BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8751 21. Wahlperiode 25.04.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 18.04.17 und Antwort des Senats Betr.: Welche Strategie verfolgt der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge? Wie so oft ergeben sich auch aus der aktuellen Monatsbilanz des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge (ZKF) und seinen Prognosen Nachfragen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In seiner Monatsbilanz für den März 2017 gab der ZKF am 7. April 2017 bekannt, dass immer noch 600 Flüchtlinge in prekären Unterkünften, sprich Baumärkten und Hallen, leben würden. a) Angesichts des Umstandes, dass andere Erstunterkünfte nicht voll belegt sind, stellt sich die Frage, warum der Senat immer noch eine Belegung der prekären Unterkünfte grundsätzlich als notwendig erachtet? b) Mit Stand Ende Februar 2017 war die Erstunterkunft in Bad Segeberg mit nur 94 Personen belegt, obwohl Hamburg 1.000 Plätze nutzen kann. Wieso zieht der Senat ganz konkret die Belegung von prekären Unterkünften der Verlegung nach Bad Segeberg vor? Und welche Kosten entstehen der Stadt Hamburg für die 1.000 Plätze als Fixkosten und welche Belegungskosten sind mit Schleswig- Holstein vereinbart? Die Unterbringung von Personen in sogenannten prekären Unterkünften konnte seit dem Jahresbeginn 2016 kontinuierlich von mehreren Tausend Personen auf jetzt noch wenige Hundert Personen reduziert werden. Derzeit sind noch zwei Hallen belegt. Die Belegung erfolgt dabei deutlich unterhalb der technischen Belegungskapazität. Insgesamt sind nur noch circa 350 Personen in Hallenplätzen untergebracht. Aufgrund der geringen Belegung ergeben sich damit auch in diesen beiden Hallen weitaus bessere Unterbringungsbedingungen als noch am Anfang des Jahres 2016. Die Unterbringung in diesen beiden Hallen wird bei einer Fortdauer des niedrigen Zuganges von Flüchtlingen kontinuierlich weiter zurückgeführt. Dies geschieht jedoch nicht durch kurzfristige Schließungen. Die Verlegung in andere Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgt vielmehr abgestimmt auf die sozialen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner, zum Beispiel in Bezug auf Patenschaften, Praktika , Schulbesuche. Sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und Plätze verfügbar sind, erfolgt eine Verlegung in öffentlich-rechtliche Unterkunft (örU). Aufgrund der Vereinbarung mit dem Land Schleswig-Holstein, nur bestimmte Asylbewerbergruppen (Neuzugänge mit voraussichtlich längerer Asylverfahrensdauer) nach Bad Segeberg zu verlegen, kommt eine Verlegung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus prekären Unterkunftsplätzen nach Schleswig-Holstein nicht in Betracht. Drucksache 21/8751 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Derzeit werden auf der Basis von 512 nutzbaren Plätzen monatliche Vorauszahlungen für Fixkosten (Miete, Bewirtschaftung, Personal, Betreuung, Beschulung, Investitionen und IT) von 585.000 Euro und für eine vorzuhaltende Polizeidienststelle von 38.000 Euro berechnet. Hinzu kommen Vorauszahlungen für variable Kosten (Verpflegung, hausärztliche Versorgung, Bewachung, Transport, Ausstattung, Dolmetscher, Sprachkurse und Sonstiges) in Höhe von 260.000 Euro monatlich. 