BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9074 21. Wahlperiode 19.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 11.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Wissen und fachliche Fertigkeiten von Notfallsanitätern unerwünscht? (III) Der Bundesgesetzgeber beabsichtigte mit der Einführung des Berufs des Notfallsanitäters einen Qualitätssprung, der nicht nur den bisherigen Rettungsassistenten ablösen sollte. Vielmehr sollte durch das Notfallsanitätergesetz (NotSanG), das bereits zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, auch die Ausbildung der Besatzungsmitglieder an Bord von Rettungswagen grundlegend verbessert werden. Seitdem dürfen die Notfallsanitäter auf dem Rettungswagen auch ohne Arzt bestimmte medizinische Hilfe leisten. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Kassenverbände der Krankenkassen in Hamburg der Feuerwehr ab dem zweiten Halbjahr 2014 bis zum vergangenen Sommer bereits etwa 20 Millionen Euro für die Aus- und Weiterbildung der Notfallsanitäter zur Verfügung gestellt. Einem aktuellen Bericht des NDR zufolge, werden jedoch viele der Rettungskräfte nach wie vor nicht entsprechend eingesetzt. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst der Feuerwehr hat bis heute noch nicht alle Medikamente, die die Notfallsanitäter gesetzlich verabreichen dürften, für die Einsätze freigegeben . Daneben wurde festgestellt, dass die Ausrüstung unvollständig sei. Beispielsweise seien bei Beatmungsgeräten Funktionen abgeschaltet. Wenden die Notfallsanitäter weitere Maßnahmen als die vom Ärztlichen Leiter freigegebenen an, drohen ihnen arbeits- und strafrechtliche Konsequenzen . Dabei würden sie damit schneller und besser Unfallopfern und Patienten helfen können. Bereits 2015 haben die Verbände die Behörde darauf hingewiesen , dass die Sanitäter ihre neugewonnenen Fähigkeiten ohne Anwendung vergessen und der Bürger nicht von der zusätzliche Qualifikation profitiert . Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat im Nachgang zu meinen Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/5904 und 21/6164: Die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine qualifizierte, bedarfsgerechte, hilfsfristorientierte und flächendeckende präklinisch-notfallmedizinische Versorgung auf dem aktuellen Stand von Wissen und Technik. Diesem Anspruch kann nur ein zukunftsorientiertes, leistungsstarkes und an den Bedürfnissen der Hilfeersuchenden ausgerichtetes Rettungswesen gerecht werden. Das Rettungsassistentengesetz aus dem Jahr 1989 wurde diesem Anspruch nicht mehr gerecht und musste neu verfasst werden. Im Jahr 2014 trat daher das Notfallsanitätergesetz in Kraft, welches die neuen Anforderungen und Bedürfnisse berücksichtigt. Drucksache 21/9074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Als neues Ausbildungsziel gilt, dass, entsprechend dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse , fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und teamorientierten Mitwirkung insbesondere bei der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patientinnen und Patienten vermittelt werden sollen. Bei der Feuerwehr Hamburg haben bisher circa 400 Mitarbeiter erfolgreich die Prüfung zur Notfallsanitäterinnen beziehungsweise zum Notfallsanitäter abgelegt. Zu Umsetzung dieser Ziele in der Praxis hat der Bundesverband Ärztlicher Leiter Rettungsdienst den Begriff „Pyramidenprozess“ formuliert, in dem beschrieben wird, wie Mitarbeiter, Verbände, Berufsverbände, Arbeitgeber und Ministerien die Aufgaben, die Kompetenzen und insgesamt die rechtliche Position des neu erschaffenen Berufsbildes