BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8715 21. Wahlperiode 18.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 12.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Reizgasattacken an Hamburgs Schulen Presseberichten zufolge kam es kürzlich zu einer erneuten Reizgas-Attacke am Hansa-Gymnasium. Es gab zahlreiche Verletzte und einen Großeinsatz von Feuerwehr und Polizei. In den letzten Wochen ist es bereits mehrfach zu ähnlichen Vorfällen an Hamburger Schulen gekommen. Angesichts der zum Schuljahresbeginn 2015/2016 von SPD-Schulsenator Rabe geänderten „Richtlinie zur Bearbeitung und Meldung von Gewaltvorfällen in Schulen“ ist diese Entwicklung besorgniserregend. Seitdem beschränkt sich die Meldepflicht der Schulen nur noch auf Raub, Erpressung, gefährliche Körperverletzung und Straftaten gegen das Leben. Mehrere andere Delikte sind in der neuen Richtlinie gestrichen worden. Das betrifft etwa Körperverletzung, schwere Fälle der Beleidigung und des Diebstahls, Verstöße gegen das Waffengesetz und gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anfrage der FDP-Fraktion Drs. 21/1917). Das kann dazu führen, dass sich vermeintlich geringere Gewaltvorfälle in Schulen unbemerkt mehren. Die Karrieren von Gewalttätern müssen aber frühzeitig unterbrochen werden, um Eskalationen zu vermeiden . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Erkenntnisse liegen bislang über den Tathergang vor? 2. Wie viele Verletzte gibt es und welcher Art sind diese Verletzungen jeweils? 3. Welche Erkenntnisse liegen bislang über den oder die Täter vor? a. Wie viele Personen waren an der Tat beteiligt? Wie viele davon sind Schüler der Schule? b. Waren auch Personen, die nicht Schüler dieser Schule sind, beteiligt ? Wenn ja: Wie sind sie auf das Schulgelände gelangt? c. Welcher Nationalität sind die Tatverdächtigen? d. Nach wie vielen Personen wird gefahndet? e. Wie alt sind die Tatverdächtigen jeweils? f. Welche Delikte werden den einzelnen Tatverdächtigen jeweils vorgeworfen ? Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen versprühten der/die Täter am 10. April 2017 gegen 10 Uhr am Ende der ersten Pause im Flur des dritten Stockwerks im Altbau des Hansa-Gymnasiums vor einem Klassenraum im Schulgebäude einen reiz- Drucksache 21/8715 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gasähnlichen Stoff. Dieses wurde durch Schüler festgestellt, die die Schulleitung informierten. Bei Eintreffen der Einsatzkräfte war das Schulgelände geräumt worden. Insgesamt wurden 38 Schülerinnen und Schüler verletzt, von denen 13 ambulant in Krankenhäusern behandelt wurden. Bei den Verletzungen handelt es sich ausnahmslos um Augen- und Atemwegsreizungen. Die Polizei führt derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung gegen Unbekannt. Darüber hinaus befinden sich die polizeilichen Ermittlungen zum Sachverhalt erst am Anfang. Um einen möglichen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, wird von einer weitergehenden Beantwortung der Fragen abgesehen. Nach Auskunft der Schulleitung konnten alle am Vorfall beteiligten Schülerinnen und Schüler am nächsten Tag wieder am Unterricht teilnehmen. 4. Was haben die Lehrkräfte unternommen bis zum Eintreffen der Polizei und Rettungskräfte? Die Schulleitung wurde sofort von dem Vorfall informiert. Die Lehrkräfte begleiteten die Schülerinnen und Schüler auf den Hof und beaufsichtigten sie dort, nachdem die Schulleitung die Räumung des Gebäudes angeordnet hatte. Eine besonders betroffene Schülerin wurde im Rahmen der Ersthilfe durch eine Lehrerin versorgt. Polizei und Rettungskräfte trafen sehr schnell ein, praktisch gleichzeitig mit der Räumung des Gebäudes. 