BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8958 21. Wahlperiode 09.05.17 Schriftlich Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 03.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Hamburg Research Academy: Wie ist der Stand der Dinge? Mit Drs. 21/4847 beschloss die Bürgerschaft am 12.10.2016 die Gründung der Hamburg Graduate School (HGS) an der Universität Hamburg (UHH). Haupttätigkeitsfeld der HGS sind die Betreuung ausländischer Nachwuchswissenschaftler , die überfachliche Qualifikation von Doktoranden sowie die Beratung von Nachwuchswissenschaftlern. Hierfür benötigt die UHH allerdings die Finanzierung einer Geschäftsführung sowie von Referenten- und Sachbearbeiterstellen. Im Ergebnis sollen durch die beschriebenen Maßnahmen die naturwissenschaftlichen Fächer weiter gestärkt sowie sich entwickelnde Schwerpunkte, zum Beispiel in den Bereichen Lebenswissenschaften (Immunbiologie, Neurowissenschaften, Infektion) und Geistes- und Sozialwissenschaften (Manuskriptkulturen), zusätzlich unterstützt werden. Mit Beschluss des Präsidiums der UHH vom 27.02.2017 wurde die Hamburg Graduate School in Hamburg Research Academy (HRA) umbenannt. In den „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gesamtstrategie der Universität Hamburg“ des Wissenschaftsrates vom 20.02.2017 wird auf den Seite 15 und 137 die Sinnhaftigkeit der HRA (ehemals HGA) infrage gestellt. Die Kompetenz solle besser auf Ebene der Fakultäten bleiben. Es heißt hier konkret: „Die Nachwuchsförderung ist an der UHH insgesamt gut strukturiert. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Hamburg Graduate Academy (HGA) besteht aus Sicht des Wissenschaftsrates nicht. Ihr Umfang, ihre Rolle in der Hamburger Hochschullandschaft sowie ihre Eingliederung in die bestehenden Strukturen der Graduiertenausbildung sollten angesichts des umfassenden Angebots und vor dem Hintergrund daraus resultierender finanzieller und personeller Verpflichtungen kritisch überprüft werden. Neben spezifischen Graduiertenkollegs und -programmen verfügen die Fakultäten MIN, WISO, EW und GW über fakultätsweite Graduiertenschulen als Angebot für Doktorandinnen und Doktoranden, die nicht Mitglied eines spezifischen Programms sind. In diesen Einrichtungen kommen die Fakultäten ihrer Verantwortung für die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses allerdings unterschiedlich nach und sollten sich um die Orientierung an best practices bemühen. Falls man sich dennoch für die Einrichtung der HGS entscheiden sollte, müssten strukturelle Doppelungen und inhaltlich nicht zweckmäßige Aufgabenteilungen vermieden und die Erfordernisse der unterschiedlichen Wissenschaftskulturen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten auch die bestehenden zusätzlichen Bedarfe des wissenschaftlichen Nachwuchses durch diesen selbst eingespeist werden. Vor allem sollte eine bislang vernachlässigte enge Konsultation mit den Hochschulen erfolgen, die sich an der HGA beteiligen können und wollen. Sie sollte außerdem dazu genutzt werden, die Promotionsmöglichkeiten von dazu befähigten Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen zu verbessern und deren Zugang Drucksache 21/8958 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zur Promotion transparent zu regeln. (…) Dass die meisten Juniorprofessorinnen und -professoren bereits vor Auslaufen ihrer Verträge Rufe an andere Hochschulen erhalten, zeugt zwar vom Erfolg des Qualifizierungsinstrumentes , verdeutlicht aber auch, dass fehlende Tenure Track-Optionen ein strukturelles Problem darstellen. (…)“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Wissenschaftsrat hat sich sowohl in seinen „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der MINT-Bereiche an den Hochschulen des Landes Hamburg“ aus dem Januar 2016 als auch in seinen „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gesamtstrategie der Universität Hamburg“ vom Januar 2017 zu der geplanten Etablierung einer zentralen Einrichtung zur Förderung des Nachwuchses , insbesondere von Graduierten, geäußert. In der ersten Empfehlung stellt er fest: „Ein angestrebtes gesamtuniversitäres Graduiertenzentrum kann zur weiteren Unterstützung der Qualität der Nachwuchsförderung dienen und könnte sich ebenfalls an der Graduiertenschule der MIN-Fakultät orientieren.