2. Der ZKF erwähnte auch, dass im 1. Quartal des Jahres 2017 833 von 1.357 Hamburg zugewiesenen Flüchtlingen einen Unterbringungsbedarf hatten, was 61 Prozent entspricht. Im Vorjahreszeitraum waren es aber 4.685 von 5.319 Flüchtlingen und somit 88 Prozent. Warum ist der Unterbringungsbedarf der Hamburg zugewiesenen Flüchtlinge so markant gesunken? Wo kommen die Hamburg zugewiesenen Personen ohne Unterbringungsbedarf unter? Der Anteil der in Hamburg verbleibenden Personen, die einen Unterbringungsbedarf auslösen, unterliegt deutlichen Schwankungen. Siehe nachfolgende Tabelle. Anteil der in Hamburg verbleibenden Personen mit Unterbringungsbedarf (in Prozent) seit Januar 2016: Jan. 2016 Feb. 2016 März 2016 Apr. 2016 Mai 2016 Juni 2016 Juli 2016 Aug. 2016 Sep. 2016 Okt. 2016 Nov. 2016 Dez. 2016 Jan. 2017 Feb. 2017 März 2017 87 92 79 67 63 84 78 74 93 66 76 63 63 60 61 Es gibt verschiedene Personengruppen, die keinen Unterbringungsbedarf in einer Erstaufnahme haben und auch nicht verpflichtet sind, dort zu wohnen. Statistische Auswertungen zu den Gründen, weshalb im Einzelfall kein Unterbringungsbedarf besteht, existieren nicht. Eine Auswertung aller 833 Ausländerakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Als Personen ohne Unterbringungsbedarf in einer Erstaufnahmeeinrichtung werden aber zum Beispiel unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA), die in Jugendhilfeeinrichtungen wohnen, sowie in Hamburg geborene Kinder von Asylbewerbern , die nicht mehr in einer Erstaufnahme leben (sondern in einer Privatwohnung oder in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung), erfasst. 3. In Hamburgs Erstunterkünften lebten laut Aussage des ZKF im März noch 4.728 Flüchtlinge, die einen Anspruch auf einen Platz in einer Folgeunterkunft hatten. Befinden sich unter den „Überresidenten“ auch Personen, die bereits einen negativen Asylbescheid erhalten haben? Wenn ja, wie viele sind es und wieso werden diese als Personen mit Anspruch auf einen Platz in einer Folgeunterkunft geführt, obwohl ihre Ausreise zeitnah absehbar ist? Bei den 4.728 sogenannten Überresidenten handelt es sich um Personen, die bereits länger als den in § 47 Absatz 1 Asylgesetz (AsylG) vorgeschriebenen Zeitraum von sechs Monaten in einer Erstaufnahme untergebracht sind. Gemäß § 47 Absatz 1a AsylG sind Personen aus sicheren Herkunftsstaaten erst nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens aus einer Erstaufnahmeeinrichtung in eine Folgeunterkunft zu verlegen. Grundsätzlich können auch Personen, denen kein Schutzstatus zuerkannt wurde, nach Ablauf von sechs Monaten in eine Folgeunterkunft verlegt werden. Aufgrund der festgelegten Belegungsregeln, nach denen in erster Priorität bereits anerkannte Schutzberechtigte zu verlegen sind, kommt dies in Hamburg angesichts der hohen Zahl von Überresidenten aber faktisch zurzeit nicht zum Tragen. Eine Auswertung, wie viele Personen mit ablehnendem Asylbescheid seit mehr als sechs Monaten in einer Erstaufnahme leben, erfolgt nicht. Im Übrigen ist ein negativer Asylbescheid auch nicht mit dem bestandskräftigen Abschluss eines Asylverfahrens – und somit dem Eintritt einer Ausreisepflicht – gleichzusetzen, wenn die Betroffenen zum Beispiel Klage gegen die Entscheidung erhoben haben. Darüber hinaus siehe auch Drs. 21/4030. Ausländerrechtliche Sachverhalte werden in der für Bewohnerverwaltung eingesetzten Software nicht erhoben. Eine Abfrage aus dem ausländerbehördlichen Fachverfahren müsste für jeden Standort der Erstaufnahme einzeln programmiert und nacheinander durchgeführt werden. Bei derzeit 28 in Betrieb befindli- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8751 3 chen Erstaufnahmen ist dies in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Bezüglich der Vorhaltung einer Reservekapazität führt der Senat in Drs. 21/7486 von Anfang Januar 2017 aus, dass er die Standorte Hellmersbergerweg (400 Plätze), Wendenstraße (130 Plätze), Kieler Straße 433 (550 Plätze), Bredowstraße (300 Plätze) und Geutensweg (500 Plätze) mit zusammen 1.880 Plätzen für den Notfall behalten will. Entspricht diese Aussage noch den aktuellen Planzahlen? Wenn nein, warum nicht? Aufgrund der Erfahrungen aus dem Jahr 2015 und der weiterhin volatilen Situation in den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge halten die zuständigen Behörden die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Kapazität, mit