5. Wie viele Angriffe mit Reizgas hat es seit dem 1. Dezember 2016 an Hamburgs Schulen gegeben? Bitte aufschlüsseln nach Schulen und Datum. Die erfragten Angaben werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht zentral erfasst. Daher erfolgt eine Beantwortung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse. Der für Bildung zuständigen Behörde sind inklusive dem Vorfall am Hansa-Gymnasium insgesamt acht Vorfälle dieser Art seit Dezember 2016 bekannt. Es waren vier Gymnasien (11.01.2017, 13.01.2017, 27.02.2017, 10.04.2017), zwei Stadtteilschulen (20.12.2016, 03.03.2017) und zwei Berufliche Schulen (15.12.2016, 20.12.2016) betroffen. 6. Wie viele Schüler und Lehrer wurden bei diesen Attacken insgesamt verletzt und wie schwer waren die Verletzungen? 7. Wie viele Polizei- und/oder Feuerwehreinsätze waren dadurch bedingt? 8. Welche Kosten sind hierdurch entstanden? 9. Werden diese Kosten von den Tätern eingefordert? 10. Welche Erkenntnisse liegen über die Täter vor (Alter, Geschlecht, Nationalität )? 11. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden über die verwendeten Reizgase vor? 12. Bei wie vielen Fällen handelte es sich um Reizgas im waffenrechtlichen Sinn und bei wie vielen um unbedenkliches Tierabwehrspray? Statistiken im Sinne der Fragestellungen werden weder von der Polizei noch der Feuerwehr geführt. Bei der Polizei wäre eine manuelle Durchsicht mehrerer Zehntausend Vorgänge des erfragten Zeitraums erforderlich. Im Einsatzleitsystem der Feuerwehr werden Reizgasattacken nicht gesondert erfasst, sodass eine Auswertung von circa 120.000 generierten Berichten erforderlich wäre. Die manuelle Durchsicht dieser Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 13. Welche Maßnahmen wurden jeweils daraufhin von den Schulen und welche von der Schulbehörde ergriffen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8715 3 Die Beratungsstelle Gewaltprävention bietet den meldenden Schulen in jedem Einzelfall ihre Unterstützung an. Die Beratungen haben regelhaft sowohl die Betreuung der geschädigten Personen als auch den schulrechtlichen und pädagogischen Umgang mit den Tatverdächtigen, sofern es sich um Schülerinnen oder Schüler der betroffenen Schule handelt, zum Inhalt. Die Beratungsstelle Gewaltprävention bietet den Schulen auch Unterstützung bei Elternveranstaltungen zur Aufarbeitung eines Vorfalles an; dies geschieht in Absprache und Kooperation mit dem zuständigen Jugendbeauftragten der Polizei Hamburg. 14. Wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet? Falls ja, wie viele und wie ist der jeweilige Sachstand? Die Polizei leitet in allen ihr zur Kenntnis gelangenden Sachverhalten im Sinne der Fragestellung Ermittlungsverfahren ein und trifft alle erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung und Abwehr von Gefahren. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. bis 3. f. und 6. bis 12. 15. Sind in diesen Fällen Meldungen nach der Melderichtlinie für Gewaltvorfälle in Schulen erfolgt? Wenn ja: Wie wurde damit jeweils verfahren? Wenn nein: warum nicht? In Fällen von gefährlicher Körperverletzung wird die Schulleitung gemäß der Richtlinie zur Meldung und Bearbeitung von Gewaltvorfällen an Schulen den Vorfall melden. Nicht in allen Fällen einer Reizgasattacke kam es zu Verletzungen, insofern werden diese Vorfälle dann von der Schulleitung als besonderes Vorkommnis an die Schulaufsicht gemeldet. Auch ohne eine Gewaltmeldung gemäß der Richtlinie berät und unterstützt die Beratungsstelle Gewaltprävention die Schulen bei Bedarf. Eine polizeiliche Anzeige ist in jedem Fall ergangen, bei dem es zu einem Polizeieinsatz vor Ort gekommen ist. 16. In wie vielen Fällen wurde das Jugendamt eingeschaltet und warum? Siehe Antwort zu 14.