BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9124 21. Wahlperiode 23.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 16.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Ausländerbehörde wird zur Willkommensbehörde? Was wird aus den Versprechen des Koalitionsvertrags? Die rot-grüne Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2015 die Absicht formuliert, Maßnahmen aus dem Modellprojekt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die Hamburger Ausländerbehörde nutzbar zu machen. Die Ausländerbehörde Hamburg ist als „Abteilung E3 Ausländerangelegenheiten “ in das Einwohner-Zentralamt integriert. Die Mitarbeitenden sind für alle aufenthaltsrechtlichen Belange der Hamburger/-innen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus zuständig. Im Zusammenhang mit dem starken Zuzug von Schutzsuchenden seit 2015 wurde die Ausländerbehörde personell stark aufgestockt. Im August 2015 erklärte der Senat, die Ausländerbehörde dauerhaft personell um 100 Stellen aufzustocken. Laut Antwort des Senat auf meine Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 21/8101) wurden die Mitarbeitenden der Ausländerbehörde vom 30.06.2015 bis zum 31.12.2016 um 213 Mitarbeitende aufgestockt. Dabei fällt auf, dass die Anzahl der Mitarbeitenden im neu gegründeten Referat „Rückführungen“ vervierfacht wurde. Gleichzeitig kommt es bei der Familienzusammenführung seit Monaten zu Verzögerungen. Laut der Antwort des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 21/7704) sind derzeit nur zwei Mitarbeiter/ -innen mit 1,6 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) für die Bearbeitung von Anträgen nach §23 Absatz 1 AufenthG (Familienzusammenführungen) zuständig. Nach Ansicht der Fragestellerin widerspricht das der Ankündigung im Koalitionsvertrag , die Hamburger Ausländerbehörde zu einer Willkommensbehörde zu machen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Ausländerbehörde Hamburg umfasst neben der Zentralen Ausländerbehörde im Einwohner-Zentralamt auch die neun dezentralen bezirklichen Ausländerabteilungen. Bereits im April 2015, insbesondere aber in den Folgemonaten sind in allen diesen Dienststellen ebenso wie in weiteren Ämtern der Behörde für Inneres und Sport, bei dem seit Oktober 2015 bestehenden Vorhaben „Work and Integration for Refugees“ und beim seit November 2015 bestehenden Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) außergewöhnliche Belastungen und Herausforderungen gemeistert worden, um den hohen Zuwanderungszahlen zu begegnen. So wurden die Plätze in der Erstaufnahme von 3.500 Plätzen Ende 2014 auf über 19.000 Plätze im Dezember 2015 aufgestockt und seither wieder auf rund 6.100 Plätze reduziert. Dabei ist es gelungen, die Geflüchteten vor Obdachlosigkeit zu bewah- Drucksache 21/9124 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ren und ihnen Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung sowie im Weiteren viele Integrationsangebote für Erwachsene und Kinder zu bieten. Das im Mai 2016 für 36,3 Millionen Euro neu errichtete Ankunftszentrum bietet die räumlichen und organisatorischen Möglichkeiten, neu eintreffende Flüchtlinge umgehend zu registrieren, erkennungsdienstlich zu behandeln und die asylrechtliche Verteilungsentscheidung herbeizuführen. Innerhalb weniger Tage finden hier zudem die medizinische Erstuntersuchung , die leistungsrechtliche Erfassung und die Asylantragstellung statt. Das Einwohner-Zentralamt und hier vor allem die mit zentralen Ausländerangelegenheiten befassten Aufgabenbereiche befinden sich seit dem Jahr 2015 in einem kontinuierlichen Weiterentwicklungs- und Veränderungsprozess, der in einer Vielzahl von Punkten die in dem Modellprojekt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entwickelten Ansätze aufgreift. Das Einwohner-Zentralamt hat das Registrierungsverfahren und die damit verbundenen Prozesse der aufenthaltsrechtlichen Ersterteilung, Leistungsgewährung und Unterbringung für Asyl oder Duldung beantragende Personen umfassend neu strukturiert und in einem für die betroffenen ausländischen Staatsangehörigen zügigen und transparenten Verfahren organisiert. Dabei ist das BAMF in diesen Prozess umfassend und stringent eingebunden, sodass die Betroffenen anders als in den Vorjahren in einem durchgängigen Verfahren betreut werden und schnellere Entscheidungen erhalten. Die serviceorientierte Ausrichtung des Einwohner-Zentralamtes bei der Ausgestaltung von Prozessen im Rahmen der rechtlichen Vorgaben des Ausländerrechtes wurde und wird auch durch die dezentrale Einrichtung von Verwaltungsaußenstellen zur Leistungsgewährung deutlich, die den Zugang der Betroffenen wesentlich erleichtern und diesen lange Wege ersparen. Mit dem Umzug des Einwohner-Zentralamtes nach Wandsbek wurden zudem die räumlichen Bedingungen auch für die Betreuung der dort vorsprechenden ausländischen Staatsangehörigen wesentlich verbessert, indem die Wartebereiche deutlich entzerrt wurden, in den Wartebereichen Informationsschalter eingerichtet wurden und Verfahren etabliert wurden, die in vielen Fällen die Wartezeiten wesentlich verkürzen konnten. Zudem sind die Bürobereiche, in