BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9104 21. Wahlperiode 23.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 15.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Staatsvertrag mit den Muslimen – Artikel 9 Gewährleistung der Vermögensrechte ; Errichtung und Betrieb von Moscheen, Versammlungsräumen , Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen Im November 2012 hat der Senat einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften Hamburgs geschlossen. Aufgrund schwerwiegender Verfehlungen einiger Vertragspartner ist das Traktat seither immer wieder in die Kritik geraten, mit der Folge, dass mittlerweile von verschiedenen Seiten Stimmen nach einer Aufkündigung laut wurden. Aus diesem Grund verlangen zahlreiche Bürger der Stadt nach Klarheit. Da der Vertragstext an vielen Stellen nicht präzise formuliert ist, sondern stets einen gewissen Interpretationsspielraum lässt, wird der Senat dazu aufgefordert, im Folgenden Präzisierungen vorzunehmen. In Artikel 9 des Staatsvertrages heißt es: (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet den islamischen Religionsgemeinschaften das Eigentum und andere Rechte an ihrem Vermögen gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 2 der Weimarer Reichsverfassung. (2) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet islamischen Religionsgemeinschaften das Recht, im Rahmen der geltenden Gesetze Moscheen, Gebets- und Versammlungsräume sowie Bildungseinrichtungen und sonstige Gemeindeeinrichtungen zu errichten und ihrer Bestimmung entsprechend zu betreiben. Dies schließt die Gewährleistung des Rechts ein, Moscheegebäude der islamischen religiösen Tradition entsprechend, insbesondere mit Kuppeln und Minaretten, auszustatten. (3) Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass Errichtung und Betrieb von Moscheen, Gebets- und Versammlungsräumen sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen der islamischen Religionsgemeinschaften zur Förderung eines gedeihlichen Miteinanders der muslimischen und der nicht muslimischen Bevölkerung von akzeptanzfördernden Maßnahmen begleitet werden sollen. Deshalb 1. werden die Vertragsparteien Bedacht darauf nehmen, dass sich Moscheegebäude unbeschadet des Rechts der islamischen Religionsgemeinschaften , sie der islamischen religiösen Tradition entsprechend auszustatten , in ihre jeweilige Umgebung einfügen, 2. wird sich die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen des geltenden Rechts und unter Beachtung der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich -religiöser Neutralität in der Bevölkerung für die Akzeptanz des Errichtens und Betreibens von Moscheen, Gebets- und Versammlungsräumen Drucksache 21/9104 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen einsetzen , 3. werden die islamischen Religionsgemeinschaften bei Errichtung und Betrieb von Moscheen, Gebets- und Versammlungsräumen sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen die Ziele von Transparenz und Öffnung verfolgen. (4) Die Freie und Hansestadt Hamburg wird den Bedarf der islamischen Religionsgemeinschaften an Grundstücken beziehungsweise grundstücksgleichen Rechten, insbesondere bei Erschließung neuer Stadtteile und Aufsiedlung neuer Gebiete, nach Maßgabe des geltenden Rechts berücksichtigen . Macht die Freie und Hansestadt Hamburg einen dringenden öffentlichen Bedarf an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten der islamischen Religionsgemeinschaften, ihrer Einrichtungen oder Gemeinden geltend, werden die islamischen Religionsgemeinschaften darauf hinwirken, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte , soweit sie nicht für religiöse Zwecke benötigt werden, zu angemessenen Bedingungen erwerben kann. (5) Im Rahmen der allgemeinen Gesetze wird die Freie und Hansestadt Hamburg bei der Anwendung enteignungsrechtlicher Vorschriften auf die Belange der islamischen Religionsgemeinschaften Rücksicht nehmen und im Falle eines Eingriffs bei der Beschaffung gleichwertiger Ersatzgrundstücke Hilfe leisten. Bei der Stellung von Ersatzgrundstücken gelten die für die Enteignung maßgeblichen Grundsätze. Protokollerklärung zu Artikel 9 Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Regelungen dieses Artikels die Rechte der islamischen Religionsgemeinschaften an ihrem Eigentum und sonstigem Vermögen nicht beschränken. Dies gilt insbesondere