BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9065 21. Wahlperiode 19.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 11.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Maßnahmen durch ausländische Sicherheitsbehörden bei G20 Im Innenausschuss warnte Innensenator Grote Demontranten/-innen davor, die Protokollstrecken während des G20-Gipfels zu blockieren. Die Sicherheitskräfte der Staatsgäste könnten dann zu drastischen Maßnahmen greifen . Im „Hamburger Abendblatt“ wird ein hochrangiger Sicherheitsexperte mit den Worten zitiert: „Eine Abwägung nach dem deutschen Versammlungsrecht findet dann nicht mehr statt.“ Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011 sind politisch motivierte, friedliche Sitzblockaden als Form des zivilen Ungehorsams grundsätzlich durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt und entsprechend grundsätzlich nicht strafbar. Strafbar wäre aber unter Umständen das geschilderte Verhalten ausländischer Sicherheitsdienste . Ausländische Sicherheitskräfte, die sich zur Begleitung ihrer Schutzpersonen in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, haben keine hoheitlichen Handlungsbefugnisse. Ihnen stehen bei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen nur die sogenannten Jedermann-Rechte wie etwa Notwehr oder Nothilfe §§ 32 fortfolgende StGB oder das Festnahmerecht nach § 127 StPO zu. Es obliegt den zuständigen Behörden, sicherzustellen , dass diese rechtlichen Begrenzungen gewahrt und somit die Bürger/- innen und Bürger vor strafbaren Übergriffen geschützt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Das Bundesverfassungsgericht führt in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 sehr differenzierte Kriterien aus, die bei der Bewertung der Strafbarkeit aus Sitzblockaden zu berücksichtigen sind. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage beziehungsweise in welchem rechtlichen Rahmen handeln ausländische Sicherheitsdienste nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde a. hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs; b. hinsichtlich des Gebrauchs von Schusswaffen; c. hinsichtlich Maßnahmen, die in ihrer grundrechtlichen Relevanz unterhalb des unmittelbaren Zwangs anzusiedeln sind; d. hinsichtlich der Datenerfassung etwa durch Fotografieren, Videografieren et cetera? Drucksache 21/9065 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In Deutschland eingesetzte ausländische Sicherheitsdienste unterliegen den hiesigen Rechtsnormen. Beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gelten für sie, wie für deutsche Sicherheitsdienste, die sogenannten Jedermannrechte. Jedermannrechte sind die Rechte, die jedem Bürger zustehen, um rechtswidrige Angriffe auf seine Rechte oder auf Rechte Dritter abzuwehren. 2. Inwiefern stellt nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde die bloße Blockade einer Protokollstrecke einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff im Sinne des § 32 StGB dar, sodass strafrechtlich relevante Maßnahmen ausländischer Sicherheitsdienste, insbesondere Angriffe auf die körperliche Unversehrheit von Demonstraten /-innen insofern gerechtfertigt sein können? 3. Inwiefern stellt nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde die bloße Blockade einer Protokollstrecke eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut im Sinne des § 34 StGB dar, sodass strafrechtlich relevante Maßnahmen ausländischer Sicherheitsdienste, insbesondere Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit von Demonstranten/-innen insofern gerechtfertigt sein können? Inwiefern ist nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde im Rahmen der nach § 34 StGB vorzunehmenden Interessens- und Güterabwägung die Versammlungsfreiheit von besonderem Belang? 