenden Gefangenen wird durch die Exklusion aus den Sozialversicherungssystemen schwer verletzt . Der Ausschluss, der einer Zusatzbestrafung gleichkommt, widerspricht zudem den Forderungen des Strafvollzugsgesetzes nach Resozialisierung und Angleichung der Lebensverhältnisse. Im Hamburgischen Strafvollzugsgesetz heißt es in § 3 Gestaltung des Vollzuges im Absatz (1): „Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken . Der Vollzug ist von Beginn an darauf auszurichten, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In welcher Weise wurde das Thema Rentenversicherung im Rahmen der 121. Tagung des Strafvollzugsausschusses der Länder vom 6. bis zum 8. Mai 2015 aufgegriffen? 2. Wurden dort konkrete Maßnahmen vereinbart, um die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung umzusetzen? Drucksache 21/868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn ja: a. auf welche Weise? b. zu welchem Zeitpunkt? Wenn nein: a. Wurde überhaupt etwas Konkretes vereinbart? b. Wurde ein Zeitfenster für konkrete Schritte aufgemacht? 3. In welcher Weise wurde das Thema Rentenversicherung im Rahmen der Konferenz der Justizminister/-innen vom 17.-18. Juni 2015 aufgegriffen? 4. Wurden dort konkrete Maßnahmen vereinbart, um die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung umzusetzen? 5. Hat der Hamburger Justizsenator die dortige Initiative der Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern zur Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung unterstützt? Wenn nein: warum nicht? 6. Teilt der Senat folgende Argumentation der Justizministerin von Mecklenburg -Vorpommern: a. „Der Bund als zuständiger Gesetzgeber in Sachen Rente braucht das Zeichen aus den Ländern“? b. „Die Altersvorsorge gehört zu jedem Leben dazu. Alle Menschen, auch Gefangene, müssen die Möglichkeit haben, Rentenbeiträge einzuzahlen. Arbeitende Gefangene sollen durchaus am Rentenversicherungssystem teilnehmen. Ich sehe das als wichtigen Beitrag zur Resozialisierung an. Nur wenn Resozialisierung auf allen Ebenen klappt, ist der Opferschutz gewährleistet“? Zu a.: Wenn ja: Gibt der Senat ein Zeichen aus dem Bundesland Hamburg? Wenn nein: Aus welchen Gründen tut er das nicht? Zu b.: Wenn nein: warum nicht? 7. Unterstützt der Senat Initiativen weiterer Akteure zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung? Wenn ja: welche und wie? Wenn nein. warum nicht? 8. Ergreift der Senat eigene Initiativen zur Umsetzung der Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung? Der Strafvollzugsauschuss der Länder hat sich in seiner 121. Tagung vom 6. bis 8.Mai 2015 mit der Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung befasst. Auf seine Empfehlung haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf ihrer 86. Konferenz am 17. und 18. Juni 2015 mit der Stimme Hamburgs beschlossen: „Die Justizministerinnen und Justizminister bitten den Strafvollzugsausschuss der Länder, Grundlagen und Auswirkungen einer Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten für Beschäftigungszeiten während der Haft und der Sicherungsverwahrung in die gesetzliche Rentenversicherung zu prüfen und der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zu berichten.“ Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst. 9. Die Einführung eines Mindestlohns für arbeitende Inhaftierte lehnt der Senat in der Antwort auf die Große Anfrage (Drs. 21/297) mit der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/868 3 Begründung ab: „Die Arbeit in Haft dient vorrangig dem Erhalt und der Förderung der Arbeitsfähigkeit.“ Wie bringt der Senat diese Argumentation mit dem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 (1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ in Einklang? Die Begründung für die Einführung des Mindestlohnes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lassen sich nicht auf die Gefangenenarbeit übertragen. Siehe Drs. 21/297.