BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/8983 21. Wahlperiode 12.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 04.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Wie rechtfertigt Senat das Quasi-Monopol von f & w fördern und wohnen AöR bei Folgeunterkünften? In Drs. 21/8600 verkündet die zuständige Behörde, dass sie entgegen der im „Konsens mit den Initiatoren der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration ““ (Drs. 21/5231) gemachten Zusage, grundsätzlich davon absehe, öffentlich -rechtliche Folgeunterkünfte (örU) von einem anderen Betreiber als f & w fördern und wohnen AöR (f & w) betreiben zu lassen. Im Konsens wurde hingegen vereinbart: „Der Betrieb von Erstaufnahmeeinrichtungen und Folgeunterkünften soll nicht ausschließlich durch städtische Gesellschaften wie fördern und wohnen geschehen. Vielmehr sollten im Rahmen rechtskonformer, möglichst zügiger Vergabeverfahren auch erfahrene und anerkannte Hilfsorganisationen , wie zum Beispiel ASB, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter oder Malteser, die Möglichkeit erhalten, den Betrieb von Einrichtungen übernehmen können.“ Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) will jedoch allenfalls im Einzelfall bei örU einen anderen Betreiber als f & w zulassen. Die von der BASFI angeführten Gründe für diese Entscheidung lassen jedoch Fragen offen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Als ein Grund, der für f & w als Betreiber spräche, wird die Durchführung hoheitlicher Aufgaben angeführt. Welche hoheitlichen Aufgaben führt f & w im Rahmen eines Betriebs einer örU durch? Bitte die jeweiligen Aufgaben mit Beispielen benennen und darlegen, wie diese von einem privaten Betreiber erledigt beziehungsweise an wen diese weitergegeben werden. Die Gebührenfestsetzung für die Erhebung der Gebühren der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (örU) nach Gebührenordnung stellt eine hoheitliche Aufgabe dar, zu der f & w fördern und wohnen AöR (f & w) durch Gesetz ermächtigt ist. Private Betreiber sind grundsätzlich nicht zu dieser hoheitlichen Aufgabe berechtigt. Die Gebührenfestsetzung erfolgt daher von f & w auch für die privaten Betreiber. Die Zuweisung und Ausweisung der Geflüchteten über die Aufnahme- und Verteilungsstelle (AVS) von f & w in eine Erstaufnahmeeinrichtung oder örU erfolgt ebenfalls als Verwaltungsakt und stellt damit eine hoheitliche Aufgabe dar. Diese übernimmt f & w deshalb auch für die privaten Betreiber. 2. Außerdem heißt es, der Umstand, dass f & w Erstunterkünfte (EA) betreibe, sorge dafür, dass das Unternehmen sein Personal besser steuern könne. a) Drs. 21/8601 zeigt in Anlage 1 eine Übersicht über das „Personal der Erstaufnahmeeinrichtungen in 2016 (in VZÄ)“. Wie hat sich das Drucksache 21/8983 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Personal in den ersten vier Monaten des Jahres 2017 in den hier angeführten Einrichtungen entwickelt? Bitte in VZÄ aufschlüsseln. Die Anzahl der Vollzeitäquivalente von den Erstaufnahmeeinrichtungen (EA), die von f & w betrieben werden: Einrichtung Januar 2017 Februar 2017 März 2017 April 2017 Bargkoppelweg 23,00 22,62 22,62 20,62 Bargkoppelstieg 42,92 42,69 45,74 40,96 Dratelnstraße 1 und 2 35,74 34,87 34,87 27,87 Grellkamp 21,59 21,59 20,59 19,37 Harburger Poststraße 18,17 17,99 16,99 16,32 Holstenhofweg 17,00 16,00 14,00 15,00 Hörgensweg 0,00 0,00 0,00 0,00 Jenfelder Moorpark 19,21 16,56 16,56 11,56 Kurdamm 12,00 12,00 12,00 13,82 Niendorfer Straße 17,31 17,31 13,31 3,00 Osterrade 14,15 13,15 13,15 11,79 Schnackenburgallee 52,50 48,50 47,50 38,36 Schwarzenberg Festplatz 16,99 17,17 16,17 8,79 Sportallee 70 inkl. Heselstücken 31,78 30,78 28,78 31,55 Richard-Remé-Haus 5,00 5,00 4,00 5,00 Wiesendamm 3 1,00 0,00 0,00 0,00 Summe 328,36 316,23 306,28 264,01 b) Wie viele Mitarbeiter hat f & w derzeit? Wie viele waren es im Vergleichsmonat des Jahres 2016? Wie viele davon in jeweils welchen Bereichen? Mit Stichtag 5. Mai 2016 waren 233 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Eingliederungshilfe , 1.067 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geschäftsbereich Wohnen und 261 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hauptverwaltung tätig. Zum selben Stichtag im Jahr 2017 waren 228 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Eingliederungshilfe, 1.044 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geschäftsbereich Wohnen und 268 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hauptverwaltung. c) Wie viele Mitarbeiter von f & w sind derzeit in Folgeunterkünften tätig? Wie viele waren es im Vergleichsmonat des Jahres 2016? In den örU waren am 5. Mai 2016 533 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, zum entsprechenden Stichtag im Jahr 2017 waren es 680 Personen. d) Wie viele Mitarbeiter wechselten im Zeitraum von Anfang 2016 bis April 2017 von f & w von einer EA in eine örU? 