BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9090 21. Wahlperiode 23.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 15.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Erstflugtests über Finkenwerder – Fluglärm Das Airbus-Werk in Finkenwerder überprüft bei jedem neu produzierten und neu ausgestatteten Flugzeug im sogenannten Erstflug (First Flight) unter anderem auch dessen Notsysteme. Die Prüfungen umfassen auch den Test der Ram Air Turbine (RAT). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Airbus-Werk in Finkenwerder ist neben Toulouse der wichtigste Partner im europäischen Airbus-Luftfahrtkonzern und mit circa 14.000 Angestellten einer der größten privaten Arbeitgeber in Hamburg. Die Produktion von komplexen Geräten wie Flugzeugen bringt es zwingend mit sich, dass Notfallsysteme wie die Ram Air Turbine (RAT) vorhanden sein müssen. Gleichzeitig muss bei jedem einzelnen Flugzeug sichergestellt sein, dass diese Notfallsysteme ebenso wie alle übrigen Komponenten einwandfrei funktionieren. Dazu dienen die sogenannten First Flights, zu denen auch die angesprochenen Tests mit der RAT gehören. Im ausgeklappten Zustand erzeugt diese höhere Lärm-Emissionen als bei einem sonstigen Anflug. Die First Flights haben an der Gesamtzahl der Überflüge über dem hamburgischen Gebiet einen vergleichsweise geringen Anteil. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Airbus Operations GmbH und der Flughafen Hamburg GmbH wie folgt: 1. Wie viele solcher Erstflüge mit der Überprüfung der Notsysteme haben seit 2011 von Finkenwerder aus stattgefunden? Bitte nach Jahren gesondert aufgliedern. Die Anzahl der Landungen nach Erstflügen ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Single Aisle 385 418 447 443 434 480 A380 26 30 25 30 27 28 2. Zu welchen Tageszeiten wurden diese Erstflüge jeweils durchgeführt? Wenn möglich, bitte zu den einzelnen Flugzeugtypen angeben. Im Single-Aisle-Programm finden die Landungen in der Regel zwischen 10.00 und 20.00 Uhr statt. Wegen der notwendigen Startvorbereitungen kann der früheste Start gegen 8.00, der späteste gegen 17.00 erfolgen. Die Dauer des Erstflugs beträgt zwischen 2,5 bis drei Stunden. Im A380-Programm finden die betreffenden Landeanflüge in der Regel zwischen 15.00 Uhr und Sonnenuntergang, spätestens aber bis 22.00 Uhr, statt. Drucksache 21/9090 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Über welche Stadtteile fliegen die Flugzeuge mit ausgefahrenen RAT nach ihren Tests, die vor der nordöstlichen Stadtgrenze Hamburgs stattfinden , in der Regel zurück nach Finkenwerder? Die Anflüge in Richtung Finkenwerder folgen dem sogenannten Gleitpfad, der bei Flügen mit der Funktionsprüfung der RAT einzuhalten ist. Betroffene Stadtgebiete bei Betriebsrichtung 05 sind die Gebiete Neuenfelde und Buxtehude. Bei Betriebsrichtung 23 sind es die Gebiete Othmarschen, Bahrenfeld, Eimsbüttel, Eppendorf, Alsterdorf, Ohlsdorf, Fuhlsbüttel und Poppenbüttel. 4. Welche Fluglärmmessstellen befinden sich in dieser Einflugschneise? Werden dort die Werte der Erstflüge der Airbus-Flieger mit ausgefahrenen RAT aufgezeichnet? Gibt es neben den bestehenden Fluglärmmessstellen inzwischen eine Aufzeichnungsmöglichkeit speziell für die Lärmerzeugung der Ram Air Turbine? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Messergebnisse wurden an den entsprechenden Fluglärmmessstellen für die Erstflüge der Airbus-Flieger mit ausgefahrenen RAT in den vergangenen zwölf Monaten ermittelt? 5. Welchem Beurteilungspegel und welchem Tag-Abend-Nacht-Pegel entsprechen die gemessenen Werte bei den Erstflügen mit ausgefahrenen RAT? Airbus hat zwei Fluglärmmessstellen in der Nachbarschaft eingerichtet: Messstelle 1 „Rosengarten“ (südlich der Start- und Landebahn) und Messstelle 2 „Gymnasium Hochrad“ (nördlich der Start- und Landebahn). Mithilfe dieser Fluglärmmessstellen werden alle Lärmereignisse erfasst, die von „Airbus-Flügen“ ausgehen. In Übereinstimmung mit den Auflagen der einschlägigen Planfeststellungsbeschlüsse wird nicht gesondert aufgezeichnet, welches Flugzeug mit ausgefahrener RAT welchen Schallpegel erzeugt hat. Die Fluglärmmessstellen der Flughafen Hamburg GmbH befinden sich nicht in der Einflugschneise für Airbus (Anflug 23 Airbus). Sie erfassen alle Flüge, die für den Flughafen relevant und geplant sind, also nicht die Airbus-Flüge, die sich im Landeanflug auf Finkenwerder befinden. 6. Gibt es inzwischen Landeanflüge im Rahmen von Erstflügen am Hamburger Flughafen mit ausgefahrener RAT? Wenn ja, wie hoch sind der durchschnittliche Beurteilungspegel und der durchschnittliche Tag-Abend-Nacht-Pegel bei den Landeanflügen auf den Hamburger Flughafen an den entsprechenden Fluglärmmessstellen ? Nein. 7. Wie beurteilt der Senat die beschriebenen Testflüge und welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Testflüge über dem dicht besiedeltem Hamburger Stadtgebiet zukünftig zu vermeiden? Die Durchführung der Testflüge, bei denen unter anderem die Funktion der RAT überprüft wird, ist zwingend und damit unvermeidbar. Wie alle Systemüberprüfungen bei einem neuen Flugzeug folgen sie einem vorgeschriebenen Ablauf. Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Anflüge über dem Stadtgebiet durchgeführt werden müssen, beruht auf der in Hamburg vorherrschenden Windrichtung aus Westen, sodass auch insoweit keine Änderungsmaßnahme in Betracht kommt. Die zuständige Behörde weist darauf hin, dass es bereits im Jahr 2008 zu einer wesentlichen Verbesserung gekommen ist: Damals konnte in Verhandlungen mit Airbus erreicht werden, dass nur noch beim sogenannten First Flight (industrieller Abnahmeflug) die RAT ausgefahren wird und nicht mehr zusätzlich auch beim Kundenabnahmeflug , sodass sich seitdem die Zahl der Überflüge mit RAT halbiert hat. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9090 3 Die Verlegung dieser Testflüge an andere Flugplätze kommt nicht in Betracht, da dies zu einem erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand für Airbus führen würde. Im Anschluss an jeden First Flight müssen spezielle Inspektionen durchgeführt werden, bevor die Rückführung nach Finkenwerder erfolgen könnte. Das würde bedeuten, dass das dafür erforderliche Personal der Fertigung und der Qualitätssicherung zusätzlich am Fremdflugplatz vorgehalten werden müsste. Außerdem müsste von Airbus ein Stellplatz auf dem fremden Flughafen angemietet werden. Im Durchschnitt hätte die Verlegung einen Tag Zeitverlust im Hinblick auf die Auslieferung zur Folge, sodass die für den Erfolg der Flugzeugproduktion in Hamburg mitentscheidende Auslieferungsrate nicht eingehalten werden könnte. All dies hätte Mehrkosten im Bereich mehrerer Millionen Euro zur Folge, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Hamburg-Finkenwerder und damit zahlreiche der eingangs erwähnten Arbeitsplätze gefährden würden.