BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9040 21. Wahlperiode 16.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 09.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Staatsvertrag mit den Muslimen – Artikel 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung Im November 2012 hat der Senat einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften Hamburgs geschlossen. Aufgrund schwerwiegender Verfehlungen einiger Vertragspartner ist das Traktat seither immer wieder in die Kritik geraten mit der Folge, dass mittlerweile von verschiedener Seite Stimmen nach einer Aufkündigung laut wurden. Aus diesem Grund verlangen zahlreiche Bürger der Stadt nach Klarheit. Da der Vertragstext an vielen Stellen nicht präzise formuliert ist, sondern stets einen gewissen Interpretationsspielraum lässt, wird der Senat dazu aufgefordert, im Folgenden Präzisierungen vorzunehmen. In Artikel 1 des Staatsvertrages heißt es: (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet der Freiheit, den islamischen Glauben zu bekennen und auszuüben, den Schutz durch Verfassung und Gesetz. Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Achtung des religiösen Bekenntnisses untrennbar mit der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen und abweichenden Anschauungen und Handhabungen der eigenen Religion verbunden ist. (2) Die islamischen Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Die Vertragsparteien bekennen sich zum Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen und zur vollständigen Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze. Sie werden hierfür entschieden eintreten, auf entgegenstehende Äußerungen verzichten sowie sich gegen widersprechende Anschauungen wenden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Fragesteller unterstellt mit der Vorbemerkung neben einer behaupteten Unklarheit der Verträge mit den islamischen Religionsgemeinschaften auch schwerwiegende Verfehlungen einzelner Vertragspartner, ohne diese aber zu belegen. Aus den vom Fragesteller zitierten Belegstellen lassen sich die aufgestellten Behauptungen nicht ableiten. Auch die behauptete Unklarheit des Bedeutungsgehalts einzelner Vertragsbestimmungen besteht tatsächlich nach Auffassung des Senats nicht. Entsprechend der Tradition der bereits mit anderen Konfessionen geschlossenen religionsverfassungsrechtlichen Verträge sind auch die Verträge mit DITIB, SCHURA und VIKZ sowie der Alevitischen Gemeinde in ihren Inhalten eher zurückhaltend ausgestaltet und bestätigen und bekräftigen im Wesentlichen bereits bestehende Rechte und Pflichten. Sie unterscheiden sich von den Verträgen mit den körperschaftlich Drucksache 21/9040 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 organisierten Religionsgesellschaften aber aufgrund der Tatsache, dass bei diesen der Aspekt der Rechtstreue bereits die Grundlage für die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bildete. Einzelne Gesichtspunkte der gemeinsam anerkannten Wertegrundlagen sind ausdrücklich geregelt worden, um ihrer zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung erkannten Virulenz im politischen und gesellschaftlichen Diskurs Rechnung zu tragen. Der Senat hat mit der Vorlage der Verträge zur Zustimmung durch die Bürgerschaft umfassend die Ausgangslage und die Bedeutung auch der Einzelregelungen dargelegt und begründet, siehe Drs. 20/5830. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie definiert der Senat im Hinblick auf die als Vertragspartner auftretenden islamischen Religionsgemeinschaften „Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen“? Bitte sowohl eine positive als auch eine negative Definition ausführen. 2. Warum mussten sich die islamischen Religionsgemeinschaften in Artikel 1 explizit zur „Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen“ bekennen? Hatten ursprünglich Zweifel daran bestanden, dass diese ein solches Bekenntnis teilten? 3. Warum ist in Artikel 2 explizit festgeschrieben, dass „abweichenden Anschauungen und Handhabungen“ mit Achtung und Toleranz begegnet werden soll? a) Nimmt diese Formulierung Bezug auf die in den islamischen Quellen geforderte Intoleranz gegenüber Nichtmuslimen? b) Sind damit Nichtmuslime und Aussteiger aus dem Islam gemeint? c) Was genau ist hier unter „Handhabungen“ zu verstehen? Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst. 4. Inwieweit sind die islamischen Glaubensgemeinschaften bisher entschieden gegen Äußerungen eingetreten, die sich gegen andere Weltanschauung sowie die Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze wenden? Bei der Antwort bitte jeweils Bezug nehmen auf: a) die jüngsten Verfehlungen der DITIB-Nord „Weihnachten und Sylvester sind Feste der Ungläubigen“ beziehungsweise „Wir sind nur an den Koran gebunden“; b) die Gemeinde der Imam-Ali-Moschee, deren Vorsitzender Reza Ramezani jährlich an der Begehung des Al-Quds-Tages in Berlin teilnimmt1, wo gegen die „unrechtmäßige Besatzung Israels“ demonstriert wird und der öffentlich erklärt, der Islam und ein säkularer beziehungsweise laizistischer Staat seien nicht miteinander vereinbar.2 Dem Senat liegt keine systematisch erfasste Auflistung der Aktivitäten oder Äußerungen der muslimischen Glaubensgemeinschaften vor. Auch gehört es nicht zu den Aufgaben des Senats, Stellungnahmen von Religionsgemeinschaften zu aktuellen Ereignissen daraufhin zu überprüfen, ob sie gemessen an bestimmten Maßstäben ausreichend sind oder in allen ihren Teilen der Auffassung des Senats zu bestimmten Angelegenheiten entsprechen. Dies vorausgeschickt wird ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf die folgenden Mitteilungen von DITIB-Nord und IZH hingewiesen, in denen unter anderem Bekenntnisse zu einem friedlichen Miteinander, Verurteilungen von Gewalt und Terror, Ausdrücke der Wertschätzung fremder Bekenntnisse sowie Distanzierungen von herabsetzenden Zeichnungen, von Bespitzelungen und von antidemokratischen Haltungen enthalten sind: 1 Confer Drs. 21/7609. 2 Confer Verfassungsschutzbericht 2015. Seite 58. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9040 3 Mitteilung des IZH vom 10. November 2016 – „Stellungnahme zum Artikel im Hamburger Abendblatt (vom 12.07.16 + 03.11.16), zum Artikel der taz.de (08.11.16) und zum Antrag A-01 der Grünen“ http://izhamburg.de/index.aspx?pid=99&articleid=184168 Mitteilung von DITIB-Nord vom 21. Dezember 2017 – „Gemeinsam gegen Gewalt und Terror“ http://ditib-nord.de/content/gemeinsam-gegen-gewalt-und-terror Mitteilung des IZH vom 29. Dezember 2016 – „Weihnachts- und Neujahrsgrüße von Ayatollah Dr. Ramezani“ http://izhamburg.de/index.aspx?pid=99&articleid=184815 Mitteilung von DITIB-Nord vom 7. Januar 2017 – „Zu diffamierenden Zeichnungen in sozialen Netzwerken“ http://ditib-nord.de/content/zu-diffamierenden-zeichnungen-sozialen-netzwerken Mitteilung von DITIB-Nord vom 7. Januar 2017 – „Aktuelle Debatte über Bespitzelung durch Imame der DITIB“ http://ditib-nord.de/content/aktuelle-debatten-%C3%BCber-bespitzelung-durch-imameder -ditib Mitteilung von DITIB-Nord vom 24. Februar 2017 – „DITIB Nord zeigt klare Haltung: Antidemokratische Tendenzen haben bei DITIB keinen Platz!“ http://ditib-nord.de/content/ditib-nord-zeigt-klare-haltung-antidemokratischetendenzen -haben-bei-ditib-keinen-platz Im Übrigen siehe Vorbemerkung.