4. Inwiefern stellt nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde die bloße Blockade einer Protokollstrecke eine Straftat im Sinne des § 127 StPO dar, sodass strafrechtlich relevante Maßnahmen ausländischer Sicherheitsdienste insofern gerechtfertigt sein können? Ob Straftatbestände erfüllt sind, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Der Senat sieht davon ab, eine hiervon unabhängige, abstrakte Einschätzung vorzunehmen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Inwiefern können entsprechende strafrechtlich relevante Maßnahmen ausländischer Sicherheitsbehörden nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde ansonsten gerechtfertigt beziehungsweise entschuldigt sein? Siehe Antwort zu 1. a. bis d. 6. Inwiefern unterstehen ausländische Sicherheitsdienste hinsichtlich der Strafverfolgung besonderem (beispielsweise diplomatischem) Schutz? Mitarbeiter ausländischer Sicherheitsdienste stehen nur dann unter einem besonderen Schutz, wenn sie den Status eines diplomatischen Vertreters haben. Für die Einstufung einer Person als diplomatischen Vertreter ist gemäß „Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen“ (Stand: 12. Juni 2014) das Auswärtige Amt zuständig . 7. Inwiefern sind die Hamburgischen Behörden vor dem Hintergrund der seitens des Innensenators ausgemaltem Szenarios zum Schutz der Bürger /-innen und Bürger angewiesen, bei rechtswidrigen Maßnahmen ausländischer Sicherheitsbehörden Maßnahmen gegen diese zu ergreifen? 8. Inwiefern sind die Hamburgischen Behörden nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde vor dem Hintergrund der seitens des Innensenators ausgemaltem Szenarios zum Schutz der Bürger /-innen und Bürger rechtlich verpflichtet, bei rechtswidrigen Maßnahmen ausländischer Sicherheitsbehörden unmittelbar Maßnahmen gegen diese zu ergreifen? Nach den Kriterien geltenden Rechts. 9. Laut Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag (BT.-Drs. 18/8772) werden ausländische Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9065 3 Sicherheitsbehörden ausschließlich „unter Anleitung und Aufsicht von Mitarbeitern des BKA bzw. BfV tätig“. a. Ist die Aussage des Innensenators so zu verstehen, dass er die Anleitung und Aufsicht von Mitarbeitern des BKA beziehungsweise BfV für nicht ausreichend erachtet, um sicherzustellen, dass ausländische Sicherheitsbehörden sich an die geltenden rechtlichen Vorgaben halten und nicht Bürgerinnen und Bürger gefährden? b. Falls ja, welche zusätzliche Anleitung und Aufsicht beziehungsweise welche sonstigen Maßnahmen durch welche Hamburger Stellen sind geplant, um dies sicherzustellen? Ungeachtet der Begleitung durch Sicherheitskräfte zum Beispiel des BKA obliegt ausländischen Sicherheitsbehörden im Rahmen der bestehenden rechtlichen Vorgaben der Schutz ihrer Schutzperson vor Gefährdungen durch Dritte, wenn sich diese Gefährdungen trotz der Anwesenheit deutscher Sicherheitskräfte abbilden. Bei der Beurteilung einer Gefährdungssituation ist dabei die durch die jeweilige Schutzklasse zum Ausdruck kommende besondere Wahrscheinlichkeit von Angriffen auf diese Schutzperson auch mit Waffen einzubeziehen. c. Falls nein, wie sonst? Entfällt. 10. Welche in- und ausländischen Stellen sind an der Erstellung und Durchführung des Sicherheitskonzepts für den G20-Gipfel beteiligt? Die Polizei Hamburg erstellt Sicherheitskonzepte im Zusammenwirken mit dem Bundeskriminalamt und dem Auswärtigen Amt. Darüber hinaus sind auch die Feuerwehr Hamburg und andere Fachbehörden der Freien und Hansestadt Hamburg in Planungen einbezogen. Erforderliche Absprachen mit den für die Sicherheit ausländischer Delegationen zuständigen Sicherheitsorganen finden statt. Die Gesamtverantwortung für den Einsatz obliegt der Polizei Hamburg mit den ihr unterstellten und benachbarten Kräften. 11. Wie und wann wird kenntlich gemacht, dass eine gesperrte Straße während des G20-Gipfels eine Protokollstrecke ist? 12. Führen Protokollstrecken auch durch Wohngebiete? Falls ja, wie und wann werden Anwohner/-innen informiert, dass die jeweilige Straße während des G20-Gipfels eine Protokollstrecke ist? Protokollstrecken führen auch durch Wohngebiete. Die Streckenverläufe werden in jedem Fall unmittelbar in Abwägung zur Lage festgelegt. Eine vorherige Bekanntgabe ist aus einsatztaktischen Gründen von der Polizei nicht vorgesehen. Eine Information der Bevölkerung hat bereits vor Wochen begonnen. So werden Informationen auf der Internetseite der Polizei, verschiedenen Social-Media-Kanälen und auch Flyern für die Quartiere rund um die Messehallen beziehungsweise die Elbphilharmonie so früh wie möglich veröffentlicht. Ein Bürgertelefon ist bereits seit dem 3. April 2017 eingerichtet. Aktuelle Verkehrslagen werden darüber hinaus auch als Verkehrsinformationen an regionale Radiosender übermittelt und über Soziale Medien verbreitet.