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechselten im Zeitraum von Januar 2016 bis April 2017 von einer EA in eine örU in Hamburg. Weitere 19 Mitarbeiter aus einer EA sind vorübergehend in einer örU in Berlin tätig, siehe Drs. 21/8088. e) Wie viele Mitarbeiter in von f & w betriebenen EA befinden sich an einem Standort, der für eine Schließung vorgesehen ist? Wie viele davon werden in örU wechseln? Der Personaleinsatz erfolgt bei f & w anhand der jeweiligen Bedarfe in den einzelnen Unternehmensbereichen. Von Standort-/Abteilungsschließungen betroffene Mitarbeiter werden zuerst auf freie Stellen im eigenen Geschäftsbereich umgesetzt. Ist der Bedarf im eigenen Geschäftsbereich gedeckt, werden die Personen, deren Eignung vorausgesetzt, auf freie Stellen in anderen Geschäftsbereichen versetzt. Zu den geplanten Schließungen von EA siehe Drs. 21/7876. f) An welchen EA-Standorten gedenkt f & w im Rahmen geringer Auslastungsquoten innerhalb der nächsten Monate Personal zu reduzie- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/8983 3 ren? Um wie viele Mitarbeiter handelt es sich hier und wie viele davon sollen in örU wechseln? Die Personalressourcen werden gemäß der Schließungen von EA und der abnehmenden Belegung permanent reduziert. Bei entsprechender Eignung werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in örU umgesetzt. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 3. In Drs. 21/8751 heißt es, die Vereinbarungen über den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung mit f & w seien „in der Schlussabstimmung“. Wann ist mit der Vorlage zu rechnen und in welchen Punkten unterscheidet sich dieser Vertrag von den Verträgen mit den anderen Betreibern ? Aufgrund welcher offenen Fragen haben sich die Verhandlungen so lange hingezogen? Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, da einerseits eine Gleichbehandlung aller Betreiber von Erstaufnahmeeinrichtungen angestrebt wird, andererseits die besondere Stellung eines landeseigenen Unternehmens, das die Versorgung mit Gemeinschaftsunterkünften flächendeckend sicherzustellen hat, zu berücksichtigen ist. 4. Als ein weiterer Grund, der für f & w als quasi alleiniger Betreiber spräche , führt der Senat in Drs. 21/8600 auch folgenden Hinweis an: „Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass Erfahrungen in anderen Ländern gezeigt haben, dass die Vergabe an einen Betreiber hohe Risiken von rechtlichen Auseinandersetzungen und Gerichtsverfahrens bergen, da die zugrundeliegenden Leistungs- und Preiskriterien Potenzial für Anfechtungen bieten. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass bereits fertiggestellte Unterkünfte aufgrund anhängiger Verfahren nicht in Betrieb genommen werden konnten.“ Die hier genannten Risiken sind allen Vergabeverfahren innewohnend. a) Was ist Sinn und Zweck von Vergabeverfahren? Die Vergabeverfahren stellen sicher, dass öffentliche Aufträge in wettbewerblichen und transparenten Verfahren orientiert an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung vergeben werden. b) Wann sind welche Formen von Vergabeverfahren jeweils rechtlich vorgeschrieben? Bitte unter Angabe der jeweiligen Rechtsgrundlage anführen. c) Was unterscheidet die Vergabe bei örU konkret von Vergaben in anderen Bereichen? Vergabeverfahren mit einem Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte richten sich nach dem 4. Abschnitt des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und den hierauf aufbauenden Rechtsverordnungen, insbesondere der Vergabeverordnung , der Sektorenverordnung und der Konzessionsvergabeverordnung sowie der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A), 2. Abschnitt. Verfahren unterhalb dieser Schwellenwerte richten sich nach dem Hamburgischen Vergabegesetz in Verbindung mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A), 1. Abschnitt, VOB/A, 1. Abschnitt, und nach der Beschaffungsordnung . Damit kann sich der öffentliche Auftraggeber im Oberschwellenbereich – sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind – zwischen dem offenen, nicht offenen oder Verhandlungsverfahren, dem wettbewerblichen Dialog und der Innovationspartnerschaft entscheiden. Im Unterschwellenbereich stehen als Verfahrensformen die Öffentliche Ausschreibung , die Beschränkte Ausschreibung und die Freihändige Vergabe zur Verfügung. Die Vergabe von Aufträgen im Rahmen einer Inhouse-Vergabe stellt gemäß § 108 GWB eine Ausnahme bei öffentlich-rechtlicher Zusammenarbeit dar, bei der öffentliche Aufträge an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder privaten Rechts ohne Ausschreibung vergeben werden. Drucksache 21/8983 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Als öffentliches Unternehmen gelten die Grundlagen zum Vergabeverfahren auch für f & w. Unterschiede gibt es nicht. d) Planen Senat oder zuständige Behörde auch noch in anderen Bereichen aufgrund rechtlicher Risiken künftig von Vergabeverfahren abzusehen? Wenn ja, in welchen Bereichen ab wann? Grundsätzlich führt der Senat Vergabeverfahren durch. Ob von Vergabeverfahren aufgrund gesetzlicher Ausnahmetatbestände abgesehen werden kann und soll, wird auch zukünftig anhand der bestehenden Vergabegrundsätze jeweils im Einzelfall zu bewerten und zu entscheiden sein. 5. In der Drs. 21/8600 heißt es: „Im Ergebnis erfüllt ein nach kaufmännischen Kriterien geführtes öffentliches Unternehmen gute Voraussetzungen , benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit Wohnraum zu versorgen und zugleich wirtschaftlich mit entsprechenden Controlling-Verfahren zu steuern.“ Aufgrund welcher Hinweise und Erfahrungen geht der Senat davon aus, dass f & w hier wirtschaftlicher und insgesamt effektiver arbeitet als andere Träger wie beispielsweise DRK, Johanniter oder Malteser ? Siehe Drs. 21/8600. Ein öffentliches Unternehmen bietet aufgrund seiner Unternehmensstruktur gute Voraussetzungen, effektiv und wirtschaftlich zu arbeiten. Dies trifft auch auf andere Unternehmen zu.