BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9099 21. Wahlperiode 23.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 15.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Perspektive Wohnen − Rechtsverstöße durch die Verträge der Stadt mit den Investoren? Zum Bau von Flüchtlingsunterkünften hat sich der Senat entschieden, auf eine Ausschreibung zu verzichten und gezielt von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen bestandshaltende Investoren ihrer Wahl anzusprechen . Dieses Verfahren birgt die Gefahr einer Willkür im städtischen Grundstücksgeschäft . Darüber hinaus wurde in der Sachverständigenanhörung am 8. Januar 2016 aufgeführt, dass durch die umfangreichen Verträge mit den Investoren Verstöße gegen das Vergabe- und Beihilferecht sowie eine Wettbewerbsverzerrung nach europäischem Recht vorliegen können. Im Artikel „Expresswohnungen von Flüchtlingen werden immer teurer“ im „Hamburger Abendblatt“ vom 10. Mai 2017 werden umfangreiche weitere Baukostenzuschüsse für die Bauherren der Expresswohnungen aufgeführt, die ebenfalls zu einer Wettbewerbsverzerrung führen können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen sind ein wichtiges Element zur Deckung der Bedarfe in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung und dienen langfristig der Wohnraumversorgung in Hamburg. Vor dem Hintergrund, dass durch den anhaltenden Flüchtlingszuzug im Lauf des Jahres 2015 die bisher gewählten Unterbringungsformen deutlich an ihre Grenzen gestoßen sind, wurden die geeigneten Rahmenbedingungen geschaffen, um eine möglichst zügige Errichtung von auch in Zukunft nachhaltig nutzbaren Unterbringungskapazitäten zu gewährleisten. Gleichzeitig stellen sie einen im Vergleich zu anderen Unterbringungsformen langfristig kostengünstigen Kapazitätsausbau in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sicher und geben der Stadt die Sicherheit, dass die Wohnungen einen nachhaltigen Beitrag zu Wohnraumversorgung leisten können. In der Drs. 21/1838 hat der Senat die Rahmenbedingungen für die Errichtung der Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen transparent dargestellt. Mit den dort beschriebenen Zielsetzungen wurden die Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. Es wurden vorzugsweise bestandshaltende Investoren gesucht, die sich in der Lage sahen, Wohnquartiere zügig zu errichten und diese nach der Nutzung als Flüchtlingsunterkunft dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen und nachhaltig zu bewirtschaften. Ohne andere Varianten auszuschließen, wurde außerdem die Errichtung der Wohnungen im Rahmen und im Standard des öffentlich geförderten Wohnungsbaus als Kernelement der Strategie definiert. Auf dieser Grundlage gab es zahlreiche Kontakte mit Interessenten, die Flächen vorgeschlagen haben, die aus ihrer Sicht für eine Flüchtlingsunterkunft mit der Perspektive Wohnen geeignet waren. Es gab ebenfalls Investoren, die für die in Drs. 21/1838 genannten Flächen bereits konkrete Bebauungsvorschläge unterbreitet haben. Investoren, die in Hamburg bereits Drucksache 21/9099 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bauvorhaben realisiert haben, die in Grundzügen mit den geplanten Flüchtlingsunterkünften mit Perspektive Wohnen vergleichbar sind, wurden gezielt von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) angesprochen und auf das Senatsprogramm aufmerksam gemacht. Zu diesem Kreis gehörte auch die SAGA. Die Investorenkonzepte wurden unter Beteiligung des jeweiligen Bezirksamtes von den Fachbehörden daraufhin geprüft, ob sie den Rahmenbedingungen des Senatsprogramms entsprachen . Im Ergebnis sind die entsprechenden Investoren von der BSW im Einvernehmen mit den jeweiligen Bezirksämtern ausgesucht worden. Auf dieser Grundlage wurden mit den betroffenen Investoren zu den jeweiligen Bauvorhaben Vertragsverhandlungen geführt und die Ergebnisse in den Kaufverträgen und – soweit sie bereits geschlossen wurden – den Mietverträgen für beide Seiten verbindlich abgesichert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wer hat in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen entschieden, welche Investoren angesprochen werden? 2. Nach welchen Kriterien wurden die Investoren ausgesucht? 