für das Recht, Immobilien, welche sie in Eigentum oder gemietet haben, im Rahmen der geltenden Gesetze für religiöse, soziale, Bildungs-, kulturelle, sportliche und gewerbliche Zwecke zu nutzen oder zu vermieten. Die Vertragsparteien stimmen ebenfalls darin überein, dass die Gewährleistungen des Absatzes 4, wonach die Freie und Hansestadt Hamburg den Bedarf der islamischen Religionsgemeinschaften an Grundstücken beziehungsweise grundstücksgleichen Rechten berücksichtigen wird, nicht die Rechte der islamischen Religionsgemeinschaften auf gewerbliche Einrichtungen und Betätigungen einschließen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Fragesteller unterstellt mit der Vorbemerkung neben einer behaupteten Unklarheit der Verträge mit den islamischen Religionsgemeinschaften auch schwerwiegende Verfehlungen einzelner Vertragspartner, ohne diese aber zu belegen. Auch die behauptete Unklarheit des Bedeutungsgehalts einzelner Vertragsbestimmungen besteht tatsächlich nach Auffassung des Senats nicht. Entsprechend der Tradition der bereits mit anderen Konfessionen geschlossenen religionsverfassungsrechtlichen Verträge sind auch die Verträge mit DITIB, SCHURA und VIKZ sowie der Alevitischen Gemeinde in ihren Inhalten eher zurückhaltend ausgestaltet und bestätigen und bekräftigen im Wesentlichen bereits bestehende Rechte und Pflichten. Sie unterscheiden sich von den Verträgen mit den körperschaftlich organisierten Religionsgesellschaften aber aufgrund der Tatsache, dass bei diesen der Aspekt der Rechtstreue bereits die Grundlage für die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bildete. Einzelne Gesichtspunkte der gemeinsam anerkannten Wertegrundlagen sind ausdrücklich geregelt worden, um ihrer zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung erkannten Virulenz im politischen und gesellschaftlichen Diskurs Rechnung zu tragen. Der Senat hat mit der Vorlage der Verträge Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9104 3 zur Zustimmung durch die Bürgerschaft umfassend die Ausgangslage und die Bedeutung auch der Einzelregelungen dargelegt und begründet, siehe Drs. 20/5830. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele der folgenden in Artikel 9 Absatz 2 genannten Einrichtungen haben die islamischen Religionsgemeinschaften bisher errichtet? Bitte bei der Beantwortung auch die Daten der Inbetriebnahme angeben. a) Moscheen b) Gebets- und Versammlungsräume c) Bildungseinrichtungen d) Sonstige Gemeindeeinrichtungen 2. Haben die islamischen Religionsgemeinschaften hierfür staatliche Zuschüsse erhalten? Falls ja, wie viel Geld ist dabei gezahlt worden und woher stammt dieses ? 3. Wie viele der oben genannten Einrichtungen werden gegenwärtig von den islamischen Religionsgemeinschaften betrieben? Bitte die einzelnen Standorte jeweils gesondert angeben. Es ist regelhaft nicht Aufgabe des Staates, die Errichtung von Gotteshäusern, Gebetsräumen , Versammlungsräumen, Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen zu überwachen. Daher liegen weder statistische Daten noch Adresslisten vor. Im Übrigen siehe Drs. 21/7661 und Drs. 21/8464. 4. Der Senat hat in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es so etwas wie „den Islam“ nicht gebe; daher ist nicht klar, was er unter „der islamischen Tradition“ verstanden wissen will. Was beziehungsweise welche Tradition ist mit diesem Begriff gemeint? Aus dem Kontext des Vertrages ergibt sich, dass die unter Muslimen unterschiedlicher Ethnien und religiöser Strömungen verbreitete Tradition, Moscheen mit Kuppeln und Minaretten auszustatten, gemeint ist. 5. Wie viele Moscheen in Hamburg verfügen gegenwärtig über Minarette und wie hoch sind diese? Bitte jeweils in Bezug auf die einzelnen Standorte antworten. Es gibt in Hamburg zwei Moscheen, die mit Minaretten ausgestattet sind: Moschee Höhe der Minarette 1 Centrum-Moschee Böckmannstraße 40 20099 Hamburg ca. 20m 2 Imam-Ali-Moschee Schöne Aussicht 36 22085 Hamburg ca. 16m 6. Wie viele Moscheen haben nach dem Abschluss des Staatsvertrages Minarette erhalten? Haben sie dabei staatliche Subventionen erhalten? Falls ja, wie hoch fielen diese aus? Keine. 7. In der Soziologie wird Akzeptanz definiert als die „Eigenschaft einer Innovation, bei ihrer Einführung positive Reaktionen der davon Betroffenen zu erreichen.