BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9191 21. Wahlperiode 30.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 22.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Realisierung eines Camps für Demonstranten/-innen zum G20-Gipfel Der am 7./8. Juli 2017 in Hamburg stattfindende G20-Gipfel soll laut Innensenator Andy Grote ein „Festival der Demokratie“ werden (http://www.mopo.de/hamburg/g20/ innensenator-grote--spd--g20-gipfel-wird- -festival-der-demokratie--26898306). Zu jedem Festival gehört eine Festivalwiese , auf der Besucher/-innen übernachten können. Beim G20-Gipfel geht es nicht nur um ein Privatvergnügen, sondern auch Menschen, die weite Anreisewege haben, möchten ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen, wenn in Hamburg die G20 zusammenkommen. Ohne Übernachtung geht das nicht. Allein auf private Solidarität und kostengünstige Unterkünfte zu setzen, missachtet die für die Grundrechtsverwirklichung notwendigen Rahmenbedingungen und auch den eigenen Versammlungscharakter von Protestcamps. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie wollen der Senat sowie die zuständigen Behörden die Verwirklichung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit für Menschen sicherstellen , die weite Anreisewege haben? 2. Welche Möglichkeiten sehen Senat und zuständige Behörden für voraussichtlich mehrere Zehntausend auswärtige Demonstranten/-innen, kostengünstige Schlafplätze zu finden? 3. Planen Senat und zuständige Behörden, den Demonstranten/-innen angemessene Flächen für ein Camp oder mehrere Camps zur Verfügung zu stellen? a. Falls ja, welche Flächen für jeweils wie viele Personen? b. Falls nein, warum nicht? Bitte die Gründe genau schildern. Die Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG und das Versammlungsrecht gewähren keinen Anspruch auf staatliche Leistungen wie die Unterbringung von anreisenden Teilnehmern. 4. Wie viele Anträge auf Camps während des G20-Gipfels sind dem Senat und den zuständigen Behörden bisher bekannt? Welche Flächen wurden beantragt? Dem Bezirksamt Altona liegt ein Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Nutzung eine Fläche im Altonaer Volkspark und für eine an den Volkspark angrenzende Fläche zum Aufbau von Zelten vor. Weitere Anträge im Sinne der Anfrage liegen nicht vor. Drucksache 21/9191 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Aufgrund welcher Erkenntnisse werden der Anmelder des Camps im Stadtpark und der Kontext kritisch gesehen (vergleiche Protokoll Innenausschuss Nummer 21/18, Seite 11)? 6. Welche Erkenntnisse führen zu der Einschätzung, dass „solche Camps eben eine ideale und auch als solche organisierte Anlaufstelle, logistische Zentrale, Rückzugsbereich gerade für die militanten Gipfelgegner darstellen“ (ebenda, Seite 11)? Bitte auch Beispiele für Camps nennen, auf die eine solche Einschätzung zutraf. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird von Angaben zu Antragstellern abgesehen . Der zuständigen Behörde liegen zur Einrichtung und Durchführung von Camps Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung aus vorangegangenen Großeinsätzen anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007 und des NATO-Gipfels in Baden-Baden, Kehl und Straßburg im Jahr 2009 vor. Die jeweiligen Erfahrungsberichte der Polizei sind als Verschlusssache eingestuft, die Polizei sieht daher von detaillierten Angaben ab. Darüber hinaus wird in den einschlägigen Aufrufen zur Teilnahme an Protesten gegen den G20-Gipfel auch zu Aktionen außerhalb der Rechtsordnung und zu militanten Aktionen aufgerufen. Im Zusammenhang mit dem Camp wird auf den einschlägigen Seiten deutlich gemacht, dass das Camp offen sein soll für die Teilnehmer aller Aktionsformen und niemand ausgeschlossen werden soll. 7. Auf welcher Genehmigungsebene welcher Behörde würden solche Erwägungen (Frage 6.) eine Rolle spielen, falls eine Grünanlage für geeignet befunden würde? Im Falle einer Versammlung wären die Erwägungen für die Versammlungsbehörde relevant. Im Falle einer Sondernutzung wären sie für das Bezirksamt neben den unmittelbaren Fragen der Sondernutzung im Rahmen der Beteiligung der Polizei von Bedeutung. 8. In wessen Zuständigkeit fällt die Bearbeitung von Anträgen auf Camps? Camps auf öffentlichen Grund stellen grundsätzlich keine Versammlung, sondern eine Sondernutzung dar. Für Sondernutzungsanträge sind die Bezirke zuständig. Wird einem Camp ein Versammlungscharakter beigemessen, wäre die Polizei als Versammlungsbehörde aufgrund der sogenannten Konzentrationsmaxime zuständig. a. Welche verschiedenen Stellen sind alles involviert? Abhängig von Art und Größe einer Sondernutzung beziehungsweise Veranstaltung oder Versammlung können verschiedene Fachämter und Stellen der Bezirksämter, die Polizei und die Feuerwehr involviert sein. Im Fall des beim Bezirksamts Altona eingegangenen Antrags werden das Fachamt Management des öffentlichen Raumes, die Polizei und die Feuerwehr sowie