“ In der zweiten Empfehlung sah er mit Blick auf die bestehenden Strukturen der Nachwuchsförderung die Notwendigkeit für eine zusätzliche Hamburg Graduate Academy (HGA) in der seinerzeit geplanten Form kritisch. Unter Berücksichtigung dieser Empfehlungen hielt die Universität Hamburg (UHH) zwar an ihrem Vorhaben grundsätzlich fest, eine HGA zu gründen, greift in der Konzeption aber die Hinweise des Wissenschaftsrates auf. Die zuständige Behörde unterstützte dieses Vorhaben, weil die Erfahrungen der vorangegangenen Exzellenz- Wettbewerbe deutlich gemacht haben, dass Universitäten mit entsprechenden hochschulzentralen Angeboten zur Nachwuchsförderung erfolgreich waren. Das Konzept der HGA war von Beginn an hochschulübergreifend angelegt und verspricht damit aus Sicht der zuständigen Behörde eine strukturbildende Funktion über die UHH hinaus wahrnehmen zu können. Wissenschaftspolitisch ist vor allem die Einbeziehung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg als Fachhochschule interessant . Vor diesem Hintergrund hat der Senat der Bürgerschaft die Drs. 21/4847 vorgelegt, mit der die FHH den Hochschulen unter anderem in Vorbereitung auf die neue Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder zusätzliche Mittel im Umfang von 40 Millionen Euro zur Verfügung stellt. In dieser Drucksache wird unter anderem die Einrichtung der HGA mit den wesentlichen Aufgaben beschrieben und die Finanzierung einer Geschäftsführung sowie von Referenten- und Sachbearbeiterstellen beantragt. Die Bürgerschaft hat der Drucksache im Oktober 2016 einstimmig zugestimmt. Die Gründungsinitiative der UHH zur Einrichtung der HRA begann mit Blick auf die an den meisten der deutschen Hochschulen bereits verankerten Dachgraduierteneinrichtungen und im Hinblick auf den Exzellenz-Wettbewerb. Sie rekurriert insbesondere auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems “ (2013), „Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten “ (2014), „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der MINT-Bereiche an den Hochschulen des Landes Hamburg“ (2016) sowie auf den Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2013). Auf der Grundlage der vorgenannten Empfehlung des Wissenschaftsrats von 2013 zur Gründung von Graduiertenakademien, die genau als universitäre Graduierteneinrichtungen gedacht sind, ist das Konzept der UHH für die HRA entstanden. Der Hochschulrat der UHH hat die Einrichtung der HRA in seiner Sitzung am 02.06.2016 ausdrücklich begrüßt. Die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gesamtstrategie der Universität Hamburg“ des Wissenschaftsrates vom Januar 2017 sprechen sich für eine universitätsübergreifende Ausrichtung der Graduiertenschule aus. Das Präsidium der UHH hat im Dezember 2016 die HGA, mittlerweile Hamburg Research Academy (HRA), als eine Betriebseinheit im Sinne des § 93 Hamburgisches Hochschulgesetz gebildet; die anderen Hochschulen werden über eine Kooperationsvereinbarung eingebunden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8958 3 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf Grundlage von Auskünften der UHH wie folgt: 1. Welches Ziel beziehungsweise welche Intention wird mit der Gründung der HGS beziehungsweise der HRA verfolgt beziehungsweise auf wessen Initiative hin wurde diese gegründet? Die HRA wurde auf Initiative der UHH durch Beschluss des Präsidiums der UHH im September 2016 gegründet und ist eine zentrale Anlaufstelle für die überfachliche Förderung und Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Freien und Hansestadt Hamburg. Ziel ist es, die Sichtbarkeit der Hamburger Nachwuchswissenschaftler zu stärken, den Wissensstandort auch für internationale Talente attraktiver zu machen und die Kooperation unter den Hamburger Hochschulen zu fördern. 2. Warum wurde die HGS entgegen der deutlichen Empfehlung des Wissenschaftsrates gegründet? Siehe Vorbemerkung. 