3. Wer genau hat die Investoren angesprochen? 4. Welche Investoren wurden für welche Grundstücke angesprochen? 5. Warum wurden genau diese Investoren angesprochen? 6. Welche Bedingungen verknüpften die ausgewählten Investoren mit einem Kauf des jeweiligen Grundstücks? 7. Wurden die selbst von der BSW gesetzten Kriterien der Voraussetzungen für eine Ansprache durch die jeweiligen Investoren erfüllt? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 8. Gibt es Verbindungen zwischen den Investoren der Programme Perspektive Wohnen und Effizienzwohnungsbau? Wenn ja, welche? Die SAGA beabsichtigt, sich am 8-Euro-Wohnungsbau zu beteiligen. Im Übrigen: nein. 9. Haben die betreffenden Investoren die Bauprojekte der Perspektive Wohnen und des Effizienzwohnungsbaus quersubventioniert? Wenn ja, inwiefern? Nein. 10. Liegt ein Verstoß gegen das Beihilferecht vor, weil die Stadt den ohne Ausschreibung gewählten Investoren das Risiko bei einer Nichterteilung der Baugenehmigung abgenommen hat? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Nein, weil die für eine Direktvergabe erforderlichen Verkehrswertgutachten für die Ermittlung des Kaufpreises bereits von einer Wohnbebauung ausgingen und das Baugenehmigungsrisiko dementsprechend vom Verkäufer zu tragen war. Eine einseitige , nicht marktgerechte Begünstigung der Erwerber lag nicht vor. 11. Liegt ein Verstoß gegen das Vergaberecht vor, weil die Gebäude zugeschnitten auf die Interessen des öffentlich-rechtlichen Mieters hin von selbstgewählten Investoren ohne Ausschreibung errichtet werden? Wenn ja, inwiefern? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9099 3 Wenn nein, warum nicht? 12. Gab es eine Vergabepflicht nach dem vierten Teil des GWB, weil private Investoren unter erleichterten Vorgaben für einen öffentlich-rechtlichen Mieter bauen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Der Verkauf der städtischen Grundstücke im Rahmen des Programms der Flüchtlingsunterbringung mit der Perspektive Wohnen war kartellvergaberechtlich unbedenklich . Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs ist der Verkauf eines Grundstücks an sich kein vergaberechtlich relevanter Vorgang. Die Voraussetzungen, unter denen dies ausnahmsweise anders sein kann (der Käufer übernimmt im Kaufvertrag eine stark konkretisierte, einklagbare Bauverpflichtung (sogenannter Bestellbau )), lagen hier nicht vor. Angesichts der großen Zahl Schutz suchender Menschen in Hamburg hätte aber auch völlig unabhängig hiervon eine Situation vorgelegen, bei der Direktvergaben zur Gewährleistung der Unterbringung vergaberechtlich zulässig gewesen wären. 13. Wann stellten die ausgewählten Investoren welche Nachforderungen (zum Beispiel Baukostenzuschüsse)? 14. Warum waren solche Nachforderungen nicht von Anbeginn in den Verträgen ausgeschlossen? 15. Sind diese Nachforderungen (zum Beispiel Baukostenzuschüsse) in Verbindung mit einem Verzicht auf eine Ausschreibung ein Verstoß gegen das Beihilferecht nach europäischem Recht? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Bei dem Baukostenzuschuss wie auch dem Abnutzungszuschlag handelt es sich um Zahlungen im Rahmen des Mietvertrages. Diese Zahlungen wurden zu Beginn der Mietvertragsverhandlungen Ende 2015 thematisiert. Es handelt sich nicht um Nachforderungen . Ein Verstoß gegen das EU-Beihilferecht scheidet schon mangels einer Beihilfe aus. Im Übrigen siehe Drs. 21/8872. 16. Liegt ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung vor, wenn zum Beispiel das Risiko einer Nichterteilung einer Baugenehmigung oder andere Sicherheiten wie zum Beispiel Baukostenzuschüsse von der Stadt an den selbstgewählten Investor ohne Ausschreibung ferngehalten beziehungsweise erteilt werden? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? 17. Verstoßen die Verträge der Stadt mit den selbstgewählten Investoren ohne Ausschreibung in Verbindung mit den sonstigen Sicherheiten und Zuschüssen gegen europäisches Recht, weil sie eine Beihilfe für Unternehmen darstellen, die zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb des Marktes führen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die Verkäufe der Grundstücke erfolgten zum Verkehrswert. Im Übrigen siehe Antwort zu 10.