der „Notfallsanitäter“ beschreiben und festlegen. Die Medikamente und Maßnahmen aus dem Pyramidenprozess sind Inhalt der Ausbildungs- und Ergänzungslehrgänge für Notfallsanitäter (NotSan). Für eine sichere Anwendung im Rettungsdienst bedarf es einer intensiven Schulung zur Erlangung von Handlungssicherheit. Der Fokus liegt dabei auf Medikamenten und Maßnahmen, die bereits eingeführt sind oder deren Einführung geplant ist. In den Lehrgängen werden alle aktuell verabschiedeten Medikamente und Maßnahmen unterrichtet und anhand von Fallbeispielen erklärt. Die Umsetzung des NotSanG bis Ende 2020 ist Gegenstand der jährlichen Verhandlungen mit den Kostenträgern des Rettungsdienstes und basiert auf einer den Kostenträgern bekannten Umsetzungsplanung. Die Verhandlungen mit den Kostenträgern über die Kosten des Rettungsdienstes inklusive der Umsetzung des NotSanG beziehen sich jeweils auf das folgende Kalenderjahr. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In welcher Höhe haben die Innenbehörde oder die Freie und Hansestadt Hamburg seit dem Jahr 2016 Beitragsgelder der Krankenkassen beziehungsweise ihrer Verbände zur Ausbildung von Notfallsanitätern erhalten ? Zur Durchführung der Ausbildung zu Notfallsanitätern/-innen wurden zwischen der zuständigen Behörde und den Kostenträgern des Rettungsdienstes für 2016 Kosten in Höhe von 6.764.000 Euro und für 2017 in Höhe von 7.946.000 Euro vereinbart. 2. Welche finanziellen Mittel benötigt die Feuerwehr für eine reibungslose Umsetzung des NotSanG? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele Personen haben sich bei der Feuerwehr Hamburg seit September 2016 erfolgreich als Notfallsanitäter ausbilden lassen? Seit September 2016 haben an der Berufsfachschule für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter der Feuerwehr Hamburg 104 Personen erfolgreich an Fortbildungsbeziehungsweise Ergänzungsmaßnahmen zum Erlangen der Notfallsanitäterin- beziehungsweise der Notfallsanitäterqualifikation teilgenommen. Insgesamt haben circa 400 Personen bislang die Prüfung erfolgreich abgelegt. 4. Wurde im Zuge der Tarifverhandlungen eine höhere Eingruppierung der Notfallsanitäter im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) für die Rettungsassistenten erzielt? Falls nein, inwiefern hat das Personalamt sich hierfür eingesetzt? Die Eingruppierung der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter war bisher nicht Gegenstand der Tarifverhandlungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). 5. Welchen Sachstand hat das – in der Drs. 21/5904 erwähnte – Projekt Notfallsanitätergesetz im Hinblick auf die Entwicklung möglicher künftiger Berufswege? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9074 3 Die Feuerwehr bearbeitet und bewertet derzeit die die Übernahme der Auszubildenden zum Notfallsanitäter in den Vorbereitungsdienst der Laufbahnausbildung für die Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt der Fachrichtung Feuerwehr (LG 1.2). Beabsichtigt ist die Verbindung der NotSan-Qualifikation mit dem Vorbereitungsdienst der LG 1.2 (feuerwehrtechnische Ausbildung) unter Anerkennung von Ausbildungsinhalten der NotSan-Ausbildung in der feuerwehrtechnischen Ausbildung und unter Anerkennung von Ausbildungsinhalten der feuerwehrtechnischen Ausbildung in der NotSan-Ausbildung. 