3. a) Welche Fakultäten der UHH und welche weiteren Teilnehmer (auch Hochschulen) sind an der HRA beteiligt? Da die HRA eine universitäre Einrichtung ist, sind automatisch alle Fakultäten der UHH beteiligt. Gespräche über eine Teilnahme werden derzeit mit folgenden acht Hamburger Hochschulen geführt: Technische Universität Hamburg-Harburg, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, HafenCity Universität Hamburg, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Hochschule für Bildende Künste Hamburg , Helmut Schmidt Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, Bucerius Law School und Kühne Logistics University. b) Wer genau ist die Zielgruppe beziehungsweise der anzusprechende Personenkreis der HRA, wer kann an ihr partizipieren? Die Zielgruppen sind Promotionsinteressierte, Promovierende und insbesondere Post- Docs in den unterschiedlichen Karrierewegen: Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen, Assistenten/-innen, Juniorprofessoren/-innen mit und ohne Tenure-Track, Nachwuchsgruppenleiter /-innen, Habilitierende. Außerdem unterstützt die HRA Hochschullehrende und Koordinatoren, die an der Ausbildung und Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses beteiligt sind. 4. a) Über wie viele und welche Stellen verfügt die HRA derzeit, und wie hoch sind die Kosten der HRA derzeit? Bitte differenziert nach Art, Umfang und Funktion der Stelle(n) darstellen sowie nach Kostenarten Personal, Miete, Nebenkosten, Material- und Bürokosten et cetera. Seit April 2016 verfügt die HRA über eine Vollzeit-Stelle (E 13; befristet bis April 2018) für Koordination und als stellvertretende Geschäftsführung. Bislang sind Sachkosten in Höhe von circa 30.000 Euro entstanden. b) Wie viele und welche Stellen sollen für die HRA zukünftig innerhalb welchen Zeitraumes eingerichtet werden, und wie hoch werden die Kosten der HRA nach Einrichtung dieser Stellen sein? Bitte differenziert nach Art, Umfang und Funktion der Stelle(n) darstellen sowie nach Kostenarten Personal, Miete, Nebenkosten, Materialund Bürokosten et cetera. c) Wie viele der unter 4.a. und 4.b. genannten Stellen sind unbefristete und befristete Stellen? Bitte differenziert nach Art, Umfang und Funktion beziehungsweise nach (Nicht-)Befristung der Stelle(n) darstellen . Drucksache 21/8958 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 d) Inwieweit wird die Schaffung von befristeten beziehungsweise entfristeten Stellen der zuständigen Behörde und der UHH bei der HRA als sinnvoll angesehen? Die finale Konzeptualisierung der Stellenmatrix ist erst nach Einstellung eines/r Geschäftsführers/-in möglich. Diese Position (E 15) ist momentan ausgeschrieben. Die unter Frage 4. a) genannte Stelle (E 13) soll dauerhaft zur Verfügung stehen, da Daueraufgaben zu erfüllen sind. e) Wer trägt die unter 4.a. und 4.b. genannten Kosten beziehungsweise in welcher Höhe werden dafür öffentliche Mittel im Wissenschaftsetat zusätzlich zur Verfügung gestellt? Die Finanzierung der HRA erfolgt aus vonseiten des Senats und der Bürgerschaft der FHH bereitgestellten Mitteln für die Exzellenzförderung im Zusammenhang mit der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder. Im Übrigen siehe Drs 21/4847. 5. a) Inwieweit fördert die Gründung und die Arbeit der HRA an der UHH Doppelstrukturen in Bezug auf bereits vorhandene Graduierten-/ Promotionsprogramme an einzelnen Fakultäten der UHH? Siehe Antwort zu 1. sowie Vorbemerkung. b) Inwieweit sind bei der gegründeten HRA bislang vernachlässigte enge Konsultationen mit den Hochschulen, die sich an der HGA beteiligen können und wollen, vorgesehen und eingespeist, wie sie vom Wissenschaftsrat (siehe oben) gefördert wurden? Seit August 2016 finden im Zuge der Ausgestaltung der HRA intensive hochschulübergreifende Gespräche und Kooperationen zur wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung statt. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. a). 6. Inwieweit wurde vonseiten der zuständigen Behörde und/oder der UHH das Problem fehlender Tenure-Track-Optionen, die oftmals zu einem vorzeitigen Weggang von Juniorprofessoren führen, aufgegriffen beziehungsweise wann wird es dafür ein Konzept geben? Die UHH bewirbt sich mit einem Konzept für das bundesweite Tenure-Track- Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Antragsunterlagen hierzu werden im Mai 2017 eingereicht.