das Fachamt Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt sowie die für die Belange des Gartendenkmals im Bereich der auf der beantragten Fläche befindlichen „Spielwiese“ zuständigen Stellen beteiligt. b. Wann ist jeweils mit Entscheidungen über die vorliegenden Anträge zu rechnen? c. Wie wird dabei sichergestellt, dass rechtzeitig vor dem Gipfel alle für die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit und weiterer Rechte notwendigen Rechtsmittel eingelegt werden können und eine Entscheidung herbeigeführt werden kann? Über den dem Bezirksamt Altona vorliegenden Antrag wird zeitnah nach ordnungsgemäßer Beteiligung der verschiedenen Stellen entschieden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9191 3 9. Inwiefern wird die Anmeldung eines Camps als Versammlung oder als Sondernutzung unterschiedlich behandelt? Wie wird bei einem Sondernutzungsantrag die Versammlungsfreiheit berücksichtigt? Die Frage, wie ein Camp angemeldet wird, ist für die weitere Behandlung zunächst nicht entscheidend. Wird ein Camp als Sondernutzung beantragt, wird der Sondernutzungsantrag vom zuständigen Bezirksamt auf die Genehmigungsfähigkeit geprüft. Wird das Camp als Versammlung angemeldet, prüft die Versammlungsbehörde ob dieses dem Versammlungsbegriff unterfallen kann oder ob Sondernutzung zu beantragen ist. Grundsätzlich ist das Campieren auf öffentlichen Flächen unzulässig und nur im Wege einer Sondernutzungserlaubnis möglich. Entsprechend wird in diesen Fällen auf die Notwendigkeit der Beantragung einen Sondernutzungserlaubnis durch das zuständige Bezirksamt verwiesen. 10. Inwieweit halten Senat und zuständige Behörden die Einschätzung des Bezirksamtes Nord für zutreffend, dass der Stadtpark für ein Camp mit circa 10.000 Teilnehmern/-innen nicht geeignet sei, weil dies die Wiese in einer unzumutbaren Weise beeinträchtigen würde? 11. Warum darf die Stadtpark-Wiese für ein Konzert der Rolling-Stones im September mit mindestens 80.000 Besuchern/-innen genutzt werden? Bitte genau darlegen, warum das angemeldete Camp eine größere Beeinträchtigung der Grünanlage bedeuten soll. Das Konzert findet am 9. September 2017 und somit gegen Ende der eigentlichen Stadtpark-Saison statt. Es wird von professionellen Unternehmen aus dem Veranstaltungsbereich vorbereitet und durchgeführt. Dabei wird ein hoher technischer und organisatorischer Aufwand für den größtmöglichen Schutz der Grünanlage betrieben. Zu dessen Abstimmung wird für die Erteilung der notwendigen Auflagen ein langfristiges Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müssen. Die Auflagen dienen dabei nicht nur dem Schutz der Grün- und Erholungsanlagen, sondern dem geordneten und sicheren Ablauf des Konzerts. Außerdem ist sichergestellt, dass dennoch entstehende Beschädigungen durch das Bezirksamt auf Kosten des Veranstalters unverzüglich beseitigt werden. Auf- und Abbau erfolgen in der Zeit vom 1. September bis spätestens 14. September 2017 jeweils schrittweise, um die Nutzbarkeit der Festwiese für den allgemeinen Parkbetrieb möglichst wenig einzuschränken. 12. Welche Vorkehrungen zum Schutz der Grünanlagen werden bei einem Camp im Stadtpark oder im Volkspark für erforderlich gehalten? Die mit einer Sondernutzungserlaubnis einhergehenden Auflagen hängen von den konkreten Planungen des Veranstalters ab. Die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz der Grünanlagen beispielsweise im Volkspark (siehe Antwort zu Frage 4.) sind Gegenstand der Beteiligung der zuständigen Stellen. Im Übrigen wären für ein Camp Auflagen erforderlich, die dem Schutz der Teilnehmer, der Umwelt, der Anlieger und anderer Nutzer dienen. 13. Innensenator Grote hat keine „Befürchtungen, es könnte stattdessen zu zahlreichen kleineren, unangemeldeten Camps kommen.“ Dies komme hin und wieder vor und würde auch zum G20-Gipfel passieren (http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburg-lehnt-G20- Protestcamp-im-Stadtpark-ab,gipfeltreffen312.html). Warum unterscheidet sich die Einschätzung von Senat und zuständigen Behörden hinsichtlich dieser Camps gegenüber den angemeldeten Camps? Bitte ausführlich schildern, welche Erkenntnisse dem zugrunde liegen. Das Zitat ist nicht vollständig wiedergegeben und impliziert dadurch, dass unangemeldete kleinere Camps durch die zuständigen Behörden geduldet würden. Das Zitat auf der benannten Internet-Seite lautet in Gänze: „Befürchtungen, es könnte stattdessen zu zahlreichen kleineren, unangemeldeten Camps kommen, habe er nicht, so Grote. Es komme hin und wieder vor, dass im Stadtgebiet unangemeldete Camps aufgeschlagen würden. Die verschwänden dann schnell wieder, und das würde auch zum G20-Gipfel so passieren, kündigte Grote an.“ Drucksache 21/9191 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Bei Feststellungen unzulässiger Camps im öffentlichen Raum verfügt das zuständige Bezirksamt umgehend deren Auflösung; die Polizei unterstützt erforderlichenfalls in Amtshilfe bei einer Räumung.