“1 Warum hält der Senat es für nötig, den Bau von Moscheen mit „akzeptanzfördernden Maßnahmen“ zu begleiten? Soll 1 Confer Endruweit, G., Trommsdorff, G.: Wörterbuch der Soziologie. Konstanz: UVK-Verl. 2014. Drucksache 21/9104 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 dadurch eine positive Reaktion der nicht muslimischen Bevölkerung hervorgerufen werden? Der gesamte Vertrag verfolgt den Zweck, das gegenseitige Verständnis und das partnerschaftliche Miteinander zu befördern. Dies steht im Kontext der staatlichen Bemühungen um den sozialen Zusammenhalt in der Bevölkerung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 8. Was versteht der Senat in Hinblick auf das Recht, Moscheen und Kuppeln zu errichten, unter „sich in ihre jeweilige Umgebung einfügen“? Die an § 34 des Baugesetzbuches (BauGB) angelehnte Begrifflichkeit im Vertrag meint eine Betrachtung eines Vorhabens unter den Aspekten Art und Maß der Nutzung , Bauweise und überbaute Fläche. Im Übrigen besteht das Recht, Moscheen und Kuppeln zu errichten, nur im Rahmen der geltenden Gesetze. Nach den einschlägigen baurechtlichen Bestimmungen können in allen Baugebieten, in welchen kirchliche Einrichtungen baurechtlich zulässig sind, prinzipiell Moscheen errichtet werden. Inwieweit Kuppel oder Minarette zugelassen werden können, richtet sich nach dem jeweils im Einzelfall zulässigen Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan beziehungsweise nach § 34 BauGB. 9. Wie will sich der Senat konkret für die Akzeptanz des Errichtens und Betreibens von Moscheen, Gebets- und Versammlungsräumen sowie Bildungseinrichtungen und sonstigen Gemeindeeinrichtungen einsetzen ? 10. Welche Maßnahmen hat der Senat diesbezüglich bereits auf den Weg gebracht? 11. Wie passt das erklärte Ziel, die Akzeptanz für den Islam in der Bevölkerung gezielt zu fördern zu der grundgesetzlich festgeschriebenen Neutralitätspflicht des Staates gegenüber Weltanschauungen und Religionen ? Bitte ausführlich antworten. 12. Inwieweit bemüht sich der Senat darum, die Akzeptanz für die folgenden Religionsgemeinschaften in der Bevölkerung zu fördern? a) Russisch-orthodoxe Kirche b) Griechisch-orthodoxe Kirche c) Rumänisch-orthodoxe Kirche d) Serbisch-orthodoxe Kirche e) Syrisch-orthodoxe Kirche f) Koptische Kirche g) Äthiopisch-orthodoxe Tewahedo-Kirche h) Armenische Apostolische Kirche i) Judentum j) Buddhismus k) Hinduismus Der Senat bemüht sich nicht nur um Akzeptanz und Integration von Muslimen, sondern im Rahmen eines umfassenden Konzeptes ganz allgemein um den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft (vergleiche Drs. 20/7049). Dabei wirbt der Senat aber nicht für bestimmte Religionen. Daher besteht auch kein Konflikt mit der staatlichen Neutralitätspflicht. In diesem Rahmen unternimmt und fördert der Senat zahlreiche Maßnahmen und Projekte (vergleiche für einen Überblick Drs. 21/5081, daneben auch die Drs. 21/5860, 21/6102, 21/7612, 21/7661, 21/7857, 21/8630 sowie 21/8933). 13. Was bedeuten die „Ziele von Transparenz und Öffnung“ konkret? a) Ist deren Einhaltung mit Verpflichtungen verbunden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9104 5 Falls ja, mit welchen? b) Welche Konsequenzen hat die Nichtumsetzung dieser Ziele? Die Ziele stehen im Kontext der angestrebten Intensivierung der wechselseitigen Öffnung von muslimischen und nicht muslimischen Teilen der Bevölkerung füreinander und sollen durch die Ermöglichung von Kontakt und Einsichtnahme Barrieren und Hemmnisse abbauen und gegenseitiges Verständnis fördern. Die Verpflichtung hierzu ist verbindlich, gibt jedoch keine bestimmten Maßnahmen vor. Darüber hinaus äußert sich der Senat nicht zu hypothetischen Fragestellungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 14. Welche Grundstücke haben die islamischen Religionsgemeinschaften seit November 2012 von der Freien und Hansestadt Hamburg erworben ? Keine. 15. Zu welchem Zwecke ist dieser Grundstückserwerb im Einzelnen erfolgt? Entfällt. 16. Was versteht der Senat unter „angemessenen Bedingungen“? Die Regelung bezieht sich auf den Erwerb von Grundstücken durch die Stadt, falls die Stadt das im Eigentum der islamischen Religionsgemeinschaft stehende Grundstück wegen eines dringenden öffentlichen Bedarfs erwerben möchte. Hierbei werden Grundstücke nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich auf Basis einer zu erstellenden Wertermittlung zum maßgeblichen Verkehrswert erworben.