6. Entspricht die aktuelle Ausstattung der eingesetzten Rettungswagen den erlernten Fähigkeiten der Notfallsanitäter, wie zum Beispiel die Ausstattung mit einem 12-Kanal EKG für die Diagnose von Herzerkrankungen oder einem Gerät für die Messung der Kohlendioxidkonzentration in der Ausatemluft bei beatmeten Patienten? Wenn nicht, warum nicht und ist eine Anpassung der Ausstattung der Rettungswagen angedacht? Maßstab für die Ausstattung der Rettungswagen (RTW) mit Medikamenten und die Vorhaltung von Medizinprodukten sind die Einsatzbedarfe. Hier ergeben sich für eine Stadt wie Hamburg mit einer hohen Dichte von Notarztstandorten und Krankenhäusern andere Erfordernisse als für Regionen mit einer weniger gut ausgebauten notfallmedizinischen Infrastruktur. Ein Gerät für die Messung der Kohlendioxidkonzentration bei Patienten ist bereits auf den RTW vorhanden. Die Ausstattung der Rettungsmittel mit Tourniquets ist inzwischen abgeschlossen. Der Ersatz der bisherigen EKG durch 12-Kanal EKG ist geplant. 7. Welche medizinischen Maßnahmen und Medikamente dürfen ausgebildete Notfallsanitäter aktuell anwenden beziehungsweise verabreichen? Welche Maßnahmen und Medikamente dürfen nicht angewendet beziehungsweise verabreicht werden und warum nicht? Siehe Drs. 21/5904. 8. Ist es richtig, dass die auf den Rettungswagen eingesetzten Beatmungsgeräte nur über eingeschränkte Funktionen verfügen? Falls ja, welche Funktionen sind aus welchen Gründen ausgeschaltet? Dürfen alle Funktionen der Beatmungsgeräte eigenständig zur Patientenversorgung genutzt werden? Falls nicht, welche Funktionen und warum nicht? Im Zuge einer aktuell erfolgten Beschaffungsmaßnahme wurden neue Beatmungsgeräte mit einem erweiterten Funktionsumfang gegenüber den Vorgängertypen beschafft. Alle im Regelrettungsdienst erforderlichen Funktionalitäten stehen weiterhin uneingeschränkt und bedarfsgerecht zur Verfügung. Für die Nutzung der erweiterten Funktionalitäten ist eine zusätzliche Einweisung und Schulung des Anwenderpersonals notwendig. Diese wird gemäß den Erfordernissen des Einsatzdienstes und den Vorgaben des Pyramidenprozesses im Rahmen der Zentralen Fortbildung erfolgen. 9. Der Senat hat in der Drs. 21/5904 angekündigt, die Liste der Medikamente und Maßnahmen für die Kompetenzstufe NotSan in den Folgejahren zu erweitern. a. Welche medizinischen Maßnahmen und Medikamente wurden seitdem erweitert? Die medizinischen Maßnahmen wurden durch die Einführung des Tourniquets erweitert . Von den 15 im Pyramidenprozess vorgesehen Maßnahmen werden durch die aktuelle Ausstattung der Rettungsmittel der Feuerwehr Hamburg elf Maßnahmen ermöglicht. b. Welche konkreten Planungen bestehen seitens der Innenbehörde zur Erweiterung der medizinischen Maßnahmen und Medikamente? Drucksache 21/9074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Konkret geplant ist die Erweiterung in der zweiten Jahreshälfte 2017 um die folgenden Medikamente: Amiodaron Glucocorticoide H1 (Clemastin)/H2 (Ranitidin) Die Liste der Medikamente und Maßnahmen für die Kompetenzstufe NotSan wird in den Folgejahren erweitert. Dies erfolgt auf Basis der Bedarfe im Rettungsdienst, den Empfehlungen aus dem Pyramidenprozess, den Evaluationsergebnissen aus dem Einsatzdienst und den Ergebnissen der jährlichen Kompetenzüberprüfungen. Im Übrigen siehe Drs. 21/5904. 10. Werden die bei der Feuerwehr „Beschäftigten im Rettungsdienst“ und verbeamteten Mitarbeiter, die eine erfolgreiche Ausbildung zum Notfallsanitäter abgeschlossen haben, auch als solche eingesetzt? Ja, im Übrigen siehe Antwort zu 6. 11. Gibt es eine messbare Entlastung der Notarztbesetzten Rettungsmittel durch die erweiterten Kompetenzen und das größere Fachwissen der Notfallsanitäter? Wenn nicht, warum? Die Umsetzung des NotSanG bei der Feuerwehr Hamburg ist aktuell noch nicht abgeschlossen . Valide Aussagen zu Entlastungen der notarztbesetzten Rettungsmittel sind daher noch nicht möglich.