denen Vorsprachen erfolgen, gegenüber den Bedingungen des vorherigen Standortes ansprechender. Der neue Standort bietet darüber hinaus durch die sehr gute ÖPNV-Anbindung eine noch bessere Erreichbarkeit gegenüber dem bisherigen Standort und erleichtert damit das Aufsuchen des Einwohner-Zentralamtes. Darüber hinaus sind auch die Verfahren um die Aufenthaltsbeendigung durch eine durchgängige Rückkehrberatung, die bei der ersten Duldungsausstellung und dann bei folgenden Duldungsverlängerungen jeweils auf die Ausreisepflicht, ihre Bedeutung und die von der Ausländerbehörde zu treffenden Maßnahmen bei nicht erfolgender Beachtung der Ausreisepflicht noch transparenter ausgestaltet worden. Die Rückkehrberatung wird dabei jeweils durch eine Beratung über gegebene Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten bei der freiwilligen Rückreise begleitet. Die in Hamburg durch die hohen Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 und auch noch im Jahr 2016 eingetretene Situation hat ein enges Zusammenwirken vieler Akteure erfordert , um zunächst die Registrierung, Unterbringung und Versorgung dieser Flüchtlinge zu gewährleisten und im Folgenden sehr zügig die Bedingungen für eine gelingende Integration weiterzuentwickeln. Entsprechend besteht ausgehend von dieser Situation fortwährend eine sehr enge Kooperation mit verschiedensten staatlichen und nicht staatlichen Beteiligten, die getragen ist von dem Anliegen, durch Beratung und Unterstützung unter Nutzung der Kompetenzen des Einwohner-Zentralamtes die rechtlichen Rahmenbedingungen des Ausländerrechts auch im Rahmen der Integrationsförderung optimal zu nutzen und die Prozesse und Verfahren des Einwohner- Zentralamtes, hier vor allem der Abteilung für Ausländerangelegenheiten, mit den Verfahren und Prozessen anderer Beteiligter gut abzustimmen. Das betrifft zum Beispiel die Entwicklung eines Verfahrens für die Anwendung der sogenannten 3+2- Regelung zur Ermöglichung von Ausbildungsaufenthalten mit einer anschließenden Beschäftigung, aber auch die Abstimmung der Rahmenbedingungen für die Sprachförderung und die Unterstützung in den Erstaufnahmeeinrichtungen bei früher Integra- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9124 3 tionsförderung, zum Beispiel durch schulische Betreuung und die Installation halboffener Kinderbetreuungsangebote. Die Verfügbarkeit von Informations- und Beratungsunterlagen in verschiedenen Sprachen ist bereits fester Bestandteil der Verfahren und Prozesse im Einwohner- Zentralamt. Darüber hinaus ist die regelmäßige Einbindung von Dolmetschern bei persönlichen Vorsprachen im Rahmen der ausländerbehördlichen Sachbearbeitung etabliert, soweit die Sprachkenntnisse des Gegenüber dies erfordern. Auf ministerieller Ebene begleitet wurden diese Maßnahmen von einer Vielzahl gesetzlicher Änderungen. Seit Ende 2014 sind die aufenthalts- und asylrechtlichen Vorgaben des Bundes durch 16 Rechtsakte maßgeblich geändert worden, zwei weitere befinden sich noch im Gesetzgebungsverfahren. Zur Erarbeitung und Abstimmung dieser Rechtsänderungen waren diverse Bund-Länder-Gremien unter Beteiligung Hamburgs tätig. Im Grundsatzreferat für Aufenthaltsrecht sind in der laufenden Legislaturperiode inklusive dieser bereits knapp 700 parlamentarische Anfragen bearbeitet worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Verfolgt der Senat weiterhin das Ziel, Maßnahmen aus dem Modellprojekt des BAMF in der Hamburger Ausländerbehörde zu etablieren? Wenn ja, a. welche Maßnahmen sind konkret gemeint? b. gegebenenfalls: In welchem Zeitraum ist mit Ergebnissen zu rechnen beziehungsweise wie ist der Zeitplan für die Umsetzung? Siehe Vorbemerkung. 2. Hält der Senat dabei an dem Begriff „Willkommensbehörde“ fest? Ja. 3. Welche Schritte wurden durch die Ausländerbehörde Hamburg seit Verabschiedung des Koalitionsvertrages in Richtung einer „Willkommensbehörde “ konkret gegangen? Bitte darstellen. 4. Ist eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe zur Nutzbarmachung der Empfehlungen des BAMF für Hamburg bereits eingesetzt? Wenn ja, a. wer beziehungsweise aus welchen Behörden sind ihre Mitglieder? b. wie häufig tagte sie bereits? c. wann war das erste Treffen? d. welche Ergebnisse oder Zwischenergebnisse gibt es? 5. Wurde bereits eine „Standortbestimmung“ durch die Ausländerbehörde vorgenommen (https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/ Downloads/Infothek/Sonstige/abh-projektwerkzeugkoffer .pdf?__blob=publicationFile, Seite 8)? Wenn ja, a. sind die Ergebnisse öffentlich? b. welche Stellen (Migranten-/-innenselbstorganisationen, Beratungsstellen , ZKF, BHFI und so weiter) wurden einbezogen? c. welche Maßnahmen wurden als sinnvoll und durchführbar in Hamburg identifiziert? Wenn nein, warum nicht beziehungsweise plant der Senat, eine solche Standortbestimmung durchzuführen? Drucksache 21/9124 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 6. Hat der Senat für die Umsetzung der Maßnahmen oder die Planung eine Strategie externe Beratung (zum Beispiel durch eine Consultingfirma) eingekauft oder plant er dies? Wenn ja, zu welchen finanziellen Konditionen? Siehe Vorbemerkung.