BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9034 21. Wahlperiode 16.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 09.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Interkulturelle Öffnung der Polizei Hamburg Die Bevölkerung der Freien und Hansestadt Hamburg setzt sich zu etwa 28,8 Prozent aus Personen zusammen, die einen Migrationshintergrund haben. Vor allem im öffentlichen Dienst sind eine interkulturelle Öffnung sowie eine transkulturelle Kommunikation unablässig, um auf die vielfältigen kulturellen Hintergründe der Hamburger angemessen reagieren zu können. Obwohl die generelle Entwicklung der interkulturellen Öffnung der Polizei positiv zu bewerten ist, gibt das Jahr 2016 Anlass zur Sorge: In den vergangenen zehn Jahren war die Lücke zwischen Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund und tatsächlichen Einstellungen noch nie so hoch.1 Der Anteil der eingestellten Polizisten mit Migrationshintergrund ist in den letzten zwei Jahren deutlich gesunken. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bei der Beantwortung der Fragen wird im Folgenden nur auf die Berufsgruppe der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten eingegangen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Wie viele Personen bewarben sich bei der Polizei Hamburg? Bitte absolute Zahlen aufschlüsseln für die Jahre a) 2014, b) 2015 und c) 2016 und nach Geschlecht. 2) Wie viele dieser Bewerber haben einen Migrationshintergrund? Bitte absolute Zahlen aufschlüsseln für die Jahre a) 2014, b) 2015 und c) 2016 und nach Geschlecht. Jahr Gesamt männlich weiblich Gesamt mit Migrationshintergrund Gesamt mit Migrationshintergrund 2014 4.064 2.742 661 1.322 244 2015 4.765 3.035 612 1.730 262 1 Mediendienst Integration (2017): Beamte mit Migrationshintergrund. Wie entwickelt sich die Vielfalt bei der Polizei? Abrufbar unter: https://mediendienst-integration.de/fileadmin/ Dateien/Polizisten_mit_Migrationshintergrund_2017.pdf. Drucksache 21/9034 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr Gesamt männlich weiblich Gesamt mit Migrationshintergrund Gesamt mit Migrationshintergrund 2016 3.471 2.217 629 1.254 261 3) Wie viele Personen wurden insgesamt bei der Polizei eingestellt? Bitte absolute Zahlen aufschlüsseln für die Jahre a) 2014, b) 2015 und c) 2016 und nach Geschlecht. 4) Wie viele dieser eingestellten Personen haben einen Migrationshintergrund ? Bitte absolute Zahlen aufschlüsseln für die Jahre a) 2014, b) 2015 und c) 2016 und nach Geschlecht. Jahr Gesamt männlich weiblich Gesamt mit Migrationshintergrund Gesamt mit Migrationshintergrund 2014 275 170 28 105 13 2015 330 189 37 141 19 2016 352 217 40 135 17 5) Wie viele Personen arbeiten insgesamt bei der Polizei Hamburg? Bitte differenzieren nach Personen mit und ohne Migrationshintergrund und nach Geschlecht. Gesamt Polizeivollzugsbeamte Polizeivollzugsbeamtinnen 8.749 6.335 2.414 Abfragen zum Migrationshintergrund der Beschäftigten erfolgten vor dem Jahr 2006 nicht, daher können keine validen Aussagen für alle 8.749 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten gemacht werden. 6) Werbekampagnen, unter anderem mit dem Profi-Fußballer Gideon Jung, oder die Verbreitung von Werbematerialien in polnischer, türkischer oder russischer Sprache, erhöhten spürbar den Anteil an Bewerbern bei der Polizei Hamburg, die einen Migrationshintergrund haben. Plant der Senat bzw. die Behörde für Inneres und Sport weitere Maßnahmen dieser Art? 7) Gibt es darüber hinaus Strategien, um den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei der Polizei weiter zu erhöhen? Die Polizei setzt sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gezielt für die Nachwuchsgewinnung, Betreuung von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund und die Bearbeitung ihrer Bewerbungen ein. Neben dem zielgerichteten Engagement in der Dachkampagne des Zentrums für Ausund Fortbildung (ZAF) „Wir sind Hamburg! Bist du dabei?“ zeigen die von der Einstellungsstelle der Polizei für Werbung und bei Beratungen genutzten Fotos, Plakate, Flyer und Stellwände auch immer deutlich erkennbar Polizeibeamtinnen und -beamte mit Migrationshintergrund. Plakate und Flyer werden von der Einstellungsstelle zielgerichtet und zielgruppenorientiert gestreut (Bezirksämter, Welcome Center, ausländische Betriebe und weitere Einrichtungen). Auf ihrer Internetseite (www.akademie-der-polizei.hamburg.de) weist die Einstellungsstelle der Polizei ausdrücklich darauf hin, dass die Einstellung von Menschen mit ausländischen Wurzeln in den Polizeivollzugsdienst gewünscht ist und gefördert wird. Im Zusammenhang mit der Dachkampagne wurde im September 2013 ein Imagefilm erstellt, in dem eine hamburgische Polizeibeamtin mit afrikanischem Migrationshintergrund die zentrale Handlungsfigur darstellt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9034 3 Weitere bereits durchgeführte beziehungsweise geplante Maßnahmen zur Steigerung der Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund sind: ‐ Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit fremdsprachigen Medienvertretern (Oriental Night, Avrupa-Postasi, Post Gazetesi, Merhaba Hamburg, Zeitung Aussiedlerbote ). ‐ Veröffentlichung von Artikeln in mehreren fremdsprachigen (russischen, polnischen und türkischen) Zeitungen. ‐ Teilnahme an türkischsprachigen Radio- und Fernsehsendungen. ‐ Werben in Kulturkreisen und -häusern von Menschen mit Migrationshintergrund zum Beispiel durch Teilnahme an der Veranstaltung „Future of Ghana“. Informationsveranstaltungen in der russisch-orthodoxen Kirche. Informationsveranstaltung auf einem türkischen Kinderfest. ‐ Informationsveranstaltungen an Schulen mit hohem Migrationsanteil. ‐ Ausbau gezielter Kontaktaufnahme und -pflege zu verschiedenen Migrationsinstitutionen . ‐ Beteiligung an entsprechenden Netzwerken. 8) Welche konkreten Maßnahmen bestehen, um Chancengleichheit für Menschen mit Migrationshintergrund im Bewerbungsprozess zu gewährleisten ? Die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst erfolgt nach Eignung, Leistung und Befähigung . Alle Bewerberinnen und Bewerber haben die gleichen Anforderungen und Einstellungsvoraussetzungen zu erfüllen. 9) Wie erklärt sich der Senat beziehungsweise die Behörde für Inneres und Sport die jüngste Entwicklung bei den Bewerbungen und Einstellungen von Personen mit Migrationshintergrund in 2016? Können darüber hinaus bereits Aussagen zur Entwicklung in 2017 getroffen werden? Der Anteil der Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund und der daraus resultierenden Anzahl, die in den Polizeivollzugsdienst eingestellt wurde, konnte seit 2006 stetig gesteigert werden. Die Polizei wird diese positive Tendenz auch zukünftig weiterverfolgen. Im Jahre 2017 erfolgten bisher lediglich Einstellungen im Februar. Von 140 Eingestellten haben zwölf Männer und sechs Frauen einen Migrationshintergrund. Auch für die ausstehenden Einstellungstermine im August und Oktober rechnet die Polizei mit entsprechenden Anteilen. Darüber hinaus siehe Drs. 21/8630. 10) Wie hoch ist der angestrebte Anteil von Polizisten aus Einwandererfamilien ? Wird der allgemeine Migrantenanteil in Hamburg von etwa 28,8 Prozent angestrebt? Der Senat hat im Jahr 2006 beschlossen, den Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung auf 20 Prozent zu erhöhen. Dieser Zielwert gilt auch für die Polizei, ein höherer Anteil von Personal mit Migrationshintergrund ist selbstverständlich möglich. 11) Wie viele Personen arbeiten für das Institut für transkulturelle Kompetenz (ITK)? Über welchen Migrationshintergrund verfügen/verfügten die eingesetzten Trainer? Über welche interkulturelle Kompetenzen verfügen /verfügten die eingesetzten Trainer? Aktuell gibt es zwei Beschäftigte im ITK. Der Leiter des ITK ist promovierter Ethnologe und verfügt aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Leiter des Museums für Völkerkunde sowie seiner seit 1995 nebenamtlich ausgeübten Tätigkeit als Berater und Interkultureller Trainer bei der Polizei Hamburg über vielfältige Erfahrungen. Seine Drucksache 21/9034 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Mitarbeiterin ist Polizeivollzugsbeamtin. Bei Bedarf setzt das ITK Referenten mit unterschiedlichen Muttersprachen ein. 12) Wie viele Polizisten haben seit 2016 eine Fortbildung beim ITK absolviert ? Wenn möglich bitte aufschlüsseln nach Personen mit und ohne Migrationshintergrund und nach Geschlecht. Statistiken über die Teilnehmerzahl an Fortbildungen im ITK werden erst seit 2017 geführt. Eine Erfassung des Geschlechts oder des Migrationshintergrundes ist dabei nicht vorgesehen. Im 1. Quartal 2017 haben 246 Personen an Schulungen und Seminaren im ITK und 101 Personen an Dienstunterrichten des ITK an Polizeikommissariaten teilgenommen. 13) Was sind die thematischen Schwerpunkte der Fortbildungsangebote des ITK? Welche Kompetenzen sollen konkret vermittelt werden? Aus der zunehmenden multinationalen Zusammensetzung der Bevölkerung resultieren neue Erfordernisse an die Zivilgesellschaft und damit auch an das Selbstverständnis der Polizei. Aufgabe des ITK ist es, die Polizei bei diesem Wandlungsprozess zu begleiten und zu stärken. Die Arbeit des ITK ist schwerpunktmäßig auf die Vermittlung von interkulturellen und transkulturellen Kompetenzen ausgerichtet und stärkt in diesen Fragen die Qualifizierung der Mitarbeiter. Das ITK erfasst und strukturiert intuitives Erfahrungswissen der Hamburger Polizei und macht die daraus gewonnenen Erkenntnisse für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzbar. Die Schulungen durch das ITK sollen die Effektivität polizeilichen Handelns durch Stärkung der Professionalität und Souveränität auch gegenüber diesen neuen Herausforderungen steigern. 14) Existiert ein (internes) Evaluationsverfahren zur Nützlichkeit der Fortbildungskurse des ITK? Falls ja, wie lässt sich das bisherige Feedback der Teilnehmenden zusammenfassen? Nein 15) Welchen weiteren Handlungsbedarf zur interkulturellen Öffnung der Hamburger Polizei sieht der Senat? Der Senat sieht derzeit keinen weiteren Handlungsbedarf. Siehe auch Drs. 21/2630 und 21/8630.