der auch auf kurzfristige Anstiege der Zugangszahlen reagiert werden kann, für erforderlich. Diese ausreichende Kapazität wird durch eine unter ständiger Lagebeobachtung erfolgende umsichtige Rückführung der in Betrieb befindlichen Erstaufnahmeeinrichtungen und das Vorhalten von sogenannten Stand-by-Einrichtungen gewährleistet. Als solche Stand-by-Einrichtungen werden derzeit die Einrichtungen Bredowstraße und Wendenstraße vorgehalten . Als weitere Einrichtungen sind derzeit nach Außerbetriebnahme die Einrichtungen Geutensweg, Kieler Straße und Hellmesbergerweg vorgesehen. Die Entscheidung über solche Stand-by-Standorte wird ständig überprüft und der aktuellen Situation angepasst. 5. Während nach langer Verschleppung mit den privaten Trägern im Oktober 2016 endlich Vereinbarungen über den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung geschlossen wurden, die auch im Transparenzportal eingestellt sind, verzögerte sich die Unterzeichnung des Vertrages mit dem städtischen Betreiber f & w fördern und wohnen AöR um weitere Monate . Wurde der Vertrag inzwischen unterzeichnet? Wenn ja, wann und unter welchem Link ist der Vertrag im Transparenzportal zu finden? Wenn nein, warum nicht? Der Vertragsentwurf befindet sich derzeit in der Schlussabstimmung. 6. Der ZKF führt an, dass Hamburg bis Ende des Jahres 34.000 Plätze in öffentlich-rechtlichen Unterkünften (örU) benötigt. Ende März 2017 waren von 26.104 Plätzen in örU 3.565 von Obdachlosen belegt und 9.497 von Flüchtlingen mit Wohnberechtigung. a) Anhand welcher Kriterien entscheidet welche Stelle, welche Flüchtlinge mit Wohnberechtigung in eine Sozialwohnung ziehen dürfen und welche in einer örU untergebracht werden? b) Und wieso plant der ZKF für Ende 2017 mit so vielen benötigten Plätzen in örU, obwohl bereits jetzt schon 40 Prozent der Flüchtlinge in örU über Wohnberechtigungen verfügen und der Anteil noch zunehmen dürfte im Laufe des Jahres? 7. In der Drs. 21/8487 ist für das Jahr 2016 die Kennzahl B_253_03_007 „Anzahl der Plätze zur öffentlichen Unterbringung bei fördern & wohnen“ beim Ist mit 26.903 Plätzen angegeben. Laut der Drs. 21/8557 und der Monatsbilanz März 2017 des ZKF liegt der Ist-Wert für den März 2017 aber nur bei 26.104 Plätzen. Warum liegt die Ist-Kennzahl 2016 der oben genannten Drs. 21/8487 über dem aktuellen Ist-Wert 2017, der zudem über den Ist-Werten der Vormonate laut Flüchtlingsmonitoring liegt (Januar 2017: 24.409, Februar 2017: 25.209)? Der Bedarf an örU-Plätzen ergibt sich aus der Notwendigkeit, Flüchtlinge nach Ablauf von maximal sechs Monaten Aufenthaltszeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung in einer Folgeunterbringung unterzubringen. Darüber hinaus besteht selbstverständlich das Ziel, die Personen aus den Folgeunterbringungen in normalen Wohnraum zu vermit- Drucksache 21/8751 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 teln. Der Eintritt einer Wohnberechtigung führt dabei aber nicht dazu, dass den Personen auch tatsächlich normaler Wohnraum zur Verfügung steht. Der Senat vermittelt Personen aus den örU, soweit sie nicht in Eigeninitiative Wohnungen finden, im Rahmen der üblichen Regelungen zur Unterbringung von Personen mit Wohnberechtigungen . Eine Privilegierung gegenüber anderen Wohnungssuchenden erfolgt dabei ausdrücklich nicht, um unangemessene Benachteiligungen anderer Menschen in Hamburg zu vermeiden. Um damit zu verhindern, dass Personen mit Eintritt einer Wohnberechtigung die örU ohne Vorhandensein einer Wohnung verlassen müssen und damit obdachlos werden, müssen auch für diese Personen ausreichende örU- Plätze vorgehalten werden, bis diese in Wohnungen umziehen können. Bei dem Ist-Wert März 2017 in Höhe von 26.104 handelt sich um die untergebrachten Personen in der örU und nicht um die Gesamtplatzzahl. Im Übrigen siehe Drs. 21/7422.