BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9038 21. Wahlperiode 16.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 09.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Rassistischer Brandanschlag in der Billbrooker Halskestraße 1980 – Ein Zeichen der Erinnerung an die Opfer? In der Nacht vom 21. auf den 22. August 1980 griffen zwei Mitglieder der terroristischen neonazistischen Vereinigung „Deutsche Aktionsgruppen“ die Flüchtlingsunterkunft in der Billbrooker Halskestraße an. Bei diesem rassistisch motivierten Brandanschlag starben die beiden jungen Männer Nguyen Ngoc Chau und Do Anh Lân. Chau starb nur wenigen Stunden nach dem Feuer, Lân erlag einige Tage später seinen schweren Verbrennungen. Nguyen Ngoc Chau, geboren in Saigon, kam im April 1980 mit der Cap Anamur nach Hamburg. Do Anh Lân, geboren in Cholon/Saigon, war im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion nach Hamburg gekommen. Sie waren 22 und 18 Jahre alt. Soweit bekannt, war dieser Anschlag der letzte einer Reihe von Brand- und Sprengstoffanschlägen der „Deutschen Aktionsgruppen“. Vier Mitglieder der Organisation, eine Frau und drei Männer, wurden 1982 unter anderem wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Zu den Verurteilten gehörte auch Manfred Röder, der in späteren Jahren mit Mitgliedern des rechtsterroristischen Netzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in Verbindung stand. 1982 wurde Röder zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, bereits 1990 aber wieder entlassen und bis 2010 noch mehrfach, unter anderem wegen Volksverhetzung, angeklagt und verurteilt. Für eine kurze Zeit nach der Gewalttat im August 1980 war die öffentliche Aufmerksamkeit relativ groß. 400 Trauergäste kamen zur Beisetzung. Der Erste Bürgermeister Hans-Ulrich Klose hielt die Trauerrede. Angehörige und Überlebende des Brandanschlages hingegen berichten, dass sie nach kurzer Zeit sich selbst überlassen wurden. In der Öffentlichkeit geriet dieses Verbrechen bald in Vergessenheit. Nichts in Hamburg erinnert heute an die Tat und die Ermordeten – weder vor Ort an dem damals angegriffenen Gebäude, in dem jetzt ein Hotel ist, noch anderswo in Hamburg. Irritierend ist, dass der Anschlag schon lange aus dem Gedächtnis der Stadt verschwunden zu sein scheint, und das, obwohl es hierbei auch um einen Ort von historischer Bedeutung geht, da davon ausgegangen wird, dass es sich bei dieser Tat um den ersten tödlichen rassistischen Brandschlag der Nachkriegszeit auf eine Flüchtlingsunterkunft handelt. Um diese Tat ins öffentliche Gedächtnis zurückzuholen, existiert seit 2014 eine Initiative, der sowohl die Mutter eines der Mordopfer als auch ehemalige Bewohner/-innen der Unterkunft (die unter anderem selbst Verletzungen erlitten ), ehemalige Paten der Mordopfer sowie weitere Betroffene und Einzelpersonen angehören. Die traumatisierten Angehörigen und Betroffenen Drucksache 21/9038 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 haben keinen Ort des Gedenkens und der Trauer. Die Initiative setzt sich dafür ein, in der Umgebung der ehemaligen Unterkunft ein sichtbares und bleibendes Zeichen der Erinnerung an die Todesopfer zu realisieren. Denkbar wäre hier unter anderem, neben einer Umbenennung eines Teilabschnitts der Halskestraße nach den beiden Ermordeten, die Schaffung eines Gedenkortes in direkter Umgebung des damaligen Mordanschlags. Ein Anliegen das vor dem Hintergrund der unbestreitbaren Kontinuität und Zunahme rassistisch motivierter Übergriffe und Gewalttaten von besonderer Bedeutung ist. Ich frage den Senat: 1. Welche Flächen, die nach Einschätzung des Senats für die Einrichtung eines Gedenkortes geeignet sein könnten, existieren in der Umgebung der ehemaligen Flüchtlingsunterkunft in der Halskestraße 72? Aus Sicht des Bezirksamtes Hamburg-Mitte bietet die Umgebung der Einrichtung im vorhandenen öffentlichen Straßenraum aufgrund der örtlich begrenzten Platzverhältnisse keine Möglichkeit für die Einrichtung eines Gedenkortes. 2. Gegenüber der ehemaligen Unterkunft befindet sich eine Brachfläche (Adresse: Halskestraße 71, Flurstück: 2112 ,Gemark.: Billbrook) a) Wem gehört dieses Grundstück? b) Wie und von wem wird dieses Grundstück genutzt? c) Bestehen derzeit vertragliche Bindungen bezüglich dieses Grundstückes ? Wenn ja, mit wem? d) Sind dem Senat Planungen bezüglich dieses Grundstückes bekannt? Wenn ja, welche? e) Wie ist das Grundstück bauplanungsrechtlich ausgewiesen? Bestehen Überlegungen, die aktuelle bauplanungsrechtliche Ausweisung zu ändern? f) Inwieweit ist dieses Grundstück, nach Einschätzung des Senats, für die Einrichtung eines Gedenkortes geeignet? (Bitte die Fragen, entsprechend ihrer Reihenfolge, einzeln beantworten ) 3. Wie bewertet der Senat das Anliegen, dem Gedenken an die Opfer des Brandanschlags in der Billbrooker Halskestraße eine öffentlich wahrnehmbare , dauerhafte Form zu geben? Das Grundstück gehört der Freien und Hansestadt Hamburg und wird derzeit nicht genutzt. Die planungsrechtliche Ausweisung für das Flurstück 2112 der Gemarkung Billbrook, Halskestraße 71 ist Außengebiet gemäß Baustufenplan Billbrook aus dem Jahr 1955. Für das betreffende Grundstück ist eine Beurteilung nach § 34 und § 35 Baugesetzbuch vorzunehmen. Im Übrigen sind die Planungen und Überlegungen noch nicht abgeschlossen. 4. Wie bewertet der Senat das Anliegen, dem Gedenken an die Opfer des Brandanschlags in der Billbrooker Halskestraße eine öffentlich wahrnehmbare , dauerhafte Form zu geben, indem ein Teilabschnitt der Halskestraße nach den beiden Ermordeten umbenannt wird? Der stadthistorische Straßenname erinnert an den Ingenieur Johann Georg Halske (1814 – 1890), der 1847 mit Werner von Siemens die Firma Siemens & Halske gründete , und damit an die Entstehung der deutschen Industriegeschichte. Im Stadtteil Billbrook gehört der Straßenname zu den prägenden Namen und sichert Orientierung Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9038 3 und Auffindbarkeit. Vor diesem Hintergrund hat die Kulturbehörde 2015 im Zusammenhang mit dem Vorschlag einer Initiative dem Bezirksamt Hamburg-Mitte von der Beantragung einer Umbenennung der Halskestraße abgeraten. Darüber hinaus hat sich der „Verein der vietnamesischen Flüchtlinge in Hamburg e.V.“ 2015 in einem Schreiben an den Präses der Kulturbehörde gegen eine Umbenennung der Halskestraße ausgesprochen und sich von der entsprechenden Initiative distanziert. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst.