BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9057 21. Wahlperiode 16.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider, Martin Dolzer und Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 10.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Maßnahmen gegen Protestierende beim Hafengeburtstag Der 828. Hafengeburtstag wurde auch durch die Bundeswehr als Werbebühne verwandt. Unter dem Motto „Bundeswehr im Dialog“ präsentierte sich die Bundeswehr im Bereich der Überseebrücke. Wie in den Vorjahren kam es dabei zu Protesten. Demonstranten/-innen hielten Transparente („Bundeswehr Auftritte stoppen – Kein Werben fürs Töten und Sterben“) hoch und skandierten Parolen. Die Aktion wurde aufgelöst und einige Aktivisten/-innen unter Zwangsanwendung abgeführt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Nach Erkenntnissen der Polizei betraten am 6. Mai 2017 zwischen 17.20 Uhr und 19.15 Uhr acht Personen die Überseebrücken im Bereich des Hafenliegeplatzes des Einsatzgruppenversorgers (EGV) „Bonn" der Bundesmarine zu einer nicht angemeldeten Versammlung. Dabei wurden zwei Transparente gezeigt und Handzettel mit der Aufschrift „WIR WOLLEN EUREN KRIEG NICHT, KRIEG BEGINNT HIER“ verteilten. Vier Personen begaben sich in den Sicherheitsbereich des EGV. Zwei Personen kletterten auf einen Dalben der Überseebrücke am Heck des EGV. Gegen 19.00 Uhr beendeten die Teilnehmer die Versammlung und verließen den Ponton. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Maßnahmen wurden im geschilderten Rahmen auf dem Hafengeburtstag gegen Protestierende vorgenommen a. durch welche Stellen; b. auf welcher Rechtsgrundlage (bitte möglichst genau angeben, beispielsweise § 9 Nummer 1 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw)); c. aufgrund welcher Gefahrenprognose; d. zu welchem Zweck? Feldjäger des Landeskommandos Hamburg der Bundeswehr entfernten Störer zur Durchsetzung des Hausrechts. Diese Maßnahme fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr. Einsatzkräfte der Polizei stellten die Identität gemäß § 163b Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 163 Absatz 1 StPO zum Zwecke der Strafverfolgung (Verdacht des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Strafgesetzbuch (StGB) und Verstoß gegen § 26 Absatz 2 Versammlungsgesetz) fest. Drucksache 21/9057 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine konkrete Störung gemäß dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) war gegeben. 2. In veröffentlichten Videoaufnahmen (siehe unten) ist zu hören, wie ein Angehöriger der Bundeswehr den Protestierenden mitteilt, dass die Bundeswehr dort (auf dem Ponton) das Hausrecht innehabe. a. In welchem Zeitraum hatte die Bundeswehr beziehungsweise hatten ihre Vertreter/-innen wo das Hausrecht inne? b. Auf welcher Rechtsgrundlage und soweit erforderlich mit Zustimmung welcher Stellen? Der Bundeswehr wurde durch die Hamburg Port Authority für die Zeit vom 4. Mai 2017, 08.00 Uhr, bis 10. Mai 2017, 12.00 Uhr, das Hausrecht übertragen. Das Hausrecht beschränkte sich auf den notwendigen Bereich zur Sicherung des Schiffszugangs der Marineeinheit mit den damit verbundenen Kontrollflächen sowie den weiteren Aktionsflächen auf der Überseebrücke. c. Durch welche konkreten Maßnahmen, Beschilderungen et cetera wurde dies kenntlich gemacht? Der betreffende Bereich wurde durch Absperrgitter kenntlich gemacht. 3. Laut Medienberichten bestand vor dem Schiff ein militärischer Sicherheitsbereich . a. In welchem Zeitraum bestand wo ein entsprechender militärischer Sicherheitsbereich? b. Auf welcher Rechtsgrundlage und mit welcher rechtlichen Begründung ? c. Aufgrund welcher konkreten Gefahr durch welche Handlungen der Protestierenden für welches Schutzgut der Rechtsgrundlage? d. Welche Stelle hatte diesen Bereich wann angeordnet? e. Wann und durch welche Stelle erfolgte die Unterrichtung der Hamburger Polizei darüber, dass ein entsprechender Sicherheitsbereich besteht? f. Durch welche Maßnahmen erfolgte die Kennzeichnung im Sinne des § 2 Absatz 2 Satz 3 UZwGBw? Die militärische Absperrung oblag ausschließlich dem Landeskommando Hamburg der Bundeswehr. Das Bundesministerium der Verteidigung wurde beteiligt, hat aber in der zur Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit keinen Beitrag übermittelt. 4. Nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, 12.01.1990 - BVerwG 7 C 88.88) berechtigt die „Einrichtung eines derartigen militärischen Sicherheitsbereichs (…) die Bundeswehr nicht zur uneingeschränkten Verwirklichung ihrer Vorstellungen über die Ordnung der Veranstaltung. Sie muß vielmehr kritische Meinungsäußerungen der Zuschauer insoweit ertragen, als diese nicht den Ablauf der Veranstaltung konkret beeinträchtigen.“ Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Bundeswehr, wie vorliegend, bewusst im öffentlichen Raum präsentiert . Das Bundesverwaltungsgericht führte im entsprechenden Fall aus: „Die Bundeswehr hat also – trotz der Sperrung – die (…) bestehende Öffentlichkeit gezielt genutzt, um sich auf diese Weise möglichst wirkungsvoll nach außen darzustellen. Unter diesen Umständen mußte sie aber damit rechnen, daß Kritiker dieser Selbstdarstellung ihre Einwände am selben Ort ebenfalls öffentlich zu erkennen geben würden. Der öffentliche Straßenraum ist, solange – wie hier – die Öffentlichkeit nicht aufgehoben ist, das Forum aller, die ihn in befugter Weise benutzen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9057 3 Das der Beklagten nach ihrem Revisionsvorbringen offenbar vorschwebende Bild eines der Bundeswehr zur alleinigen Bestimmung zugewiesenen befriedeten Besitztums trifft mithin im vorliegenden Fall nicht zu. Wenn die Bundeswehr ihre eigenen Ordnungsvorstellungen ohne Abstriche verwirklichen wollte, so stand es ihr frei, das Kasernengelände als Veranstaltungsort zu wählen. Dagegen konnte sie nicht beanspruchen, den Großen Zapfenstreich auf einem Öffentlichen Platz vor einem ihr wohlgesonnenen oder wenigstens meinungsindifferenten Publikum aufzuführen . Vielmehr mußte sie, da sie sich bewußt nicht auf die Traditionspflege auf dem Kasernengelände beschränkt, sondern in die Öffentlichkeit und den dort geführten politischen Meinungskampf hineinbegeben hatte, kritische Äußerungen der Zuschauer solange ertragen, als hierdurch nicht der Ablauf der Veranstaltung konkret beeinträchtigt wurde , mochte auch die von ihr angestrebte Würde und Feierlichkeit der Veranstaltung unter solchen Äußerungen leiden und ein ihren Vorstellungen entsprechender Ablauf nicht mehr gewährleistet sein.“ a. Inwiefern sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diese Vorgaben vorliegend gewahrt? b. Durch welches konkrete Verhalten wurde der Ablauf in einer Weise konkret beeinträchtigt, dass dies nach den Vorgaben der Rechtsprechung Maßnahmen unmittelbaren Zwangs begründen konnte? Nach Erkenntnissen der Polizei zielten die Maßnahmen der Bundeswehr offensichtlich auf die Entfernung der Demonstranten aus dem militärischen Sicherheitsbereich zur Durchsetzung des Hausrechts ab. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. a. bis f. 5. Die „Hamburger Morgenpost“ schildert die durchgeführten Maßnahmen unmittelbaren Zwangs wie folgt: „Am Ende werden zwei Männer von den Feldjägern abgeführt. Sie schreien vor Schmerzen“. Dies deckt sich mit Videoaufnahmen der Situation, die im Internet veröffentlicht wurden (http://www.graswurzel.tv/p277.html), in denen Schmerzgriffe und ein insbesondere angesichts der personellen Überlegenheit der Bundeswehrangehörigen nicht nachvollziehbar brutales Vorgehen der Bundeswehrangehörigen zu sehen ist. a. Inwiefern teilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Beobachtungen und Einschätzungen? Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, zu Presseberichten Stellung zu nehmen . b. Inwiefern ist ein solches Vorgehen nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde vereinbar mit den Vorgaben des § 12 UZwGBw („Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt.“)? Der Senat nimmt zu Maßnahmen des Bundes keine Stellung. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. a. bis f. 6. Wurde gegen einzelne Aktivisten/-innen Anzeige erstattet? Falls ja, durch wen und wegen Verstoßes gegen welches Gesetz? Die Bundeswehr stellte Strafantrag gegen vier Personen wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB.